Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Der Knubbel kommt raus

Mi. 14.08.24

Ich wache früh auf und denke den heutigen Tag durch. Ich habe echt eine Scheiß Angst vor der OP. Bei der Hinfahrt ins KH vergieße ich noch Tränen, dann bin ich nur mehr still – heute wird der Lymphknoten entnommen.

Die Tage davor waren eine Achterbahnfahrt. Normales Familien-Alltagsleben, gespickt mit Ängsten und Schockmomenten im Krankenhaus. Aber von vorne…

Nachdem der erste Schock über das „Antreten im Krankenhaus“ erstmal verdaut war, lenken wir uns mit Packen ab: Camping-Kurztrip für eine Nacht in einem Wohnwagen am See. Das war letztes Jahr ein echtes Highlight und die Kinder freuen sich schon lange darauf.

Meine Ärztin ruft mich an und erkundigt sich. Sie denkt an mich und wünscht mir alles Gute.

Wir bereiten die Kinder darauf vor, dass ich am Montag darauf ins Krankenhaus fahre und bis Mittwoch bleiben muss, also auch dort übernachten werde. Wegen dem Knubbel am Hals. Mein Sohn sagt nicht viel dazu, meine Tochter umso mehr. „Wo schlafen wir dann?“, „Ist der Knubbel am Hals eine Verletzung oder eine Krankheit?“, „Ist der Knubbel am Mittwoch, wenn du vom Krankenhaus heimkommst, dann schon weg?“. Manches kann ich beantworten, manche Fragen hinterlassen auch bei mir nur Fragezeichen im Kopf….

Ich nutze jede Gelegenheit zum Lesen. Über das Unterbewusstsein, über andere Betroffene, in den Broschüren der Krebshilfe. Mein Gehirn nutzt die Nacht zum Verarbeiten der Informationen. Leider. Ich schlafe schlecht, bin häufig wach und kann schwer wieder einschlafen. Manchmal kann ich die Gedankenspirale mit Einschlafmeditationen unterbrechen.

Am Sonntagabend, bevor ich ins Krankenhaus muss, wird es schwierig für mich und meine Tochter. Sie weint, will nicht, dass ich in der Früh fortfahre. Sie ist völlig aus dem Häuschen, hat Angst. Ich sage ihr, dass ich auch Angst habe und nun rollen auch bei mir die Tränen. Da sitzen wir beide, Arm in Arm und die Tränen laufen über unsere Wangen. Aber wir sind stärker als unsere Angst, wir sind stärker, WIR SIND STÄRKER – wie ein Mantra sage ich uns diese drei Worte vor. Und dass die Angst sich zeigen darf, aber dann darf sie bitte wieder gehen. Denn nur wir bestimmen, was in unserem Kopf bleiben darf und was nicht. Wir beschließen, dass sie in meinem Bett schlafen darf und ich verspreche, dass ich sie morgen ganz früh wecke, damit wir noch Zeit zum Kuscheln haben.

Es geht los. Mein Mann bringt mich ins Krankenhaus. Während der Fahrt reden wir nicht viel, wobei er nervöser scheint als ich es bin. Je näher wir der Onkologie kommen, desto mehr Menschen mit einer Kopfbedeckung kommen uns entgegen – was für ein mulmiges Gefühl, schon wieder. Die Stationsschwester empfängt uns sehr herzlich, sie lässt mich wissen, dass für heute die Blutabnahme und ein Ultraschall geplant ist, lässt mich das Mittag- und Abendessen aussuchen und wählt ein Zimmer für mich aus.

Wir treten ein und ich bin geschockt! Ein 4-Bett-Zimmer, 2 Betten sind belegt mit älteren Damen. Die eine frühstückt gerade, die andere wird gewaschen. Sie sieht schrecklich aus. Ich sehe nur ganz dünne Beine, eine Windel und wirres Haar und bin geschockt. Ich kriege Herzrasen, wie soll ich neben so einer Person liegen? Sie hat offensichtlich Schmerzen, zittert und kann schwer reden.

Ich muss raus aus dem Zimmer, das ist Zuviel. Die Krankenschwester kommt zu uns auf den Gang und beruhigt mich. Sie ist sehr nett. Trotzdem, ich kann da nicht zurück. Ich kann nicht mit alten Leuten im Zimmer sein, ich kann das Fenster nicht öffnen, weil es zieht, mit ihnen das Bad und das WC teilen – schon gar nicht, wenn die aussieht wie der Tod. Es geht nicht, ich kann nicht zurück in dieses Zimmer.

