Erleichterung vs. Belastung
Batterie-Hase oder Couch-Potato: Medikamentengesteuert durch die Chemotherapie
Vor meiner Erkrankung waren Medikamente etwas, das ich nicht brauchte und wenn ich sie brauchte, dann nahm ich sie nicht. Auch meinen Kindern verabreiche ich lieber die fünfte heiße Zitrone als ein Fieberzäpfchen. Leider geht eine Chemotherapie aber nicht mit Globuli vonstatten und so befand ich mich zwanzig Wochen im Medikamenten-Dauer-Flash. Wie ich dabei fühlte, warum die Familie so oft Brokkoliauflauf zu essen bekam und wieso ich den Leukozytenspritzen trotz ihrer Nebenwirkungen so viel Gutes abgewinnen kann, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Die letzte Chemo: Mein Körper ist am Limit
Durch die Chemotherapie wird dein Körper “einmal komplett an die Wand gefahren.“, wie eine liebe Freundin ganz zu Beginn meiner Chemo mal zu mir sagte. Das kann ich absolut bestätigen, liebe M.! Nach 20 Wochen Chemotherapie habe ich alle erforderlichen giftigen Heilmittel in mich aufgenommen und hoffentlich alle noch schlafenden Krebszellen besiegt.
Parallel passierte, was zu jeder Chemotherapie dazugehört: Meine Leukozyten, also die weißen Blutkörperchen, die für ein intaktes Immunsystem zuständig sind, verabschiedeten sich ins Nirgendwo. Während der Normbereich bei 4300/µl beginnt, dümpelten meine Werte ab der ersten Chemo bei Werten zwischen 3000 und 3500 /µl herum. Einmal ging´s an die 2000 /µl-Marke ran und ich musste mich drei Tage lang mit dem Wirkstoff Filgrastim spritzen. Danach lagen die Leukozyten bei einem Sensationswert von 14800 /µl, der sogar den oberen Normwert von 10000 /µl noch torpedierte. Nach einer Chemo-Infusion ging´s dann aber schlagartig wieder auf meinen persönlichen Chemo-Normwert von 3000 /µl hinunter.
Leukopenie: Zustand, in dem die Anzahl der Leukozyten unter einen Wert von 4000 pro Mikroliter (µl) im Blut fällt. Hierfür ist häufig nicht die Krebskrankheit an sich, sondern die Chemotherapie oder die Bestrahlung schuld, da diese die Zellbildung im Knochenmark angreifen. Auch ein akuter Substratmangel (Vitamin B12, Folsäure oder Eisen) oder eine schlimme Virusinfektion wie z.B. Typhus, Influenza, Malaria oder auch Masern können die Leukozytenanzahl im Blut absenken.
Vor der letzten Chemoinfusion lag mein Wert bei erschreckenden 1300/µl. Tiefer geht´s eigentlich nur noch im Sarg. Deshalb spritze ich momentan erneut und übernehme deshalb keine Gewähr für einen seltsamen Satzbau, verquere Gedankengänge oder sonstige Auffälligkeiten in diesem Text. Heute ist Tag 4 des Spritzendopings und in Kombination mit dem Chemo-Brain (Sideinfo: In meinem Beitrag „Profi-Tipps einer Chemotherapiepatientin“ gibt´s genauere Erläuterungen dazu.) ist das eine fiese Mischung.
Heute Vormittag wurde in mir ein Schalter umgelegt und seitdem fühle ich mich wie aufgezogen. Eine ähnliche Wirkung erlebte ich immer wieder auch durch das Cortison, das es bei der Chemotherapie begleitend gibt. Von einem Moment auf den anderen hibbelte ich dann herum, redete und redete und redete oder fing plötzlich an zu singen und durch die Gegend zu tanzen. Den heutigen Auftritt bei voll aufgedrehtem Radio und einem Song von Justin Timberlake und Chris Stapleton musste der Mittelstürmer ertragen. Der Aufforderung der Beiden “Say something” kam ich sehr gern und lautstark entgegen. Pure Lebensfreude im Spritzenrausch!
Kennt ihr noch diesen rosaroten Plüschhasen, der früher – als es noch gute Werbung gab – wie verrückt mit Drumsticks auf seine kleine Trommel schlug, die er vor sich her trug? Während seine identisch aussehenden Kumpels, die mit Batterien einer anderen Marke betrieben wurden, nach und nach energielos wurden, trommelte dieser langohrige Kerl unermüdlich weiter. Ich jedenfalls fühle mich aktuell wie dieses verrückte Langohr und wurde zweifelsfrei mit der richtigen Batterie-Marke geladen!
