Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Annette fragt… Bettina

Brustkrebs als Single mit Mitte 30 und gerade in der Probezeit für einen neuen Job. Bettina, die mir für “Annette fragt“ ihre Geschichte erzählt hat, zog 2023 eine große Niete in der Universumslotterie. Mit der Unterstützung ihrer Eltern, von guten Freundinnen und Freunden und nicht zuletzt ihrer Selbsthilfegruppe von Jung und Krebs kam die leidenschaftliche Langschläferin mit einem Faible für Zahlen durch die herausforderndste Zeit ihres Lebens.

Obwohl Bettina in ihrem Interview einerseits von Leid und Angst und Tränen berichtet, hält sie andererseits Erzählungen vom Glück und Ermutigungsbotschaften für euch Leserinnen und Leser bereit.

Freut euch auf ein sehr berührendes, ein sehr offenes Interview mit vielen, äußerst exakten Datumsangaben, Bananenquark und Eis sowie ganz viel Liebe zwischen den Zeilen.

Annette: Liebe Bettina, schön, dass du da bist. Schön, dass du bei „Annette fragt“ von dir erzählen möchtest.

Nimm uns doch zunächst bitte mit in den Mai 2023, als du deine Diagnose erhalten hast. Wie alt warst du damals und was war in deinem Leben damals gerade los? Wo standest du, beruflich und privat?

Bettina: Am 6. Mai 2023 habe ich meine Brustkrebsdiagnose bekommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich 36 Jahre jung und war Single (wie auch heute noch) und lebte alleine in meiner Wohnung in Bötzingen.  Ich hatte 12 Tage zuvor in einer  neuen Kita zu arbeiten begonnen. Doch so schnell wie ich angefangen hatte, war ich auch schon wieder weg.

Zunächst war da  natürlich die große Sorge, meinen neuen Job zu verlieren. Allerdings wurden mir diese Sorge und Angst sehr schnell genommen und ich habe von allen Beteiligten großen Rückhalt verspürt und zu hören bekommen: „Es geht so lange, wie es geht!“.

An dieser Stelle an alle – Träger, Leitung und Kolleginnen – ein herzliches Dankeschön.

Annette: Wie kam es eigentlich zu deiner Diagnose? Gab es irgendwelche Anzeichen oder gesundheitlichen Probleme im Vorfeld? Oder warum warst du damals beim Arzt gewesen?

Bettina: Anfang Januar / Februar 2023 verspürte ich immer wieder ein Ziehen in meiner rechten Brust. Ich war sehr oft sehr müde, schnell erschöpft. Aber ich dachte anfangs mir nichts dabei. Doch nach einiger Zeit wurde das Ziehen immer schmerzhafter und häufiger.

Und gerade in den Ruhephasen in meinem Alltag spürte ich deutlich: Hier stimmt etwas nicht!

Ich begann, meine Brüste selbst abzutasten und ließ auch meine Mum tasten.

Wir gingen davon aus, dass mein Reflux mir diese Probleme macht und ich nahm deshalb eine Woche magensaftresistente Tabletten.

(Sideinfo “Reflux”: Rückfluss von  Magensaft in die Speiseröhre. Dies kann zu verschiedenen Beschwerden wie Sodbrennen, sauerem Aufstoßen und Schmerzen hinter dem Brustbein führen. )

Doch es sollte anders kommen … Ich suchte ich Rat und Hilfe bei meiner Hausärztin. Diese berichtete mir, dass sie zuvor bereits in einem Brustzentrum gearbeitet hatte und mit meiner Einwilligung ließ ich sie meine Brüste abtasten.

Auch sie bestätigte mir, dass alles in Ordnung sei und ich solle mir keine Gedanken und Sorgen machen.

Doch damit nicht genug. Ich verlor am 1. März 2023 meinen Job bzw. bestand die Probezeit nicht  und nun hatte ich Zeit, mich bewusster um meine Beschwerden zu kümmern.

