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Einsamkeit – Wege rein & Wege raus

Einsamkeit tötet. Entstanden aus purem Überlebensdrang, ist sie nun die Volkskrankheit der Moderne. Es gibt mehrere Arten und Gründe für Einsamkeit und zum Glück auch eine Menge an Wegen aus ihr heraus. 

Ja, hier sind wir also. 21. Jahrhundert, vernetzter als eine Spinne ohne Fressfeinde und einsamer als ein Volleyball namens Wilson. Was ist passiert? Veränderung, das ist passiert. Es ging so schnell. Die Prioritäten shiften, etablierte Gemeinschaften obsolet, ein formloses Superhirn beschleunigt die Erdumdrehung, Gott glaubt an seine eigenen Religionen nicht mehr, Unterhaltung aus der Dose und Liebe… was ist das überhaupt? Einsamkeit ist eine Volkskrankheit, und das Volk ist die globale Moderne. Wolkenkratzer helfen nicht und Pandemien sowieso am wenigsten. Wir sind zusammen allein.  

Dieser Artikel ist die Antwort auf folgende Fragen: 

  • Welche Arten von Einsamkeit gibt es? 
  • Wie hat sich Einsamkeit entwickelt? 
  • Warum ist Einsamkeit gefährlich? 
  • Wie entkomme ich der Einsamkeit? 
  • Was kann ich konkret gegen Einsamkeit tun? 

Aber halt! Das Wort ‘Allein’ trifft’s nicht ganz. Alleinsein ist ein Zustand, vielleicht auch noch selbst ausgewählt und genossen. Nein, es ist Einsamkeit – ein Gefühl, ein Schmerz, nicht gewollt, großer Unterschied. Oft ist man in den einsamsten Momenten von den meisten Menschen umgeben. Ausgelöst durch Wohnortswechsel, Scheidung, Armut, Mobbing, schwere Erkrankung, psychische Belastung, verstorbene Partner:innen im Alter, etc. Einsamkeit hat viele Gesichter und Verläufe, so individuell wie die Person, die an ihnen leidet.  

einsamer Mann auf einem Parkplatz
Zwischen Alleinsein und Einsamkeit ist ein großer Unterschied. (Foto: Pexels)

Arten von Einsamkeit 

  • Intime oder emotionale Einsamkeit: Nix enge, beständige Beziehung, in der du in einem sicheren Rahmen dein innerstes Innenleben ausleben kannst. 
  • Soziale Einsamkeit: Nix Freundschaft, nada Brudis und Sistas mit denen du Unfug treiben und anrufen kannst, wenn dir langweilig ist. 
  • Kollektive Einsamkeit: Die ganze Gesellschaft ist ein asozialer Haufen, hat sich gegen dich verschworen und du wärst lieber Einsiedler:in als Beamt:in. 

Und Einsamkeit tritt auch meistens nicht von gestern auf heute in dein Haus, außer, du ziehst um... 

Die vorübergehende Einsamkeit 

Du bist z.B. gerade umgezogen und hast in der neuen Hood noch keine Freunde. Diese Einsamkeit ist eine Chance und kann sogar gesund sein, weil sie dich fordert und wachsen lässt. 

Der langsame Rückzug 

Ein oder mehrere Vorkommnisse führen dazu, dass du Vertrauen an dich und/oder andere verlierst und du dich langsam aber sicher zurückziehst. Du verlernst schleichend, zurückzulächeln, Augenkontakt zu halten und über Alltäglichkeiten zu reden. 

Die chronische Einsamkeit 

Die volle Dosis. Du lebst wie ein:e Einsiedler:in, kapselst dich ab, fühlst dich unattraktiv. Andere wissen wenig bis gar nichts mit dir anzufangen. Ein ständiges Gefühl der Ablehnung schwebt wie eine Regenwolke über deinem Kopf. 

Frau sitzt in leerer Wohnung
Nichts schreit 'Einsam' so laut wie eine leere Wohnung. (Foto: Kari Shea)

In einem wissenschaftlichen Kontext ist Einsamkeit immer negativ, historisch gesehen war das nicht immer so. Und ganz allgemein gesehen ist sie ein Teil der menschlichen Erfahrung, nichts, für das man sich schämen muss, und sogar manchmal eine Chance, positive Veränderung zu bewirken.  

Komm mit auf einen Ritt durch die Geschichte, bis hin zu den Folgen und Tipps, wie du aus dem Gefängnis der Einsamkeit ausbrechen kannst. Kleiner Hinweis vorab: Das Schloss lässt sich nur von innen öffnen. 

Geschichte der Einsamkeit 

Soziale Bedürfnisse sind verdammt nochmal wichtig – dein Körper weiß das ganz genau. Bevor der Weizen die Menschheit geknechtet hat und wir als Jäger und Sammler durch die Lande streiften, war Zugehörigkeit ein hervorragender Indikator für Überlebenschancen. Die natürliche Selektion belohnte unsere Vorfahren für zwischenmenschliche Beziehungen und Zusammenarbeit.