Logischerweise haben die Leukozytenspritzen wie alles, was einem während der Chemo reingedonnert wird, ihre Nebenwirkungen. Viele Patientinnen und Patienten haben starke Knochenschmerzen, was bei mir bei der ersten Gabe auch, aber längst nicht so extrem wie wohl möglich, der Fall gewesen ist. Außerdem gingen bzw. gehen sie mir voll auf den Darm. Zusätzlich verursachen sie kribbelnde Füße, Entzündungen im Mundbereich und Nasenbluten. Haha, da ich daran sowieso seit Wochen litt und noch immer leide, war/ist das eigentlich ziemlich langweilig. Ich frage mich, ob nicht noch etwas Anderes möglich gewesen wäre? Nee, Scherz beiseite: Ein Spaß sind diese Dinger nicht, aber wenn es dem Zweck dient, nämlich mich weniger infektanfällig zu machen, soll es so sein.
Schließlich war ich jetzt lange genug vorsichtig. Früher belächelte ich Leute, die an Tagen, an denen es schneite oder stürmte, lieber auf dem Laufband trainierten als rauszugehen und liebte es, vor allem auch bei extremeren Wetterverhältnissen draußen aktiv zu sein und dann machte ich es ihnen nach.
Es stimmte mich richtig traurig, als das Goldkind einmal meinte: „Ist doch klar, dass wir ohne Mama auf die Burg hochwandern. Die kann da ja nicht mit wegen ihrem Krebs.“ Ich war zeitweilig ziemlich verärgert, weil ich zu so einem so zarten Pflänzchen wurde. Andererseits schaffte ich es dank meiner Vorsicht, wegen meines Bewegungsprogramms – zumindest bilde ich mir das ein – und sicherlich auch dank der Corona-Maßnahmen die kompletten 16 Zyklen Chemotherapie ohne einen Infekt, noch nicht mal einem Schnupfen, zu überstehen.
Die Pandemie war für mich persönlich gesehen in Bezug auf die Infektgefahr tatsächlich ein Segen. Früher wäre ich mit FFP2-Maske schon sehr aufgefallen, wegen ständiger Desinfektion bestimmt als „hysterisches Huhn“ abgetan worden oder hätte mir mit dem Absagen eines Treffens, weil das Besucherkind ein leichtes Kratzen im Hals verspürt, sicherlich keine Freunde gemacht.
Falls du, liebe/Leser/in auch mit deinem schwachen Immunsystem haderst oder während deiner Chemozeit sogar immer wieder einen Infekt hast, kann ich dich vielleicht mit dem Satz einer guten Bekannten aufmuntern. Als wir einen Spaziergang auf Abstand wegen Temperaturen an die Null Grad abbliesen, schrieb sie mir: „Das Pflänzchen wird auch wieder superstark. Manche Pflanzen brauchen einen „Rückschnitt“ , damit sie richtig stark gedeihen können.“ In diesem Sinne: Steig weiter gegen deinen Krebs in den Ring und nimm in Kauf, dass du dadurch schwächer wirst! Wenn alles gut geht, hast du noch genügend Tage in deinem Leben vor dir, an denen du bei Wind und Wetter, bei Graupelschauer oder Eisregen, mit Halsschmerzen oder lädiertem Knie durch die Gegend joggen, radeln oder spazieren kannst. Und genieße unbedingt die energiegeladenen Zeiten, auch wenn die medikamtenbedingt sind. Willkommen im Batterie-Hasen-Club!