Das Gefühl und die Schmerzen wurden nicht besser und so suchte ich am 11. April 2023 meine Frauenärztin auf. (Hihi, sorry Leute, ich kann mir Zahlen unheimlich gut merken.)

So entschloss ich mich, meine Vorsorgeuntersuchung vorzuziehen, die eigentlich im November hätte stattfinden sollen.

Im Wartezimmer kreuzte ich auf einem Fragebogen gleich an, dass ich bereit bin, die 60€ für  den Ultraschall selbst zu bezahlen. Zu dem Zeitpunkt ging ich noch davon aus, dass ich einfach Spannungen oder eine Entzündung in der Brust hätte. Ich schilderte meiner Gynäkologin meine aktuellen Beschwerden und wurde von ihr sehr ernstgenommen und fühlte mich sehr gut verstanden und beraten.

Nach kurzer Zeit teilte sie mir dann mit, ich müsse in die Biopsie und bekäme von ihr eine entsprechende Überweisung mit.

So rief ich im Brustzentrum im Diakonie-Krankenhaus in Freiburg an und ich bekam für den 3. Mai einen Termin, zu dem mich meine Mum begleitet hat.

So lag ich auf der Liege und ließ die Untersuchung über mich ergehen.

Die Ärztin teile mir daraufhin mit, dass sie leider keine guten Nachrichten für mich habe. Den Tumor, den meine Frauenärztin bereits entdeckt hatte, sei leider nicht der einzige. Sie habe einen weiteren Tumor entdeckt und würde dort ebenfalls eine Gewebeprobe entnehmen. Auch die zweite Entnahme ließ ich über mich ergehen und hoffte nur, dass es ein gutes Ende nehmen würde. Daraufhin wurde meine linke Brust sehr genau und gründlich untersucht. Dort sei alles in Ordnung. Dachten wir.

Nach der Biopsie zog ich mich wieder an und nun fand noch ein kurzes Gespräch statt. Mir wurde mitgeteilt, dass ich nun ca. 14 Tage auf das Ergebnis warten müsste und der Ärztin die Bilder vom Ultraschall nicht gut gefallen.

So verließen meine Mum und ich das Krankenhaus und nun hieß es abwarten.

Am Samstag, den 6. Mai war ich bei meinen Eltern gefahren und wir hatten gerade alle zusammen gefrühstückt. Gegen 10.30 Uhr schaute ich auf mein Handy: Ein Anruf in Abwesenheit vom Krankenhaus! Ich fragte meine Eltern um Rat, ob ich direkt zurückrufen sollte und sie meinten, dass sei ganz alleine meine Entscheidung.

Ich wollte Klarheit und so entschied ich mich zurückzurufen und wurde sofort mit der Ärztin, die gerade Bereitschaft hatte, verbunden. Sie berichtete mir, dass die Ergebnisse von den Gewebeproben vorliegen. Ich setzte mich auf einen Stuhl und erhielt die schockierende Information, dass ich Brustkrebs mit unterschiedlicher Aggressivität habe.

Ich schrie ins Telefon: „Neinnnn, ich gebe Ihnen meine Mutter.“ Dann saß ich auf einem Stuhl und weinte.

Annette: Uff, ich konnte bei deiner Erzählung genau spüren, was du fühltest und wie es dir ging. Gerade fühle ich mich richtig traurig und kann deine damalige Gefühlswelt komplett verstehen. Danke dir fürs so lebhafte und detaillierte Schildern.

Wie wurdest du dann behandelt und – vorsichtig nachgefragt –  konnten die Therapien krebsfrei abgeschlossen werden?

Bettina: Als nach vier Wochen klar war, dass die linke Brust ebenfalls betroffen war, war ich erstmal am Ende. Der Pathologe stellte fest, dass zwei meiner Tumore hormonabhängig sind und der dritte Her2 positiv ist. Verblüffend für alle war, dass ich keinen Gendefekt habe und trotz alldem 3 Tumore hatte.

Konkret für die Behandlung hieß das: Ich kam um eine Chemotherapie nicht herum. So hatte ich 6 Sitzungen ( 8 Infusionen + 2 Vor- und Nachläufe für den Port ) und dies alle 3 Wochen.

