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Anita Kienesberger
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Ein Leben lang Patient Advocate

Die Serie „3 mal 3 Patient Advocates“ beleuchtet die Arbeit von Menschen, die sich in den Dienst von Patient:innen stellen. Eine von ihnen ist Anita Kienesberger. Warum sie ein ganzes Berufsleben Kindern und Jugendlichen mit onkologischen Erkrankungen widmet.

„Es wäre ein Kulturwandel notwendig.“
– Anita Kienesberger

Wie nennt man eine Person, die sich seit Jahrzehnten für die Interessen von Patient:innen einsetzt? Fürsprecherin, Advokatin, Stimme? Anita Kienesberger ist einer dieser Fixsterne am internationalen Patient-Advocacy-Firmament. 20 Jahre kümmert sich die diplomierte Krankenpflegerin um Kinder und Jugendliche im Bereich der Kinderonkologie, zehn Jahre davon als Leiterin der Intensivstation am St.-Anna-Kinderspital in Wien. Es folgen 20 Jahre als Geschäftsführerin der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe (2001 – 2021), über ein Jahrzehnt davon als Board Member von Childhood Cancer International (2003 – 2014).

Mittlerweile hat Anita Kienesberger den Vorsitz des europäischen Dachverbands von Childhood Cancer International (CCI Europe) inne und ist Mitglied des Patient Advisory Committee der European Cancer Organisation. Wir fragen sie, was Patient Advocacy für sie bedeutet und was sich ändern müsste – und gewinnen tiefe gesellschaftspolitische Einsichten.

Was ist das dringendste Thema in deiner Arbeit als Patient Advocate?

„Seit der Gründung der Kinder-Krebs-Hilfe haben die Eltern der erkrankten Kinder und Jugendlichen die Interessen der Patient:innen vertreten. Die ehemaligen Patient:innen waren zu der Zeit, als ich in der Kinder-Krebs-Hilfe begonnen habe, nicht aktiv. Das war der Grund, warum ich in meiner Funktion versucht habe, die ehemaligen Patient:innen so zu stärken, dass sie in der Lage sind, selbst für ihre Interessen einzutreten und wenn notwendig für Fehlendes gemeinsam mit den Eltern Bewusstsein bei Verantwortlichen zu schaffen.“

„Wir müssen aufklären, was Patient and Public Involvement ist.“
– Anita Kienesberger

„Heute ist es für mich am wichtigsten, daran mitzuarbeiten, dass es ausreichend gut ausgebildete Patient Advocates gibt, und mich dafür einzusetzen, dass Patient Advocates in allen Entscheidungsprozessen – in Forschung und Versorgung – mit eingebunden werden. Das wäre dann gelebtes PPI (Patient and Public Involvement, Anm.).“

Im Sinne von Patient and Public Involvement (PPI) werden Patient:innen und Vertreter:innen der Öffentlichkeit in die klinische Forschung eingebunden – mit dem Ziel, Forschungsprojekte näher an den Erfahrungen von Patient:innen auszurichten.

„Wir müssen aufklären, was Patient and Public Involvement ist und was das im klinischen Alltag und für die Forschungslandschaft bedeutet. Es wäre ein Kulturwandel notwendig.“

Welches Erlebnis in deiner Zeit als Patient Advocate bewegt dich seither am meisten?

„Eigentlich ist es das Engagement von vielen Patient Advocates in ganz Europa und die seit zehn Jahren damit verbundene Anstrengung, die unternommen wurde, damit Patient Advocacy endlich auf die Agenda der Entscheidungsträger:innen kommt. Zumindest auf EU-Ebene haben wir das geschafft.“

„Wenn Entscheidungen in der Forschung und in der Versorgung gemeinsam mit Patient Advocates gemacht werden, dann erst können wir sagen, dass Patient:innen und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt unseres Interesses stehen.“
– Anita Kienesberger

In welche Richtung sollte Patient Advocacy in naher Zukunft am besten gehen?

„Wir alle wissen oder haben erfahren, wie paternalistisch unser Gesundheitswesen organisiert ist. Wenn wir aber Patient-centered Care und Shared Care und damit verbunden aktives Patient:innen-Involvement wirklich wollen, müssen Health Care Professionals von Anfang an viel integrativer mit Patient:innen umgehen und kommunizieren – und das vor allem lernen.

Das sehe ich derzeit nur marginal, also es ist nicht nur ein Kulturwandel in der Kommunikation mit Patient:innen und deren Angehörigen nötig, sondern er müsste in Gesundheitseinrichtungen per se stattfinden. Darüber hinaus müssen alle relevanten Stakeholder in der Gesundheitspolitik verstehen: Wenn Entscheidungen in der Forschung und in der Versorgung gemeinsam mit Patient Advocates gemacht werden, dann erst können wir sagen, dass Patient:innen und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt unseres Interesses stehen.“

Frau in rotem Ohrensessel.
Patient Advocate Anita Kienesberger tritt dafür ein, dass „Patient:innen und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt unseres Interesses stehen.“ (Foto: CCI Europe)

Und, was ist mit deiner Stimme?

Von Krebs betroffenen Menschen hilft es, wenn andere über ihre Krebserkrankung sprechen. Das gibt ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. Trage auch du dazu bei, Krebs in der Gesellschaft zu enttabuisieren. Lass uns deine Stimme hören.

Wir sprechen über Krebs. Gemeinsam. Laut. 

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