Neben dem extremen Leukozytenwert habe ich auch nach Abschluss der Chemotherapie einen ellenlangen Rattenschwanz an Nebenwirkungen zu verbuchen. Das Chemo-Gift der letzten beiden Zyklen scheint nochmal voll reingezogen zu haben. Ich schmecke seit fast drei Wochen nicht mehr richtig. Weder die dreieckige, dreifarbige Lieblingsschokolade in lila Verpackung noch das heißersehnte Cordon-Bleu ein paar Tage nach der Chemo hat Geschmack. Ich esse quasi auf Verdacht. Rückblickend fing das schon früher an und ich griff unbewusst immer mehr zu würzigen Dingen wie beispielsweise Landjägern oder Salami, sonst gar nicht mein Ding. Als dann sogar das Restaurant-Essen, das wir uns an einem Sonntagabend geholt hatten, wie Mehlpampe schmeckte, war klar, dass da etwas nicht stimmte. Da Corona sich häufig durch dieses Symptom zeigt, testete meine Hausärztin und gute Freundin mich postwendend, Danke an die sonntägliche Testerin in der Geschmacksnot für diesen Freundschaftsdienst am Sonntagabend noch vor dem Tatort! Ergebnis: “Negativ. Ist Positiv!” wie mein Schwiegervater sagen würde. Also „nur“ Chemo.
Desweiteren tränen meine Augen tierisch, ich habe leider noch ein paar Wimpern und Augenbrauen verloren. Mein Mund und die Lippen sind wieder angegriffener, ich habe eine belegte Stimme. Außerdem blutet meine Nase mehrmals täglich heftig (werde gerne auch mal mitten in der Nacht davon geweckt). Wer sich schon mal einen Tampon in die Nase gesteckt hat, um auf seinem Hometrainer weiterradeln zu können, hebe bitte kurz die Hand! Aber was tut man nicht alles, um auf seine tägliche Bewegungseinheit zu kommen…
Spaß beiseite: Das oder auch der Moment, als ich nach dem Göttergatten rief, weil ich zitternd auf dem Badezimmerboden lag und zu schwach war, um mir eine Decke zu holen oder wie ich auf allen Vieren die Treppe nach oben krabbelte, um meinen Goldschätzen gute Nacht zusagen, sind Momente auf meiner Krebsreise, die ich ganz schnell vergessen und unter „Medikamentensteuerung, die dem Heilungszweck dient“ verbuchen möchte.
Vor ein paar Tagen war ich beim HNO-Arzt und hatte fast gehofft, dass der einen anderen Grund wie z.B. ein kaputtes Gefäß, ein Geschwür im Hals finden und mir eine Medizin verschreiben würde, die mich in ein paar Tagen beschwerdefrei macht. “Leider ” nein: Alle Zipperlein sind chemobedingt und werden irgendwann verschwinden.
Doch wie sagte mein Onkologe mal so schön, als ich ihm meine Liste an Nebenwirkungen präsentierte: „Das alles zeigt, dass die Chemo gut anschlägt“ So gesehen habe ich also alles richtig gemacht! Ihr wisst ja: Immer positiv denken….
Komplett-Vernebelung im Alltag?!
Was mir über den gesamten Zeitraum der Chemotherapie geistig zu schaffen machte, waren die Reaktionen meines Körpers auf die Infusionen und die Begleitmedikation der Chemo (Auch hierzu mehr in meinem Text „Profi-Tipps einer Chemotherapiepatientin“). Ich fand es erschreckend, dass ich das nicht steuern konnte. Irgendwie machte es mir teilweise auch Angst, dass ich es geschehen lassen musste und es ärgerte mich, dass ich nichts dagegen in der Hand hatte. Ich musste es einfach geschehen lassen.
Bislang war ich dafür bekannt, auch die letzten ungefüllten zehn Minuten des Tages mit Aktivität zu betanken (Wäsche in die Waschmaschine stopfen, die Spülmaschine ausräumen, eine Überweisung schreiben, ein WhatsAp schreiben oder die Zahnarzttermine für die Kinder ausmachen… irgendwas passte immer noch rein.) und nur während der Schwangerschaften erfreute ich den Göttergatten ab und zu mit einem Mittagsschläfchen. Nun aber lernte ich, unser Sofa zu lieben. Die Goldschätze sahen mich plötzlich am helllichten Tag mit geschlossenen Augen dort liegen.
Anfangs war das kein Hinderungsgrund, mir etwas zu erzählen, mit dem Heft in der Hand um Hilfe beim Homeschooling zu bitten oder mir gar etwas zu zeigen und zu fragen, ob es richtig sei. Ob meine Antwort immer die richtige war, wage ich zu bezweifeln, oft kam sowieso nicht mehr heraus als „Jaja.“, „Ich glaube schon.“, „Ja, kannst du so machen.“ Da mich keine Beschwerden der Lehrkräfte erreichten, scheint es im Durchschnitt ganz gut gepasst zu haben. Falls der Lehrer des Mittelstürmers, der hier auch ab und zu auf dem Blog ist, das anders sieht, möge er sich bitte bei mir melden. So langsam erwache ich ja wieder aus der Komplett-Vernebelung.