Anfang November  2023 wurde dann brusterhaltend operiert.

Im Nachhinein betrachtet, hatte ich bis dahin dahin wie ein Roboter funktioniert, der alles über sich ergehen ließ.

Zwischen Operation und Bestrahlung hatte ich dann aber ca. 6 Wochen freie Zeit zur Erholung. In dieser Zeit habe ich erst ganz langsam realisiert, was mit mir geschehen war und versuchte dies schrittweise zu verarbeiten. Ich kämpfte um mein Leben und doch zeigte mir mein Körper dass er von der Chemotherapie immer noch angeschlagen ist (ist es heute fast 2 Jahre später immer noch).

Am 2. Januar 2024 war mein erster Bestrahlungstag und somit musste ich von nun an jeden Tag früh aufstehen. Schlimm für mich, denn ich bin eine leidenschaftlicher Langschläferin… Ich hatte 35 Bestrahlungstermine und war anfangs sehr oft und sehr müde davon. Dies wurde nach einiger Zeit besser. Aber ich war auch sehr froh, als auch die Bestrahlungszeit vorbei war.

Jedoch ging auch die Bestrahlung nicht spurlos an mir und meinem Körper vorbei. Seitdem habe ich keinerlei mehr Gefühl in meinen Brüsten und versuche damit zu leben.

Das Wunderbare ist, ich LEBE! Ich konnte alle Therapien erfolgreich bzw. krebsfrei abschließen und durfte mich wieder auf mein „neues“ Leben freuen und versuchen, es glücklich in die Hand nehmen.

Annette: Oh ja, es ist ein Geschenk, dass du und ich noch leben können. Auch wenn es ein anderes Leben ist und in manchem auch weniger schön – das mit deinen Brüsten tut mir sehr leid -, es lohnt sich. Wir leben!

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Bettina vor der Diagnose

Annette: Krebs ist mies. Kranksein ist mies. Allein sein ist mies. Gab es ein  bestimmtes Essen, einen Lieblingsmenschen oder vielleicht auch einfach ein bestimmtes Buch, das oder der dir an miesen Tagen halfen, um aus dem „mies“ wenigstens ein „halbwegs ok“ zu machen?

Bettina: Gute Frage! Essen war mir nicht möglich. Durch die Chemotherapie hat mir leider nichts geschmeckt. Außer Bananenquark und hin und wieder ein paar Himbeeren war es mir nicht möglich, irgendetwas zu essen.

Annette: Hihi, an Bananenquark könnte ich mich ja gewöhnen. Aber ja, nur Banananquark ist dann auf Dauer auch nicht toll. Aber nun erzähl gerne weiter:

Bettina: Wenn ich mich 10 bis 12 Tagen nach der Chemotherapie wieder „ok“ fühlte, suchte ich meine Freund*innen auf, um mit ihnen gemeinsam Zeit zu verbringen. Ich wollte mit ihnen etwas erleben und mal nicht an meinen Gesundheitszustand denken. Denn es war ja offensichtlich, dass es mir nicht gut ging. Das wollte ich nicht immer und immer wieder benennen.

So gingen wir oft und viel spazieren oder Eis essen ( was mir nicht schmeckte ) oder auch einfach mal feiern. Ich gab dabei das Tempo vor und die „richtigen“ Freund*innen haben darauf Rücksicht genommen und es mir ermöglicht, für eine gewisse Zeit meine Krankheit zu vergessen.

Auch die Selbsthilfegruppe Jung und Krebs hat mich während meiner Erkrankung sehr unterstützt. Aber dazu reden wir sicherlich später noch ausführlicher, oder?

Denn das Beste kommt nun zum Schluss.

Mein größter Halt und Stütze waren und sind meine Geschwister und vor allem meine Eltern. Ohne meine Eltern hätte ich diese Zeit nicht überlebt. Sie schenkten mir immer wieder Kraft und Mut zum Weitermachen.

