Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Was macht “Mutmacher” aus?

Ich blogge schon eine ganze Weile. Ursprünglich nicht hier, aber alles in allem seit kurz nach meiner Diagnose.

Diese Seite hat mich gefunden, ich wurde gefragt ob ich nicht Lust hätte einen Krebsblog auf Kurvenkratzer zu betreiben. Hatte ich.

 

Ich finde die Idee toll und ich mag die Community, das engagierte Team, die positive Präsens auf Facebook und Instagram. Ich bin gerne Teil von Kurvenkratzer.

 

Nur die Botschaft “egal wie du über Krebs sprichst – Hauptsache du sprichst darüber” bereitet mir Kopfschmerzen.

Auf der einen Seite stehe ich total hinter diesem Leitfaden. Ich denke es ist wichtig Tabus zu brechen, Krebs als Thema in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu holen. Wichtig für uns Erkrankte, aber auch wichtig für alle diejenigen, die noch erkranken können und vor allem für diejenigen die noch erkranken werden. Es ist wichtig Ängsten und Vorurteilen zu begegnen, aufzuklären, Risiken zu kommunizieren und die Wichtigkeit der Krebsvorsorge immer wieder zu betonen. Und es ist für viele Betroffene wichtig Ängste und Erfahrungen, aber auch Freude und Hoffnung zu teilen.

Alles in allem ist das sprechen (oder schreiben) über Krebs wichtig und für viele sicher auch sehr heilsam. Dabei gilt vor allem “richtig ist was gut tut”.

 

Möchte ich der Welt da draußen mitteilen, dass alles gar nicht so schlimm ist? Dass ich mit mentaler Stärke und den richtigen Medikamenten durch eine Chemo marschiere und mich von ihr nicht unterkriegen lasse?

Möchte ich der Welt da draußen sagen “behandelt mich verdammt nochmal normal, denn dann fühle ich mich auch normal”?

Oder möchte ich meine Angst hinausschreien und der Welt da draußen, die mich nur lächelnd “es ist wie es ist” hören sagt während sie entgegnet “immer einen Schritt nach dem anderen” entgegenschreien, dass ich sterben werde? Elendig verrecken werde als bettlägeriger Pflegefall langsam ersticken werde während ich die Kontrolle über meine Körperfunktionen verlieren werde und das Morphium mir gleichsam meine Schmerzen und meine Persönlichkeit nimmt.

Vielleicht möchte ich der Welt da draußen sagen, dass sie aufhören soll so ignorant zu sein und mir und vor allem sich selbst noch Hoffnung machen zu wollen während meine Angst weggeredet wird und ich immer einsamer werde.

Vielleicht möchte ich den Ablauf meiner Behandlung auch ganz genau erklären, suche nur jemanden der sich das wirklich Mal anhört. Der sagt “meine Güte, das ist ja unglaublich viel”.

Vielleicht brauche ich ganz dringend Mitleid oder Mitgefühl. Vielleicht auch jemanden der mir Mut macht oder jemanden der mit mir an ein Wunder glaubt.

Vielleicht brauche ich verschiedene Dinge zu verschiedenen Zeitpunkten. Vielleicht möchte ich heute die Welt umarmen und allen sagen, dass der Krebs mich reifer und weiser gemacht hat, dass er mich weiterbringt und ich ihn annehme und morgen möchte ich allen sagen, dass die Welt und mein Schicksal unfair sind, möchte weinen und in den Arm genommen werden.

Egal was wir Betroffene zum Thema Krebs loswerden wollen es hat seine Daseinsberechtigung wenn es hilft, wenn es gut tut es aufzuschreiben, es eben loszuwerden.

 

Auf der anderen Seite ist die Berichterstattung über Krebs oft unglaublich oberflächlich und verzerrt innerhalb der, ich nenne es Mal, “Krebsawarenessbewegung” meiner Meinung nach oft das Bild vom großen Leid.

Schlag ich im Krankenhaus einen Flyer oder eine Broschüre auf strahlen mich haarlose Frauen an. “Sie hat den Krebs zweimal besiegt” heißt es da. Oder “Meine Kinder sind mein persönliches Nachkrebswunder”. Augenscheinlich schwerkranke Frauen erklären wie sie mit Sport und mental healtcare als gestärkte Person aus der Erkrankung hervorgehen und die DKMS bewirbt einen Schminktkurs mit dem Titel “Look good – feel better”, als ob man den Krebs mit Schminke bekämpfen könnte.

“Pink Ladys” sulen sich im Schlamm und produzieren Bilder positiver Emotionen. Fotoprojekte setzen mastektomierte Körper in Szene und vermitteln “du bist schön, egal ob mit einer Brust, keiner Brust, aufgebauten oder erhaltend operierten Brüsten” (was ohne Zweifel Wahr ist, aber keiner sieht die Frauen die vor allem Wunden haben. Dass vor jeder Narbe eine Wunde war, die nicht bei jeder Frau zu einer Narbe verheilt geht unter. Die Narben sind ein Zeichen für den Sieg in einem Kampf den nicht jede gewinnt). Blogbeiträge erklären anderen Betroffenen, dass man nur durchhalten muss, dann kommen bessere Zeiten. “Es lohnt sich” wird als Mantra so oft wiederholt, dass man sich fast schlecht fühlt wenn man nach Monaten, vielleicht Jahren der Therapie zurückschaut und merkt es hat sich nicht gelohnt.

 

 

Diese Art der Berichterstattung hat selbstverständlich ihre guten Gründe. Sie macht Hoffnung, zaubert Zukunftsvisionen in die brachliegenden Leben neu Diagnostizierter und sie tut vor allem gut. All denjenigen, die einfach ein Ziel brauchen, die gesund werden wollen, ihren Weg suchen und sich an etwas festhalten wollen.