Ergo wuchsen unsere Gehirne und wurden immer besser darin, zu erkennen, was andere fühlen und denken, um echte soziale Verbindungen zu formen und aufrecht zu erhalten. Sozial zu sein wurde ein essenzieller Teil unserer biologischen Machenschaften.  

Die meiste Zeit auf diesem Planeten plumpsten Menschenskinder in eine Gruppe von 50 bis 150 Mitstreiter:innen, mit denen man für den Rest des Lebens auskommt, zusammenarbeitet, rangelt, handelt, schläft, isst, lebt und stirbt. Warum? Um zu garantieren, dass man ausreichend Kalorien in sich hineinstopfen kann und währenddessen sicher und warm bleibt.

Um dann eines Tages mit einem begehrten Geschöpf für Nachkommen zu sorgen. Zusammenzubleiben hieß überleben. Alleinesein hieß sterben. Es war also wichtig, sich mit den anderen Hansis & Susis zu arrangieren.  

Die größte Gefahr für unsere Vorfahren war kein wildes Tier, sondern der Ausschluss aus der Gruppe. Um das zu vermeiden, hat sich eine Art physisches Frühwarnsystem entwickelt. Einsamkeit ist in der Tat körperlicher Schmerz – die evolutionäre Antwort auf Verstoßung, um sicherzugehen, dass du dein asoziales Verhalten einstellst und nicht aus dem Club fliegst.

Deshalb tun Zurückweisungen und insbesondere Einsamkeit so weh. Diese Mechanismen funktionierten ausgezeichnet für den größten Teil unserer Geschichte, bis die Menschen sich eine schöne neue Welt bauten. 

Eine syrische Familie in den 20er Jahren
Früher war Alleinsein keine Option. (Foto: Wikimedia Commons/Foto Masr)

Brave New World 

Die Nachteile der modernen Welt, die Einsamkeitsepidemie, die wir heutzutage zu spüren bekommen, findet ihren Anfang gegen Ende der Renaissance. Westliche Kultur begann, sich auf das Individuum zu konzentrieren, Intellektuelle entfernten sich vom Kollektivismus des Mittelalters, während die jungen Protestant:innen individuelle Verantwortung betonten.  

Die industrielle Revolution setzte dann nochmal drauf: Leute zogen vom Land in die Stadt. Gemeinschaften, die seit hunderten von Jahren existierten, schrumpften allmählich, während die Städte rasant zulegten. Heute legen wir weite Strecken für neue Jobs, Beziehungen und Bildung zurück und lassen unsere alten Verbindungen zurück. Wir treffen uns nicht mehr so oft in natura und generell seltener als früher. Die durchschnittliche Anzahl an engen Freunden in der westlichen Welt ist von drei (1985) auf zwei (2011) gefallen.  

Die meisten Menschen verfallen chronischer Einsamkeit unabsichtlich. Du wirst erwachsen und beschäftigst dich mit Arbeit, Weiterbildung, Beziehungen, Kindern und Netflix. Es gibt einfach nicht genug Zeit für alles. Am bequemsten lässt sich die Zeit mit Freunden opfern. Bis du eines Tages aufwachst und realisierst, dass du dich isoliert fühlst, dich nach engen Beziehungen sehnst. Aber es ist gar nicht so einfach, als Erwachsener enge Beziehungen aus dem Boden zu stampfen und so wird Einsamkeit chronisch.  

Viele Leute in einer U-Bahn Station
Die einsamsten Momente hat man oft unter den meisten Menschen. (Foto: Anna Dziubinska)

Auf der nächsten Seite erfährst du alles darüber, warum Einsamkeit so ungesund ist, wie sie sich äußern kann und wie du aus ihr rauskommst.

Über die Serie

Was ist Glück? Was bedeutet es, glücklich zu sein? Ist Glück eine Veranlagung? Wie wird man glücklich? Existentielle Fragen, die einerseits höchst individuelle Antworten bergen, aber andererseits wissenschaftlich ergründbar sind. Glücksforschung ist ein gut gelauntes Metier der Wissenschaft, das noch gar nicht so lange existiert. Die „positive Psychologie“ rückt zum Beispiel die schönen Gefühle in den Mittelpunkt. Und dafür gibt es gute Gründe: Denn vorbeugen ist leichter als heilen, das gilt auch für psychische Erkrankungen. Kaum etwas macht dich so gesund wie eine optimistische Lebenseinstellung!

Also: keine Esoterik, Quacksalberei oder falsche Versprechen. In dieser Serie findest du ausschließlich wissenschaftlich bewiesene Glücklichmacher – inklusive Tipps und Tricks für dein eigenes Wohlbefinden.

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