Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Zyklus 5: meine Psyche macht schlapp

Zwischen schlafen und nicht schlafen (was aber bedeutet, dass ich nur daliege und die Augen zuhabe) habe ich schlechte Gedanken und ich werde immer tiefer in die Dunkelheit gezogen. Ich bin den Nebenwirkungen ausgeliefert, ich kann nichts dagegen machen. Diese Hilflosigkeit und Ohnmacht lassen mich resignieren und erstarren. Ich habe die Kontrolle über meinen Körper verloren, mein Körper ist erschöpft. Auch wenn ich weiß, dass ich nur die paar Tage aushalten muss – ich kann es nicht mehr ertragen.

  1. Woche:

Auf in den 5. Zyklus; ich bin motiviert und bereit. Ich hoffe sehr, dass ich dieses Mal psychisch nicht so drinnen hänge, weil der Schock des „ich brauche doch 6 und nicht 4 Zyklen“ überwunden ist. Ich bekomme wieder eine Dosisreduktion wegen der schlechten Entwicklung der Blutwerte. Der Montag ist ziemlich zäh, ich komme erst um 20:00 nach Hause. Aber ich erhalte mehr Anti-Brechmittel und brauch am Montag weniger Medikamente als sonst, um die Übelkeit in Schach zu halten. Die Nebenwirkungen sind eh bekannt, das Essen schmeckt dieses Mal bis Mittwoch noch halbwegs ok; nur die Müdigkeit kommt schon früher, ich bin ab Dienstagnachmittag schon sehr müde. Am Freitag kommt der abartig eklige Geschmack im Mund, der wirklich einer der schlimmsten Nebenwirkungen ist. Leider falle ich wieder in ein dunkles Loch, schlimmer als zuvor. Zwischen schlafen und nicht schlafen (was aber bedeutet, dass ich nur daliege und die Augen zuhabe) habe ich schlechte Gedanken und ich werde immer tiefer in die Dunkelheit gezogen. Ich bin den Nebenwirkungen ausgeliefert, ich kann nichts dagegen machen. Diese Hilflosigkeit und Ohnmacht lassen mich resignieren und erstarren. Ich habe die Kontrolle über meinen Körper verloren, mein Körper ist erschöpft. Auch wenn ich weiß, dass ich nur die paar Tage aushalten muss – ich kann es nicht mehr ertragen. Samstag kommen die üblichen Halsschmerzen und Schluckbeschwerden dazu. Am Sonntag geht es zwar endlich mit der Müdigkeit bergauf, der eklige Geschmack im Mund begleitet mich aber weiter, Halsweh und Schluckschmerzen auch, meine Fingerspitzen sind kribbelig und ich fühle mich immer noch depressiv.

 

  1. Woche:

Ich rufe am Montag gleich meine Psychotherapeutin an und spreche mit ihr nochmal über Antidepressiva. Ich bin überzeugt, dass ich ohne Hilfe den nächsten Zyklus nicht mehr schaffen werde. Leider kann sie kein Rezept ausstellen aber gibt mir Tipps, was ich beim Arzt sagen soll, um ein Rezept zu bekommen. Dienstag erreiche ich meine Ärztin und bitte sie um ein Rezept. Die ist völlig von den Socken, hatte es überhaupt nicht am Schirm, dass es mir psychisch so schlecht geht. Das erste Telefonat mit ihr macht mich wütend, ich fühle mich überhaupt nicht verstanden.

Gottseidank bietet mir meine Therapeutin an, selbst mit meiner Ärztin zu sprechen. Nach diesem Telefonat sieht die Sache anders aus. Gemeinsam entscheiden wir, dass Antidepressiva nicht die richtige Wahl sind, da die Wirkung zu spät einsetzen würde und ich sie über mehrere Monate nehmen müsste. Meine Ärztin gibt mir homöopathische Unterstützung mit, aber für den Ernstfall – wenn nix mehr hilft – schreibt sie mir Tabletten auf, die kurzzeitig wirken, beruhigen, Ängste nehmen und schläfrig machen. Sie klärt sogar mit dem Krankenhaus ab, ob ich sie nehmen darf.

Meine Psychotherapeutin ruft mich nochmal an und wir sprechen wieder über die schwierigen Tage nach der Chemo. Und alle pochen darauf, dass es mir helfen würde, wenn ich in diesen Tagen nicht alleine wäre. Außer meinen Mann will ich aber keinen um mich haben – und der muss arbeiten. Meine Ärztin würde sogar persönlich bei mir vorbeikommen, sich um mich kümmern, wenn ich schon sonst niemanden aus der Familie und Freunde sehen will.

Nach einem Gespräch mit meinem Mann, ob er sich den Donnerstag und Freitag nach der nächsten Chemo freinehmen kann ist er erstmal leicht verzweifelt, weil er ja selber aus dem letzten Loch pfeift und die Arbeit dann liegen bleibt, noch dazu kurz vor Weihnachten. Wir einigen uns darauf, dass er Home Office macht und stundenweise in den Pflegeurlaub geht. So kann er in Ruhe arbeiten, ich in Ruhe schlafen und trotzdem ist jemand bei mir, falls ich wen brauche.

Bei der Blutkontrolle am Mittwoch sind meine Werte mal wieder zu niedrig, aber ich soll das Antibiotika einfach noch ein paar Tage nehmen und muss nicht mehr zur Kontrolle kommen.

Mit dem Abklingen der körperlichen Symptome und wenn das Essen wieder zu schmecken anfängt, bessert sich auch die Psyche und ich fange an, mich zu erholen. Wir haben ein tolles Nikolo-Wochenende und ich genieße die Zeit mit der Familie.

 

  1. Woche:

Die Polyneuropathie in den Fingern hat leider nicht ganz nachgelassen, vor allem beim Duschgel aufmachen fühlt sich der Druck auf die Fingerspitzen sehr unangenehm an. Weiters schwitze ich in der Nacht sehr viel, der Kopf, die Stirn und die Brust sind oft klatschnass. Meine Wimpern sind unten fast gänzlich ausgegangen, oben sind sie noch vereinzelt vorhanden; die Augenbrauen bekommen schon Löcher und werden sehr dünn.

Ich versuche, diese Woche wieder viele schöne Dinge zu erleben und hole mir bei der Therapiestunde ein paar Inputs für meine inneren Stimmen. Mein Mann hat 3 Tage Urlaub, was schön ist aber auch anstrengend, weil ich kaum zur Ruhe komme. Wir sehen uns nach Tapeten und Vorhängen für das Esszimmer um. Ich geh mit einer Freundin Burger essen (wie herrlich, wenn das Essen gut schmeckt), die Zeit vergeht wie im Flug. Wir fahren mit den Kindern zu einem wunderschönen Adventmarkt, sind bei den Nachbarn zum Glühweinstand eingeladen und kommen in der Familie zum Wichteln und Raclette essen zusammen. Ich sammle positive Dinge, wie die Maus Frederick.

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