Phasenweise fand ich es wirklich krass, dass ich infolge des Antiallergikums, das ich als Begleitmedikation zu Paclitacel bzw. Docetacel erhielt, nicht mal mitbekam, wenn die beiden Großen ihre Online-Musikstunden hatten und ich weder Klavier-, noch Flöten- und noch nicht mal Trompetenklänge hörte. (Sideinfo im Vertrauen und nicht für Goldschatz-Ohren gedacht: Zum Glück blieben mir so auch alle schiefen Töne erspart.). Glücklicher Nebeneffekt der extremen Müdigkeit war, dass ich an diesen Tagen genügend Schlaf bekam, was in Zeiten von Schlaflosigkeit infolge von Cortison, Magengrummeln oder Zukunftsgrübeleien nicht zu unterschätzen ist.
Auch spaßig war so mancher Supermarktbesuch an den ersten beiden Tagen nach einer Chemo. Zum einen dauerten die Einkäufe dann immer ewig, zum anderen vergaß ich trotz Einkaufsliste immer wieder Sachen. Ich klickte sie schon vor der Ankunft am jeweiligen Regal weg (Ich kaufe mit einer Handy-App ein.), weil ich sie geistig schon eingepackt, die reale Handlung aber noch nicht getätigt hatte. Für eine Person auf Chemo-Gift nicht zu empfehlen! Ganz fatal konnte es enden, wenn ich mein Handy vergessen und somit die Einkaufsliste nicht parat hatte. Im Normalzustand kein Problem, nun eine immense Heraus- oder, um ehrlich zu sein, eine Überforderung. Zum Glück konnte mir das Goldkind mit seinen knapp vier Jahren immer wieder aus der Vergesslichkeitspatsche helfen, da sie zu Hause mit mir zusammen die Einkaufsliste gemacht hatte.
Den Umstand der angeschwollenen Finger nach einer Cortisonladung konnte ich zwar nicht beheben, aber durch Abnehmen des Eherings begegnen. Der steckte nämlich nach der erste Chemotherapiesitzung unangenehm drückend am Wurstfingerlein fest.
Das Gefühl, mein kompletter Körper sei aufgedunsen und ich sähe aus wie das weiße, aus Autoreifen bestehende Michelin-Männchen, wurde auf Nachfrage hin von einer Freundin als „optische Täuschung“ widerlegt.
Am allerschlimmsten fand ich, dass ich zeitweise in ein schwarzes Loch fiel und depressive Züge an mir feststellte. Dann las ich in einem Krebs-Erfahrungsbericht von einer Frau, die ihren Mann während einer Chemotherapie begleitete. Der wurde immer in sich gekehrter, stiller, depressiver. Sie fand den Beipackzettel des Medikamentes „Dexamethason“, das ich selbst als Begleitmedikament gegen starke Übelkeit bei den ersten Chemoinfusionen einnehmen musste. Als ich ihre Zeilen las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: “Dexamethason macht das Immunsystem kaputt, verursacht (…) Depression, (…). Aber es muss eingenommen werden.” Meine Traurigkeit, mein Hadern mit allem, die schwarzen Wolken, die zeitweilig über allem hingen und dann plötzlich wieder verschwanden, standen in Zusammenhang mit diesen Tabletten.
Ich rate anderen Betroffenen, sich vor Beginn einer Chemotherapie unbedingt mit deren möglichen Auswirkungen zu beschäftigen und/oder mit anderen Chemotherapiepatientinnen oder -Patienten zu sprechen. Zwar kann man sich nicht im Detail vorstellen, was es wirklich heißt, dass die Mundschleimhaut “angegriffen wird” oder wie es sich anfühlt, wenn die Füße über Wochen halb taub sind und man deshalb nicht mehr ohne Zuhilfenahme der Hände in seine Schuhe schlüpfen kann. Aber man kann sich ein geistiges Konzept für den Umgang mit Zusatzmedikamentierung zurechtlegen.
So wollte ich, wenn irgend möglich, den Berg an Notfallmedikamenten, den ich bei der ersten Chemotherapiesitzung mitbekommen hatte, möglichst unangetastet lassen. Ich wollte mich nicht noch mehr zudröhnen und Übelkeit oder Schmerzen in Kauf nehmen und bewusst erleben. Das zog ich auch tatsächlich so durch.
