Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Dunkelheit

31.07.2025

Es ist wieder mal einer dieser Tage, an welchem schwarze Wolken aufziehen und es dunkler wird. Ich lasse mich anstecken, die schwarzen Wolken ziehen über meine Seele und ich werde traurig. Schwer wiegt alles, nicht mal der Kaffee schmeckt so wirklich.

So, auf jetzt, Selbstmitleid hat mir noch nie geholfen. Es gibt halt diese Tage. Alle sind irgendwie beschäftigt od. in den Ferien. Dann erfahre ich noch, dass ich bei einem Ausflug nicht eingeladen wurde. Einfach vergessen, dabei war ich doch immer dabei. Warum nur…?

Halt stopp, wieder dieses Selbstmitleid. Was habe ich eben gedacht, Selbstmitleid hat noch nie geholfen. Ich habe ein tolles soziales Netz, dass mich unglaublich trägt, ich kann mich auf viele liebe Menschen verlassen, bin auch an der Arbeitsstelle noch im guten Kontakt. Wie wertvoll ist dies, es wärmt und lässt mich die dunklen Wolken vergessen.

Ich raffe mich auf und gehe zuerst mal einkaufen. Mein Mann arbeitet, also übernehme ich diesen Part. Das geht alles prima, ich bin froh, dass dies noch funktioniert soweit. Ich versuche ohne Zettel die paar Dinge in den Korb zu bekommen, keine Chance. Eines der Dinge, die einfach nicht mehr so ganz funktionieren.

Nach einem kleinen Mittagessen ziehen schon wieder diese Wolken am Himmel vorbei. Also gibt es nur eines, die Joggingschuhe werden rausgeholt und ich will nur noch raus.

Ab aufs Velo und an den Vita Parcours. So muss ich mir nicht überlegen, wohin ich laufen will, Musik auf die Ohren und einfach losgehen. Nach ein paar Metern, nachdem die Treppe bewältigt ist, traue ich mich zu rennen. Es geht ja, das regelmässige Schwimmen hat sich gelohnt und im gemütlichen Tempo laufe ich zum Ziel. Wow, die dunklen Wolken am Himmel sind noch da, doch was kümmert es mich. Einfach an die vergangene Hitzewelle denken, und schon geht’s und der laue Wind kühlt mich dankend ab.

Während dem Laufen denke ich an die vergangenen Wochen und Monate. Der 6. September 2024 jährt sich bald. Was habe ich seither alles erlebt? Ich kann es selber kaum fassen, es tönt wie ein Buch, das ich über jemandem anderem gelesen habe. Doch es ist passiert, und zwar mir.

Der 06.09.24 hat sich in mein Hirn gebrannt, obwohl ich selber gar nichts mitbekommen habe. Schon viele Wochen davor hatte ich mich gefreut, dass die Band, in welcher mein Freund spielt, ihren Auftritt am Dorf Jazz Allschwil hat. Endlich können sie ihren Freunden und Bekannten zeigen, was sie draufhaben. Mittlerweile ist der Freund mein Mann, auch so eine eigene Geschichte, die mit dem 6. zu tun hat.
Es ist auch der erste Ferientag, nach dem Konzert wollten wir unsere beiden Motorräder satteln und losziehen. Wohin ist offen, dem Wetter und der Nase nach, sowie wir es schon öfters getan haben.

Ich wollte nicht daran denken, dass die Kopfschmerzen wieder stärker werden. Ich schiebe es auf die Hitze, der Velohelm bleibt zu Hause, zu sehr verstärkt es den Druck. Dass ich gestresst bin, kaum noch Geduld habe und meine Gelassenheit, die mich v.a. im Beruf so auszeichnete, weg ist, schiebe ich auf die Wechseljahre und die Anspannung im Geschäft. Die Wortstörungen, die doch langsam stärker werden, schiebe ich auch auf die Wechseljahre und den Stress, die Ferien werden es schon richten. Noch einen Tag bevor es bei mir dunkel wurde, sah ich noch meine Frauenärztin am Kontrolltermin. Diese reagierte ernst und verwies mich an den Hausarzt. Diese Symptome liessen sich nicht mehr alleine mit Wechseljahrbeschwerden erklären.
Jaja, nach den Ferien dann, wenn ich wieder entspannt bin und mit neuen Kräften wieder einsteige. Tja, ich wollte und konnte es nicht wahrhaben, was da los war. Wer denkt denn soweit und v.a. wie oft ist es dann doch etwas Harmloses?

Meine nächste Erinnerung ist die, dass ich meinen Mann fragte, ob das Konzert schon vorbei war und ob sie es genossen haben. So langsam realisierte ich, dass dies zwei Tage vorher war und ich wirklich in einem Spitalbett liege. Ich schien irgendwie zu wissen, dass da was war, mehr kam mir nicht in den Sinn.

Nicht mehr, dass ich am Morgen des 06.09.24 umgefallen bin und es mich geschüttelt hat, nicht dass es die Sanität brauchte, dass ich zuerst im Bruderholz war, dass dort bereits dieses Ding in meinem Kopf gefunden wurde und ich dann verlegt wurde ins USB, Universitätsspital Basel.
Mein Mann erzählte mir später, dass es heftig gewesen sei, ich schon blaue Lippen hatte und neben der anvisierten Sanität First Responder geholfen haben mich in eine bessere Lage zu bringen. Ich danke heute noch allen, die da geholfen haben. Wenn ich denke, dass ich in dieser Woche noch im Rhein schwimmen war, dass ich vorhatte mit dem Motorrad unterwegs zu sein, dass mein Mann schon fast aus dem Haus war, um mit den Vorbereitungen für das Konzert zu beginnen. Es musste wohl einfach so sein. Dankbarkeit erfüllte mich.

Accept what is; let go of what was; and have faith in what will be.

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