Ich hatte Glück, dass mein Vater zu dieser Zeit schon in Rente war und so konnte er sich um mich kümmern. Was ich ihm da abverlangte, kann ich gar nicht richtig beschreiben. Tag für Tag war er an meiner Seite, ließ mich schlafen, half mir bei so alltäglichen banalen Dingen, die vorher als selbstverständlich galten.

Wenn meine Mutter von der Arbeit nach Hause kam, war sie meine Hilfe. Sie versuchte mir das Essen schmackhaft zu machen, ging mit mir duschen oder legte sich einfach ins Bett dazu.

Seitdem ist unsere Beziehung noch intimer, enger und vertrauter und ich bin meinen Eltern für dieses Zeit so unendlich dankbar und ich liebe Sie über alles. DANKE!

Hin und wieder kamen auch meine Geschwister mit ihren Partner*innen zu Besuch und suchten das Gespräch mit mir. Da ich aber immer nur schlafen wollte, waren diese Gespräche kaum möglich. Somit erkundigten sie sich regelmäßig bei unseren Eltern nach meinem Befinden und wurden informiert.

Annette: Wie herzensgut du über deine Eltern sprichst. Wow, mein Mamaherz ist tief berührt. Vielleicht habe ich das Glück und meine Kindern melden mir eines Tages einmal ähnliches rück. Das wäre das Beste, was mir passieren könnte.  

….

In deiner ersten Email an mich schriebst du „Seit meiner Diagnose ist nichts mehr, wie es mal war“. Magst du uns einen Einblick geben – was hat sich in deinem Leben geändert?

Bettina: In meinem Leben hat sich so einiges geändert bzw. verändert. Vor meiner Diagnose wünschte ich mir, dass ich mehr Selbstbewusstsein hätte. Ich war immer wieder auf der Suche nach meinem eigenen Glück und fragte mich natürlich auch:

Warum?

Warum ich?

Was lerne ich daraus?

Auf mein “Warum” werde ich wohl nie eine Antwort bekommen und das ist vielleicht auch gut so.

Aber die Antwort auf die “Was lerne ich daraus?” ist nun  ganz klar für mich.

Ich war schon immer auf der Suche nach Glück. Was ist Glück? Wo finde ich Glück? Mein ganz persönliches intimes Glück!? Ja, ich habe es in so vielen Dingen in meinem Leben gefunden, auch in der bisher schwersten Zeit in meinem Leben.

Ich bin endlich selbstbewusst und kann und auch nach Bedarf „Nein“ sagen. Ich stehe zur mir und meiner Meinung und wem sie nicht passt, die oder der soll gehen. Das klingt hart und vielleicht auch egoistisch. Nein, das ist es nicht. Ich habe gelernt zu mir zu stehen und mich selbst zu lieben. Ich achte nun bewusster darauf wer mir gut tut und lasse mich nun nicht mehr „klein“ machen. Ich gehe in die Konfrontation, suche das nötige Gespräch und vertrete meine Meinung. Natürlich bin ich nach wie vor kompromissbereit und meine Mitmenschen sind mir immer noch wichtig.

Dennoch sind es weniger Menschen in meinem Leben als vorher. Dafür aber die Richtigen! Was für ein Glück oder?

„Denn Glück ist immer die Sichtweise von Dingen,

man muss sie nur erkennen.

Jedes Schlechte bringt auch etwas Gutes mit sich.“

Das habe ich aus dm Buch “Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück”, dass mich vor meiner Diagnose schon immer sehr unterstützt und begleitet hat.

Ich mache mir auch nicht mehr so viele Gedanken wegen irgendwelcher Dinge. Das, was passiert, würde auch so passieren, egal ob ich ewig lang darüber nachdenke oder nicht. Früher lag ich nächtelang wach und grübelnd da und dachte nach: Was mache ich falsch? Ist die Entscheidung die Richtige? Was denken die anderen von mir?