Stattdessen trank ich begleitend zur Chemotherapie jeden Tag ein Glas eines Nährstoff-Granulat und schluckte zwei dazugehörige Kapseln. Das Präparat “Orthomol i-care” ist in seiner Zusammensetzung auf die Unterstützung einer Chemotherapie abgestimmt. Es hilft z.B. auch bei der Gesunderhaltung der Mundschleimhaut oder bei der Reduktion von Müdigkeit und Erschöpfung. Ob dem tatsächlich so ist oder ob ich durch mein eisernes Sportpensum und hohen Obst-und Gemüseverzehr diesen Effekt erzielte, ist mir egal. Ich hatte ein gutes Gefühl dabei, meinem Immunsystem und meinem Körper auf diesem Wege “gute, natürliche Medizin” zuzuführen und nehme das Präparat weiterhin und auf jeden Fall bis nach Abschluss der Bestrahlung ein.
An dieser Stelle sei allen Krebspatientinnen und –patienten, die diesen Text lesen, gesagt, dass meine Haltung nicht maßgeblich ist. Es ist absolut kein Zeichen von Schwäche, die von deiner Onkologin oder deinem Onkologen empfohlenen Medikamente einzunehmen! Anstatt beispielsweise unter heftiger Übelkeit mit Erbrechen zu leiden oder unerträgliche Knochenschmerzen zu haben, kann es hilfreich sein, entsprechende Tabletten oder Schmerzmittel einzunehmen. In der Chemo-Ambulanz wiesen die freundlichen Mitarbeiterinnen mich und auch andere Patientinnen und Patienten um mich herum immer wieder darauf hin.
Schulmedizin oder Misteltherapie?
Obwohl ich im „normalen Leben“, also ohne Krebsbesucher in der Brust, absolute Tablettengegnerin bin, war und bin ich im Hinblick auf meinen Krebs naiv oder „ärztehörig“ eingestellt. So bin ich in punkto Chemotherapie ziemlich bodenständig. Ich bin der Ansicht, dass wohl schon längst keine Patientinnen oder Patienten mehr sich freiwillig der Hardcore-Methode “Chemotherapie” unterziehen würde, wenn die Alternativangebote tatsächlich zielsicher einen Brust-, Darm- oder sonstigen Krebs besiegen könnten.
Deshalb habe ich diese Therapieform für mich nie in Frage gestellt und 20 Wochen mit allen Auswirkungen auf Körper und Seele durch den heftigen Medikamentenbeschuss durchgezogen. Auch die Antikörperinfusionen, die im zweiten Drittel der Chemo startete, und die ich dreiwöchentlich über den Verlauf eines Jahres erhalten werde, sehe ich als Chance auf ein krebsfreies Leben.
Etwas Kopfzerbrechen macht mir allerdings die Anti-Hormontherapie, zu der mir im Anschluss an die Bestrahlung, angeraten wird. Vielleicht stoße ich mich zu sehr an dem Wort „Hormon“, vielleicht müssen auch noch ein paar Tage Nachdenken ins Land ziehen und auf jeden Fall ein weiteres Gespräch mit meiner Herzen-Ärztin Frau Dr. F. dazu erfolgen.
Recherchiert man im Internet, so findet man allerhand ganzheitliche, biologische, anthroposophische oder natürliche Methoden gegen Krebs und stößt immer wieder auf die sogenannte Misteltherapie. Auch auf dem Buchmarkt und im Internet gibt es allerlei Erfahrungsberichte von Menschen, die ihren Krebs alternativmedizinisch besiegt haben. Das gönne ich diesen von Herzen und stelle Ihren Erfolg absolut nicht in Frage. Für mich standen alternative Behandlungsmethoden gegen Krebs aber nie ernsthaft zur Diskussion. Allen Betroffenen, die Zweifel an einer vorgeschlagenen Chemotherapie haben, rate ich unbedingt dazu, sich auch alternativ beraten zu lassen, bevor sie sich für diese kräftezehrende Prozedur entscheiden. Denn der Wille muss auf jeden Fall mit ins Chemo-Boot!
