Annette fragt… Anna Farris
Tanja Bülter: Brust raus
Ich empfehle das Buch für alle,
die am Anfang ihres Therapieweges stehen. Neben einem sehr ehrlichen Einblick in die Krankengeschichte der Autorin erhalten sie viele hilfreiche Tipps für das Leben während einer Chemotherapie, in dem es neben der Krankheit noch den Job, die Kinder und den ganz normalen Alltag gibt.
Kurz und knapp: Darum geht´s
Die bekannte Fernsehmoderatorin Tanja Bülter erhielt ein paar Monate nach der Trennung von ihrem Mann, inmitten der Corona-Pandemie die Diagnose „Brustkrebs“. Sie durchläuft eine Chemotherapie, wird operiert und bestrahlt und erhält dann die Schreckensnachricht, dass sie noch eine zweite Chemotherapierunde machen muss. Sie reduziert ihre Arbeit, moderiert ihre wöchentliche Sendung („mein Baby“) aber weiter – mein vollster Respekt dafür! Sie kombiniert den schulmedizinischen Weg mit einer Ernährungsumstellung, Yoga, heilpraktischer Unterstützung und testet ein paar unkonventionelle Methoden aus.
Zusatz-Gimmicks: Das Buch enthält im Mittelteil etliche Farbfotos, die die Autorin auf verschiedenen Stationen ihrer Krebsreise zeigen.
Ich mag das Buch, weil…
es mich überrascht hat, dass so viel Tiefgang in ihm steckt. Ich gestehe, mit wenig Erwartung an die Geschichte herangegangen zu sein. Frau Bülter zeigt sich in ihren Insta-Stories und den Medien sehr mode- und beautyinteressiert und im Klappentext ist die Rede davon, dass sie „dazu steht, dass ihr Aussehen ihr wichtig ist“. Würde sie nun – ähnlich wie manch andere TV-Sterne es tun – eine „alles ist easy und mir geht es super“-Krebs-Shownummer in Textform abziehen? Definitiv nicht! Sicherlich führt Frau Bülter ein anderes Leben als “Normalo-Krebspatientinnnen” wie ich. Dennoch erzählt sie absolut authentisch, ehrlich und sympathisch von ihrem Leben als alleinerziehende Mutter inmitten der Pandemie. Nicht zuletzt gefällt mir das professionelle Vorgehen beim Schreiben ihres Buches: „Als Journalistin mit einem riesigen Netzwerk habe ich vor Beginn meiner Chemotherapie viel recherchiert, Kontakte angezapft und mit Betroffenen gesprochen“, was dem Buch einen hohen Nutzwert gibt. Ich hätte mir gewünscht, dieses Buch wäre schon zu Beginn meiner Erkrankung im Buchhandel erhältlich gewesen, weil es mir vieles erklärt und mich bei manchem entstresst hätte. Außerdem berührt es mein Mutterherz mit wie viel Liebe, Fürsorge und Stolz Frau Bülter von ihren beiden Kindern spricht. Von ihren Eltern, die sie während ihrer Erkrankung unterstützt haben, erzählt sie ebenfalls in sehr wohlwollender Art und Weise.
LESEPERLEN aus „Brust raus. Wie ich den Krebs besiege und ICH bleibe”
Herrlich ehrlich!
Als ich am Weihnachtstag aufstand – mit einer langen To-do-Liste im Kopf – merkte ich schon, dass mein innerer Akku leer war. (…) [D]ie Kinder tobten aufgeregt druch die Wohnung, und ich selber baute immer mehr ab. (…) Ich legte mich ständig für ein paar Minuten hin und kriegte wenig geschafft. (…) Ich schleppte mich ins Bad, um mich (…) zu stylen. (…) [Dann legte ich] mich kurz aufs Bett. Und [schlief] prompt ein. Meine Kinder weckten mich sanft (…). Ich erschrak: Ich konnte doch Heiligabend nicht einfach so verschlafen! (…) Meine beine sackten weg, wie in tranze erlebte ich, wie ich mich aufs Sofa fallen ließ (…). Wir gingen rüber [ins Kinderzimmer, um Geschenke aufzubauen] und ich setzte mich – immer noch mega müde – auf ihr Bett… Nur ganz kurz. Und schlief wieder ein!