Ich darf in ein 2-Bett-Zimmer. Da liegt auch eine Frau, aber eine sehr nette, die ist zumindest angezogen. Das Zimmer strahlt viel mehr Wärme und Zuversicht aus. Das ist ok für mich, hier bleibe ich.

Die Tränen rollen aber ungebremst, alle Emotionen prasseln auf mich ein. Gottseidank ist mein Mann bei mir, wie soll ich das ohne ihn durchstehen? Die Schwester kommt und nimmt mir Blut ab – viel Blut. Sie setzt einen Zugang, das macht sie sehr gut, schmerzt fast nicht.

Der Arzt kommt zur Visite. Er erklärt mir, dass heute noch ein Ultraschall gemacht wird, am Mittwoch das PET-CT. Und danach wird entschieden, ob noch eine Biopsie gemacht wird. Ich frage, ob das PET-CT nicht früher gemacht werden kann, was er leider verneint. Aber er lässt sich dazu hinreißen, dass die Biopsie vielleicht doch schon morgen gemacht werden kann, und eventuell kann er mich danach beurlauben, um am Mittwoch zum PET-CT nochmal zu kommen. Das klingt gut, meine Stimmung wird immer besser.

Am späten Nachmittag stellt sich heraus, dass der Ultraschall auf morgen warten muss, gemeinsam mit der Biopsie, ich kann nach Hause, wenn ich will. Und ob ich das will!

Zuhaue schauen wir gemeinsam fern, baden im Pool, lassen uns das Abendessen schmecken und alles fühlt sich ganz normal an. Wie schön ist es zuhause. Abends sitzen wir auf der Terrasse und lassen den Abend ausklingen. Wir unterhalten uns in der Dunkelheit, das tut gut.

Am nächsten Morgen melde ich mich um halb 8 retour. Ich frühstücke gemütlich mit meiner (neuen aber sehr netten) Zimmerkollegin. Danach soll ich zur HNO-Ambulanz wegen der Biopsie. Ich denke, dass der Eingriff gleich stattfindet und bin etwas nervös – eigentlich ziemlich nervös, ich muss ständig aufs Klo. Im Warteraum mache ich Atemübungen, um mich etwas zu beruhigen.

Der Arzt tastet den Lymphknoten am Hals und nachdem er so gut abgrenzbar und direkt unter der Haut liegt, meint er, da sollen wir gleich den ganzen Knoten rausschneiden, damit die Pathologie genug Material hat. Na prima. Der nächste Schreck. Er kommt gleich mit zum Ultraschall und lässt sich zeigen, ob in der Nähe Gefäße sind, ob er den ganzen Knoten rausnehmen kann und ob er wo besonders vorsichtig sein muss. Alles gecheckt, zurück zur Ambulanz. Dort werde ich aufgeklärt, der Arzt telefoniert sich durchs KH, damit ich am nächsten Tag gleich einen OP-Termin bekomme. Dann klärt er noch kurz das PET/CT ab und dann steht der Plan für morgen. Ich muss um 07:00 zum PET/CT, dauert ca. bis halb 9 und gegen halb 11 wird in Vollnarkose der Lymphknoten entfernt. Wenn eine Drainage gelegt werden muss, muss ich bis Freitag dableiben, wenn ich Glück habe, darf ich am Donnerstag heim. Die nächste Nachricht, die mich von den Socken haut. Aber derweil bin ich noch cool. Letzte Station: Narkose-Arzt zum Aufklärungsgespräch. Und da falle ich wieder zusammen. Die Tränen fließen. Er ist sehr verständnisvoll und schaut mich so mitleidig an. Ich frage ihn, inwieweit ich nach der OP fit für den Besuch meiner Kinder bin. Er meint es wäre mal besser, nur anzurufen. Oh Mann, was für ein Scheiß Vormittag!