Außerdem möchte ich alle Betroffenen dazu ermutigen, sich Gedanken über begleitende Maßnahmen wie Yoga, Entspannungstechniken, Stressabbau zu machen. Ich selbst bin absolut kein Yogatyp (wenngleich ich gestehen muss, das noch nie ernsthaft ausprobiert zu haben) und stehe mehr auf Bewegung à la „Hirn abschalten und strampeln oder rennen“ (Wen es interessiert, dem sei mein Blogbeitrag „Dem Krebs davonradeln oder vor ihm wegrennen“ empfohlen.) und Fantasiereisen, wie ich sie bei meinem ersten Besuch bei der Psychoonkologin erleben durfte, bringen mich eher in Wallung und zum Lachen als zum Abschalten und Erholen. Wobei der“ orange Raum“, in den sie mich geführt hatte, optisch und von der Möblierung her gesehen ansprechend war.
Aber auch ich fand wohltuende und ruhige Begleitmomente während der Chemo. So bekam ich nach der Brust/Wächterlymphnoten-Operation ein Rezept für Lymphdrainage. Dieses funktionierte meine Physiotherapeutin in ein Rezept für Massage um und alle zwei Wochen verabschiedete ich mich für eine halbstündige Pause auf eine körperliche Wohlfühlinsel. Zwar konnten wir eine Behandlung erst verspätet starten, weil meine chemogeschädigte Nase blutete, blutete, blutete und das in Liegeposition auf einem weißen Laken nicht sehr förderlich ist. Auch war ich manchmal total cortison-gepusht und musste mich zum Stillliegen zwingen oder musste meine paclitaxelgedopten kribbelnden Füße geistig festbinden. Dennoch war die Behandlung immer himmlisch. Danke, liebe E.!
Herrlich gesund trotz Medikamenten-Overflows fühlte ich mich an der frischen Luft. Deshalb war tägliches Draußensein Pflichtprogramm und ich hatte häufig das Bedürfnis, mich ans offene Fenster zu stellen oder, wenn ich ganz schlapp war, die Terrassentür zu öffnen und mich auf dem Sofa liegend in der Zugluft aufzuhalten. Simpel, aber so befreiend!
Absolut empfehlenswert ist für mich die energetische Fußmassage als äußerst gute Mischung aus körperlicher Wohltat und geistiger Stimulanz. In Kombination mit einem Vorgespräch über mein aktuelles Befinden schafft/e Frau K. es, daraus sogar eine ansatzweise psychotherapeutische Unterstützung für mich zu machen (Sideinfo: Zu diesem Thema wird es einmal einen gesonderten Beitrag geben.)
Allen Betroffenen empfehle ich eine Surfreise auf die Internetseite www.biokrebs.de (Danke an eine liebe Bekannte für diesen Hinweis!). Diese Seite wird von der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr betrieben und bietet Krebspatientinnen/-patienten, aber auch Ärzten und Therapeuten Unterstützung und Beratung über begleitende naturheilkundliche Verfahren zu schulmedizinischen Krebstherapien an.
Himbeeren gegen den Krebs?
Oftmals wird in Krebsforen oder – büchern zu einer Ernährungsumstellung (basische Ernährung ist oft ein Schlagwort) während oder nach einer Krebserkrankung geraten, auch (Teil-)Fasten oder eine bestimmte Krebsdiät taucht immer wieder als Idee auf. Ich selbst bin seit einigen Jahren überzeugte Low-Carberin mit Tendenz zu wenig Fleisch und habe diese Ernährungsform auch während meiner Chemotherapie beibehalten (von ein paar Brezel-Sünden an Tagen, an denen mir nach gar nichts gelüstete, abgesehen). Ich hatte bzw. habe das Gefühl, dass sie meinem Körper und mir gut tut und mir hilft, im guten Gleichgewicht zu bleiben.
Bei der Recherche nach den besten Nahrungsmitteln gegen Krebs bzw. zur Krebsvorsorge entstand folgende Liste. Ich übernehme keine Gewähr für deren Vollständigkeit oder die Effektivität jedes einzelnen Punktes. Dennoch möchte ich sie keiner Betroffenen und keinem Betroffenen und auch keiner/ gesunden Mitleser/in vorenthalten:
Äpfel, Brokkoli und Blumenkohl, grüner Tee, dunkle Schokolade, Blaubeeren, Olivenöl, Hering, Knoblauch, Zitrusfrüchte (unter einer Chemotherapie wegen der Reizung der Schleimhäute nur bedingt zu empfehlen), Nüsse, Fisch Kurkuma und nicht zu vergessen natürlich Himbeeren, die es sogar in den Titel eines DER Ernährungsratgeber bei Krebs, nämlich „Krebszellen mögen keine Himbeeren“. schafften.