Deshalb möchte ich auch nicht, dass mein Beitrag in dem Sinne als Kritik verstanden wird, dass ich gerne hätte, dass diese Art Berichterstattung aufgegeben oder auch nur eingeschränkt wird.

 

Mein Thema heute ist ein anderes:

Was macht einen Blogger zum Mutmacher?

Wenn ich mir anschaue welche Krebsblogger auf Krebsawarenessseiten als “Mutmacher” vorgestellt werden und wer sich auch selbst als “Mutmacher” betitelt sind das reihenweise positive Geschichten. Menschen mit Diagnose, erfolgreicher Therapie und schönen Geschichten dazu.

Und da frage ich mich: ist es das was wir lesen wollen? Oder besser ist das wirklich das einzige was wir hören und lesen wollen, was Mut machen kann?

 

Meine Geschichte taugt sicher nicht zum Mut machen. Auf jede gute Nachricht folgen zwei schlechte und längst bräuchte ich ein Wunder um auch nur die Einschulung meiner Tochter zu erleben.

Das ist kein Stoff aus dem Mutmachergeschichten sind.

Ich kann nicht berichten von Fahrradtouren und Wanderungen, schönen Urlauben und tollen neuen Begegnungen.

Ich kann euch berichten von Therapien die auf andere Therapien folgen, vom enormen körperlichen Verfall unter all diesen Therapien, von der Angst all die Beschwerden niemals mehr loszuwerden. Ich kann euch berichten von OP-Wunden die aufreißen, von großen Mengen Blut, Wundwasser und Eiter. Ich kann euch erzählen von noch einer Operation für die eigentlich keine Zeit ist, von Ärzten die nicht mehr weiter wissen.

Ich kann euch erzählen von Husten und Fieber die nicht dasein dürften und davon wie es ist keinen Schlaf mehr zu finden weil man keine Luft bekommt. Ich kann euch erzählen wie es ist auf der einen Seite bestrahlt zu werden und auf der anderen Seite ein Rezidiv zu finden. Ich kann euch erzählen wie es ist, wenn sich das lang ersehnte Therapieende Monat um Monat nach hinten schiebt bis schlussendlich dieses gefürchtete Wort “metastasiert” im Befund steht und die Therapie nicht mehr mit einem Ende geplant wird ohne dass man jemals eine Remission erreicht hat.

Wie gesagt: meine Geschichte taugt nicht zum Mut machen.

Wohl aber mein Charakter. Jedenfalls glaube ich das.

Ich kann euch erzählen wie es ist vom Schicksal KO geschlagen zu werden und einfach wieder aufzustehen. Wie es ist trotzdem am nächsten Tag mit einem Lächeln im Gesicht in Krankenhaus zu fahren. Ich kann euch erzählen wie schön ein Tag mir meiner Tochter im Garten guter Freunde ist, oder wie unglaublich glücklich ich bin hier zu sein – heute. Ich kann euch erzählen dass ich trotzdem einen Urlaub plane und mich sogar drauf freue, auch wenn ich wohl kaum Zeit finden werde ihn tatsächlich anzutreten. Ich kann euch erzählen dass ich immer noch von einem Wunder träume und dass ich immer noch Medizin studieren will.

Ich kann euch erzählen wie schön das Leben trotz allem sein kann.

 

Und doch werde ich nie eine “Mutmacherin” sein und das liegt nicht an mir. Es liegt daran was ihr gerne lest.

Aber ich möchte gehört werden. Ich möchte Interviews geben und Podcasts aufnehmen, ein Buch schreiben, Youtube-Videos machen und mehr Blogbeiträge schreiben die mehr Menschen lesen.

Ich möchte das für mich, weil es mir gut tut, aber ich möchte das auch für die Welt da draußen, weil ich es leid bin, dass einen (fast ausschließlich) Hochglanzgesichter aus Hochglanzmagazinen anstrahlen und verkünden dass Brustkrebs gar nicht Mal so schlimm ist.

Ich möchte, dass die Menschen da draußen Brustkebs (und alle anderen Krebsarten die es gibt) als das wahrnehmen was sie sind: super gefährlich und voller Angst und Schmerzen und Leid.

 

Ich möchte lieber der Welt im großen Stil, als jedem meiner Gesprächspartner einzeln, erklären, dass das nicht “schon wieder wird” und dass Brustkrebs auch nicht “gut heilbar” ist. Ich würde gerne erklären wie verschieden Brustkrebsdiagnosen sind und dass man sich unter einer Perücke nicht gesund fühlt, sondern allenfalls weniger auffällig. Dass man schwitzt und dass es juckt und dass die meisten das nur tun, damit sie nicht auf eine Erkrankung reduziert werden die verdammt nochmal jede 8.(!) Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens bekommt.

 

Ich wäre gerne der Grund warum auch nur eine Frau zur Vorsorge geht, eine Frau ihre Tochter zum Frauenarzt schickt oder eine Frau sich mit einem Verdacht beim Arzt nicht wegschicken lässt.

Ich würde gerne Hoffnung machen. Nicht die Hoffnung dass ich diese Erkrankung überleben kann, sondern die Hoffnung dass wir Brustkebs begegnen können und dabei nicht zum Opfer werden. Dass wir unser Schicksal in die Hand nehmen können und und selbst ermächtigen einen Weg zu gehen der unsere Chancen und vor allem unsere Lebensqualität maßgeblich verbessert.

 

Und deswegen bitte ich alle Seiten und Communitys die es sich zur Aufgabe gemacht haben Krebsawareness zu erzeugen auch die traurigen und die hoffnungslosen Geschichten zu zeigen und das Hochglanzbild der perfekten Diagnose-Therapie-Heilungs-Geschichte weniger in den Vordergrund zu rücken.

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