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Depression 101: How to cope richtig
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Doppelbelastung aus der Hölle: Depression & Krebs

Depressive Episoden sind oft hartnäckige Begleiter auf der Krebsreise. Mit ihnen richtig umzugehen, kann den Ausgang der Erkrankung positiv beeinflussen. Nur: Depri sein ist nicht gleich Depression. Wir schaffen einen kleinen Überblick über Diagnosen und Symptome und sagen euch, was ihr selbst tun könnt. 

Schockschwerenot! Aller Anfang ist schwer. 

Wenn dir bewusst wird, was die Diagnose bedeutet… Schockstarre, potzblitz. Gefühle wie Trauer, Sorge, Hilflosigkeit machen sich breit. Das mündet in Angststörungen, Panikattacken, soziale Isolation und einer generellen spirituellen Krise. All das wird inzwischen als “Psychosozialer Disstress” zusammengefasst.   

Was die meisten Krebspatient:innen nach ihrer Erstdiagnose durchmachen, ist aber oft (noch) keine Depression, sondern ein Schockzustand, der in eine Phase tiefer Traurigkeit mündet. Diese Phase wird gerne als “Anpassungsstörung” betitelt, was nicht mehr heißt, als dass du dir erstmal schwer tust, mit diesem Tiefschlag zurechtzukommen. Das machen, wenig überraschend, fast alle Krebspatient:innen durch. Als Reaktion auf solch eine lebensverändernde Diagnose ist das absolut normal und hat auch generell die gleichen Symptome wie eine depressive Episode.  

Ausschlaggebend ist einerseits, wie die Erstdiagnose verlaufen ist – ob das Gespräch einfühlsam war, welche Prognose du erhalten hast, und wie informiert du bereits zu Anfang bist. Andererseits ist die Belastung natürlich auch abhängig von der Art des Tumors und wie weit fortgeschritten der Krebs bereits ist. Eine Depression kommt bei Patient:innen mit ungünstig verlaufenden Tumoren und einer langwierigen Behandlung dreimal häufiger vor als in der Normalbevölkerung. Es grenzt fast an ein Wunder, wenn du die Krebsphase gänzlich ohne depressive Symptome überstehst. 

Mann redet mit einer Psychotherapeutin
Psychoonkolog:innen sind ausgebildete Mediziner:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen oder Pädagog:innen, die auf Krebspatient:innen spezialisiert sind und bereits viel Erfahrung im Umgang mit dem Thema Krebs haben. (Foto: Pexels/cottonbro)

Psychoonkologie: Das Um und Auf! 

Fakt ist, die Lebensqualität von Krebspatient:innen ist massiv beeinträchtigt. Jenseits einer sichtbaren Depression oder Angststörung werden die psychischen Belastungen von Krebspatient:innen oft nicht ausreichend wahrgenommen. Um dem spezifisch nachzukommen, gibt es Psychoonkolog:innen.  

Gerade die Anpassungsstörung wird sehr gerne diagnostiziert, und das ist gut so, da der:die Ärzt:in dich so ganz einfach zu eine:r Psychoonkolog:in oder –therapeut:in überweisen kann. Dieser Schritt ist extrem wichtig, da du so einer echten Depression super vorbeugen kannst. Kostenlose Unterstützung von Psychoonkos kannst du auch bei Krebsberatungsstellen wahrnehmen. Eine kurze Liste findest du weiter unten! 

Die Psychoonkologie checkt dann regelmäßig bei dir nach und ermittelt, wie hoch dein Disstress-Level aktuell ist und wie es sich über die Zeit verändert. So können die Psychoonkos herausfinden, wer mehr und wer weniger psychoonkologische Unterstützung braucht, um die Lebensqualität während der Krebstherapie zu erhalten oder zu verbessern. Andererseits können so natürlich auch anbahnende Depressionen frühzeitig erfasst und behandelt werden.  