Das Grübeln hatte mich damals fest im Griff und ich holte mir zu sämtlichen Entscheidungen, die anstanden, so viele Tipps von anderen und fragte nach deren Meinung. Dies führte dazu, dass ich oft noch verunsicherter war und dann oft gar nicht entscheiden konnte und wollte.

Nun lasse ich das Leben in gewissen Teilen auf mich zu kommen, vielleicht auch entspannter und gehe nach wie vor in die Reflexion mit mir selbst. Dort schaue ich, was es mit mir macht bzw. in mir auslöst und dann sehe ich nun klarer. Dieses kleine doch so wertvolle Zitat (Quelle unbekannt) hilft mir dabei:

„Was du suchst

ist nicht auf den Gipfeln der Berge,

nicht in den Tiefe der Meere,

nicht in den Straßen der Städte:

es ist in deinem Herzen.”

Annette: Wow, wow, wow. Ich danke dir, liebe Bettina, dass wir so tief in deine Seele schauen durften. Du hast sehr große Dinge angesprochen und damit sicherlich viele Leserinnen und Leser ins Nachdenken gebracht.

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Bettina wieder voll im Leben

Annette: Bettina, unser Berührungspunkt ist der Verein Jung und Krebs aus Freiburg. Wie bist du zur Selbsthilfe gekommen? Kannst du dich noch an dein erstes Mal im Gruppenraum erinnern?

Bettina: Im Laufe meiner Untersuchungen hatte ich irgendwann ein Gespräch bei einer Psychoonkologin aufgesucht. Bei diesem ersten Treffen gab sie mir einen Flyer von Jung und Krebs mit. Tage später schaute ich mir diesen genauer an und recherchierte im Internet darüber und las über den Verein nützliche Infos.

Irgendwann schrieb ich eine Email an den Verein und bekam sofort eine Antwort. So blieb ich immer wieder mit Carsten in Kontakt und er schickte mir auch die Kontaktdaten von einer Dame namens Christa.

An mein erstes Treffen im Gruppenraum kann ich mich leider nicht mehr so gut erinnern. Ich weiß noch, dass ich mich sehr freute, Christa endlich persönlich kennen zu lernen. Wir umarmten uns herzlich und nach und nach wurde der Austausch intensiver.

Ich war sehr froh unter „Gleichgesinnten“ zu sein, aber ich war ebenso emotional sehr gerührt  von den Geschichten der anderen. So haben auch diese Menschen ihre „Päckchen zu tragen“. Dennoch verbindet uns nicht nur die Krankheit. Nicht nur Geborgenheit, Zugehörigkeit und auch wertschätzende Empathie zeichnen den Verein aus, sondern auch das Halt- und Trostgeben in einer so schwierigen Lebensphase.

Eine ganz besondere Herzensdame von Jung und Krebs ist immer für mich da. Ihr Name ist Christa und ich habe sie vorher schon kurz erwähnt. Sie ist ebenfalls an Brustkrebs erkrankt. Mit ihr kann ich über alles sprechen, habe ich eine innige und aufrichtige Freundschaft entwickelt und bin sehr froh und dankbar, sie an meiner Seite zu wissen.

An dieser Stelle, ein herzliches Dankeschön an dich, liebe Christa, dass du für mich da bist und so ein wertvoller Mensch für mich geworden bist.

Natürlich ist es für selbst Betroffene bzw. für die Menschen, die das gleiche durchgemacht haben, viel nachvollziehbarer, mit dieser Thematik umzugehen. Sie können sich sehr gut in dich und deine Situation hineinversetzen und wissen was der andere gerade durchmacht. Das verbindet und macht Mut zum Weitermachen. Sie schenken dir Kraft und Trost und gemeinsam wird natürlich auch gelacht und du bekommst ein Gefühl von Gemeinschaft und Sicherheit vermittelt.

Annette: Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag meiner Tumoroperation, den Tag meiner letzten Chemotherapie oder auch den Tag meiner letzten Bestrahlung. Diese Meilensteine vergisst wohl kein/e Krebspatient / Krebspatientin. Viele zelebrieren einer diese Tage  dann wie einen „zweiten Geburtstag“.