Diese Ernährungsgeschichte sehe ich persönlich ganz pragmatisch: Durch ein paar Himbeeren mit dunkler Schokolade oder zig Tassen grünen Tees werden wir Erkrankten den Krebs sicherlich nicht besiegen. Aber wir tun unserem Körper etwas Gutes im Medikamentendschungel! Deshalb schlage ich vor: Mischt diese Lebensmittel so oft wie möglich in euren Menüplan! So freue ich mich seit meiner Krebsdiagnose doppelt über jeden Brokkoli, der sich in unserer Abo-Gemüsekiste befindet und kredenze einen Auflauf daraus, den ich gerne noch mit Nüssen pimpe (die Begeisterung dafür wird nicht von allen Familienmitgliedern gleichermaßen geteilt.), oder ich füge meiner Salatportion noch Blaubeeren hinzu und genieße Quark nur noch mit Himbeeren. Ob ich deshalb den Rest meines Lebens krebsfrei bleibe oder wegen meiner Chemotherapie oder vielleicht einfach wegen der Kombination aus beidem, ist mir ehrlich gesagt egal. Das Ziel wird zählen!
Langsam zurück zur Normalität
Ich freue mich, dass jetzt nach der langen Zeit der Chemotherapie und Medikamentensteuerung endlich wieder etwas mehr Normalität bei uns Einzug hält. Dass ich dieses Freiheitsgefühl auch meiner Leukozyten-Spritzerei zu verdanken habe, ist irgendwie paradox. Schließlich trete ich mit einem Medikament dagegen an, dass mein Immunsystem von Medikamenten plattgemacht wurde. Diesen Gedanken vertiefe ich lieber nicht, sonst wird es an dieser Stelle vielleicht noch philososphisch und ich vertreibe so manche Leserin oder manchen Leser von meinem Blog.
Wichtig ist, dass ich gestern zum ersten Mal seit fast fünf Monaten das Goldkind wieder in den Kindergarten brachte. Sie dankte es mir mit einer Glückseligkeit, die den ganzen Nachmittag über anhielt und sie heute früh mit den Worten: „Darf ich heute wieder in die Flohkiste?“ erwachen ließ.
Das Pandemiegeschehen ist weiterhin vorhanden und wir gehen vorsichtig voran, denn meine Blutwerte müssen sich noch. Aber der Göttergatte ist schon in froher Erwartung des zweiten Corona-Impf-Piekses und mir steht in ein paar Tagen der erste ins Haus. Insofern ist der Blick in die Zukunft schon leicht rosa eingefärbt.
Jetzt steht eine Entgiftung an
Welche Kurven und Abzweigungen der eigene Medikamenten-Krebsweg nehmen wird und ob man als Erkrankte oder Erkrankter seine Vorsätze 1:1 umsetzen kann, wird sich tatsächlich erst mit der Zeit zeigen. Der Körper wird auf jeden Fall an seine Grenzen kommen, das kann ich leider nicht in Abrede stellen. Ich bin aber der Meinung, dass die mentale Einstellung und die Blickrichtung, die man selbst zu Beginn einnimmt, maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf und vor allem auch die eigene geistige Stabilität hat.
Um wieder mit mir ins Reine zu kommen und meinen Körper wieder natürlich erleben zu können, werde ich mithilfe einer Heilpraktikerin eine Entgiftung durchführen. Wie genau diese aussieht, welche Globuli, Schüßler-Salze oder sonstige Maßnahmen sie mir verordnen wird, weiß ich noch nicht. Der Termin findet erst in zwei Wochen statt. Aber ich bin mir sicher, dass dieser Weg zurück zum medikamentenfreien Körper einen Blogbeitrag wert sein wird.
Medikamente hin oder her: Wenn ich eines aus den letzten Monaten gelernt habe, dann ist es: Strapazen anzunehmen, sie durchzustehen und meine schwachen und vor allem auch müden Momente zu akzeptieren.
In diesem Sinne: Klappt euren Laptop zu oder legt euer Handy zur Seite. Dieser Text endet hier, denn ich verziehe mich jetzt eine Weile aufs Sofa.