Je früher so eine Belastung erkannt wird, desto besser – damit du dich an den depressiven Zustand gar nicht erst gewöhnst und eine chronische Geschichte daraus wird. So kann die Lebensqualität trotz Krebs verbessert werden.  

Was du jetzt brauchst, ist Halt, Struktur und Orientierung. Die kann dir eine Psychoonkolog:in geben, und ebenso dein Umfeld, aber du kannst auch selbst nachhelfen. Nimm den Druck raus, lass nicht zu viel Stress aufkommen, gib dir Zeit zu verdauen und sanftmütig mit dir selbst umzugehen. Jede:r Patient:in hat das Recht, traurig zu sein. Trauer ist eine natürliche Reaktion und ist authentisch – im Grunde ein unvermeidlicher Teil des Prozesses. 

Es ist für uns verstörend, dass psychologische Hilfe noch immer mit einem gewissen Stigma behaftet ist. Falls ahnungslose Verwandtschaft, tratschende Freunde, oder dein Boss aus dem vorvorletzten Jahrhundert meinen, psychotherapeutische Hilfe ist schwach und nur für Verrückte, empfiehl ihnen doch bitte einen guten Psychotherapeuten. Du bist noch längst nicht psychisch gestört, nur weil du Hilfe annimmst. Das steht hoffentlich mittlerweile hinter allen noch so tauben Ohren. 

Bist du erstmal bei eine:r Psychotherapeut:in oder Psychoonkolog:in eingekehrt, hast du den wichtigsten Schritt schon geschafft. Die Seelenklempner:innen vom Fach arbeiten mit dir gemeinsam daran… 

  • belastende Symptome zu vermindern 
  • negative Grundannahmen und Verhaltensweisen zu positivizieren 
  • eigene Ressourcen zu aktivieren 
  • mit Hilfe von Entspannungsverfahren Ruhe zu finden 
  • neue Bewältigungsstrategien zu finden 
  • dein Selbstwertgefühl zu stabilisieren 
  • dich im Leben neu zu orientieren 
  • die Kommunikation zwischen dir, deinem:r Partner:in, Kindern und Angehörigen zu verbessern 
  • in der Trauer begleitet zu werden 
  • in der letzten Lebensphase begleitet zu werden 

Auch angeboten werden oft… 

  • psychologische Betreuung für Angehörige & Kinder 
  • Betreuung in der Nachsorge 
  • Krisenintervention 
  • Weitervernetzung zu Ernährungberater:innen, Sozialrechtler:innen, etc. 

Anlaufstellen

An diese psychoonkologischen Stellen kannst du dich wenden. In unserem Sammelartikel „Ich habe Krebs. Und wo gibt’s jetzt Hilfe?“ findest du eine umfangreiche Liste mit Anlaufstellen.

  • Krebshilfe Wien  
    • E-Mail: beratung@krebshilfe-wien.at 
    • Tel.: +43 (01) 408 70 48

Kurvenkratzer dankt Carsten Witte für das inhaltliche Prüfen dieses Artikels.

Er ist jung und er hatte Krebs.

Carsten Witte ist zu allererst einfach mal der nette Typ von nebenan. Hauptberuflich begleitet er als Psychoonkologe (DKG) Patient:innen im Zentrum für Strahlentherapie in Freiburg. Sozialrechtliche Beratung auf der einen Seite, aber auch ressourcenorientierte Krisenintervention auf der anderen, sind sein täglich Brot. Ehrenamtlich leitet er den Verein Jung und Krebs. Was diesen so wertvoll macht, könnt ihr in unserer Podcastfolge zu Selbsthilfe und Krebs selber nachhören. Carstens‘ Motto: Keine Termine und leicht einen sitzen.

Auf der nächsten Seite räumen wir mit den Vorurteilen über Antidepressiva auf und sagen dir, wie du selbstwirksam werden kannst.

Über die Serie

Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.

Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.

Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.

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