Genau so ist es…
Sex tat deutlich weh. Mir war bis dato nicht deutlich gesagt worden: Eine Chemotherapie trocknet die Schleimhäute aus, ÜBERALL! Das musste man erstmal wissen. Auf diesen Überraschungsmoment war ich echt nicht gefasst. Aber für solche Situationen hat sogar jede Drogerie um jede Uhrzeit die richtigen Hilfsmittel – die uns mit etwas Humor eine trotzdem wunderschöne Nacht bescherten.
Sprachliche Fundstücke
von der Heizkissen-Tanja zur Ich-schwitze-alle-Nachthemden-durch-Tanja = als Nebenwirkung der Chemotherapie leidet sie unter starken Hitzewallungen
Happy-Monday-Routine = unterstützt von ihren Freundinnen nimmt die Autorin nimmt dem Montag, an dem ihre Chemotermine stattfanden, etwas von seinem Schrecken, indem sie ihn immer mit etwas Schönem verbindet (im Wechsel holt immer eine andere Freundin sie ab und zu Hause wird für sie gekocht); Fernziel ist, „den Tumor verschwinden lassen, damit hier alle wieder happy werden“
Zwischendurchnickerchen = schöner deutscher Begriff für die sogenannten Powernaps, ein paar Minuten Schlaf während des Tages
Vorrunde = der letzte Abend vor der Chemotherapie
Auftakt-Match = die erste Chemotherapiesitzung
gelber, tennisballgroßer Noppenfreund = Igelball, mit dem die Autorin vorbeugend gegen Neuropathien infolge der Chemotherapie vorgeht
Kopfschließfach war fest verschlossen = Frau Bülter befindet sich nach der unerwarteten Ankündigung der zweiten Chemorunde in einem nächtlichen Gedankenkarrussel aus negativen Gedanken
Surprise! Over and out = die zweite Chemotherapie wird etwas früher beendet, denn laut Frau Bülters Onkologen hat sie „eine Menge Chemie in sich, und [er] ist sich sicher, dass das reicht“
Humor statt Tumor
Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Chemotherapie, die zweite
Gänsehautmoment
Dann kam der Tag, an dem wir [während eines Yoga-Retreats auf Rügen] Asanas für das Herzchakra übten (…). In einer relativ simplen Yogaposition(…) brachen bei mir alle Dämme – und ich konnte gar nicht mehr aufhören zu schluchzen. Alles kam hoch – die Angst, die Chemo, die Qualen, die Sorge um die Zukunft, einfach alles. (…) [Ich] spürte, dass es immens wichtig war, alles herauszuzlassen. (…) [D]as gehörte dazu, und das war auch gut so. Danach fühlte ich mich total befreit. Und mir wurde bewusst, dass ich all die Monate über meine Emotionen, meine Tränen zurückgehalten hatte. (…) In diesem Moment (…) konnte ich endlich loslassen. (…) Es tat so gut.
Positive Brillengläser
Die Angst, dass alles nochmal wiederkommt, werde ich so schnell sicher nicht los. Ganz verdrängen will ich sie auch nicht. Der Brustkrebs ist ein Teil meines Lebens, und das wird immer so bleiben. Aber ich blicke optimistisch in die Zukunft. Es tut so gut, wider Pläne zu schmieden. Ich habe noch viel vor, mit meinen Kindern, im Job und vor allem mit mir selbst! #jetzterstrecht
Mehr über die Autorin:
In einem Interview mit den Pink Kids erzählt Tanja Bülter von der Zeit mit ihren Kindern in der Krebs-Corona-Zeit. Hörenswert! https://deutschepodcasts.de/podcast/pinkcast/pinkcast-im-gesprach-mit-tanja-bulter
Im Mutmacher-Podcast„Krebs als zweite Chance” der lieben Kendra erzählt Frau Bülter sehr offen von ihrem Leben vor dem Krebs, ihrer Zeit während des Krebses und wie es dazu kam, dass sie ihr Buch geschrieben hat. Es lohnt sich, da mal reinzuhören!
Instagram-Account : https://www.instagram.com/tanjabuelter_berlin/
Hier geht’s zu meiner Krebs-Bestsellerliste mit den Links zu den anderen Rezensionen: https://www.influcancer.com/blog/annettes-krebs-bestsellerliste/