Ich gehe zurück ins Zimmer und heule mir erstmal die Augen aus. Meine Zimmerkollegin tröstet mich und gibt mir Kraft, das tut gut. Dann kommt auch schon die Visite, eine sehr nette Frau Doktor. Sie nimmt sich Zeit, erklärt mir nochmal alles. Es gibt immer noch die Option, dass es eine Entzündung oder ähnliches ist. Und selbst wenn es etwas Bösartiges ist, spricht sie von einer 98% Heilungschance. Das sind doch mal trotzdem gute News. Die Therapie würde dann relativ gleich starten. Sie nimmt noch das Wort Knochenmark-Biopsie in den Mund, das haut mich schon nochmal kurz um. Aber sie beruhigt mich gleich, das wäre halb so schlimm.

Was allerdings nicht so toll ist: Kroatien ist somit vorbei. Von der Operation werde ich eine Narbe haben, wo ich 1 Woche später erst die Nähte rausbekomme und 2 Wochen lang Ruhe geben muss. Das wars dann.

Ich warte noch auf ein Gespräch mit einer Psychologin. Wir sprechen über Selbstfürsorge, Hilfe zulassen, annehmen was ist und einen Schritt nach dem nächsten gehen.

Danach fahre ich wieder nach Hause und wir verbringen noch ein paar unbeschwerte Stunden, haben Spaß im Pool und essen gemütlich zu Abend.

Ich wache früh auf und denke den heutigen Tag durch. Ich habe echt eine Scheiß Angst vor der OP. Bei der Hinfahrt ins KH vergieße ich noch Tränen, dann bin ich nur mehr still. Ich melde mich bei der Station zurück, es wird Zucker getestet und ein Zugang gelegt. Um kurz vor 7 werde ich abgeholt und zur Radiologie gebracht. Ich werde auf einer Liege mit vorgewärmten Decken gut eingewickelt (damit die Muskeln schön warm sind) und bekomme eine radioaktive Zuckerlösung gespritzt. Während sich die Zuckerlösung im Körper verteilt, darf man sich nicht bewegen, weil das Glukose dort hinläuft, wo am meisten Aktivität ist. Und das sollte bei den Krebszellen sein und nicht in der Muskulatur oder im Gehirn (darum darf ich auch nicht lesen). Der Arzt spritzt mir noch zusätzlich ein Mittel, damit meine Muskulatur entspannt, könnte sein, dass ich schläfrig werde – nehme ich gern, sag ich zu ihm. Kurz darauf wird auch schon alles etwas verschwommen und ich nicke ein. Nach ca. 45min darf ich wieder aufstehen und komm in den CT-Raum. Ausziehen, Decke drauf, Hände über Kopf und los geht’s. Ich bin da ca. 20min drin, fahre mit der Liege rauf und runter. Alles ziemlich easy, hatte ich doch befürchtet, dass ich in eine enge Röhre muss.

Danach geht’s Richtung OP. Das ist echt ein mulmiges Gefühl, in die heiligen Hallen der Anästhesie gefahren zu werden. Ich komme in einen Betten-Warteraum und muss mich noch kurz gedulden, bis ich abgeholt werde. Ich muss mich umlegen, und ein paar Sicherheitsfragen beantworten – dann ab in den OP. Ich soll an einen Urlaub denken – schlechtes Thema sage ich, wir wären am Montag nach Kroatien gefahren. Tja, dann halt die Karibik. Wenn man mit einem schönen Gefühl einschläft, wacht man mit einem schönen Gefühl auf – sagen sie.

Im OP stellen sich alle vor, alle sind super nett. Ich bekomme die Sauerstoffmaske und es wird noch ein bisschen gescherzt. Dann wird’s plötzlich schwer im Kopf und dann ist es aus.

Ich komme im Aufwachraum zu mir, alles ist noch ein bisschen im Nebel. Ich höre nur: „Ja Maria, was machst denn du da?“ und direkt kommen die Tränen. Zurück im Zimmer bleib ich noch ein bisschen liegen, nicke auch nochmal ein. Dann kommt der Hunger und ich schau mir mal das Mittagessen an. Aber vorher noch der Check: ist ein Drainage-Schlauch dran? Nein!!!!! JUHUUUU

Dauert nicht lange, schaut der Arzt vorbei. Alles gut soweit, HNO sagt ich kann jederzeit heim, wenn ich möchte, am Freitag steht halt Pflasterwechsel an. Ich kann gerne bleiben und mich ausschlafen, aber von Seiten der HNO spricht nichts dagegen, morgen ist Feiertag, sie würden sowieso nichts machen.

Ich ruh mich noch ein bisschen aus und dann lass ich mich abholen. Es ist geschafft.

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