Wie stehst du dazu? Und – wie ging es dir an deinem „zweiten Geburtstag?“

Bettina: Ich erinnere mich sehr gut an diesen Tag. So einen Tag werde ich nie vergessen.

Es war ein Mittwoch und mir ging es nicht gut. Es war der 20. September 2023.  Ich hatte gerade meine 4. Chemositzung hinter mich gebracht und war müde, erschöpft und kraftlos. Ich hatte an diesem Tag einen Termin im Brustzentrum zum Ultraschall. Mit großer Mühe und Anstrengung rappelte ich mich auf und fuhr gemeinsam mit meinem Dad in die Klinik.

Am Abend zuvor dachte ich noch für mich: „Vielleicht liebe Bettina, bekommst du morgen dein Sahnehäubchen!“

Nachdem ich mich angemeldet habe und mit meinem Vater wartete, wurde ich auch schon kurze Zeit später aufgerufen. Mein Dad wartete draußen und ich ging ins Behandlungszimmer. Meine behandelndete Ärztin erkundigte sich nach meinem Befinden und ein kurzer Austausch fand statt. Sie schickte mich in den Umkleideraum und nun konnte der Ultraschall stattfinden.

Ich weiß leider nicht mehr, mit welcher Brust sie begonnen hatte, aber für mich war es eine Qual. Sie untersuchte mich länger als sonst und drückte das Ultraschallgerät fester wie als gewohnt auf meine Brüste. Da mir immer noch alles weh tat, ließ ich dies über mich ergehen. Da kannte ich mittlerweile schon schlimmere bzw. stärkere Schmerzen. Nach einiger Zeit teilte Sie mir dann mit, dass sie nur noch einen Tumor sehen kann. Ich konnte es nicht glauben! Ich fragte nach, was das zu bedeuten hatte und ließ es mir von ihr erklären: „Bettina, 2 von 3 Tumore sind komplett verschwunden! Ich kann nur noch die Klammern, die ich dir eingesetzt habe, sehen.“

Ich war sprachlos! Musste erst einmal meine Gedanken sortieren und dann überkam mich ein absolutes Glücksgefühl. Ich weinte so sehr vor Freude. Ich hatte tatsächlich mein Sahnehäubchen bekommen. Ich war unendlich dankbar. Sogar meine Ärztin hatte Tränen in den Augen.

Ich zog mich so schnell ich konnte an, um diese Neuigkeit meinem Dad zu erzählen. Dieser sah meine Tränen und fragte besorgt, was los sei. Ich berichtete ihm die Neuigkeit und wir nahmen uns in den Arm und weinten nun gemeinsam vor Freude. Selten sah ich meinen Dad so gerührt und emotional wie an diesem Tag. Ich ließ noch einen Jubelschrei los und alle Leute sahen mich an. Eine Frau mit Kopftuch jubelte und weinte. Die Arzthelferinnen fragten, was passiert sei und so applaudierte dann einfach mal kurz der ganze Bereich des Brustzentrums für mich.

Nachdem wir das Brustzentrum verlassen hatten, griff ich gleich zum Telefon, um meine Mum anzurufen und ihr davon zu erzählen. Sie freute sich natürlich ebenfalls und trank am Abend gemeinsam mit meinem Vater ein Glas Sekt auf mich. Auch sie konnte es eben so wenig glauben wie ich.

Nun ist der 20. September mein „Zweiter Geburtstag“ für mich ganz persönlich. Ich verspüre an diesem Tag eine so große und tiefe Dankbarkeit und innere Ruhe. Ich widme diesen Tag mir ganz allein und lasse all die Emotionen zu und auch auf mich zu kommen, die mich gerade überwältigen.

Annette: Oh wie wunderschön du das beschrieben hast. Ich werde nachher ein Kerzchen anzünden und ein Glas alkoholfreien Sekt auf dich und die gesundheit trinken. So, so schön.

….

An Tagen, an denen sich das Kopfkino meldet, sich Ängste auftun oder sich irgendwie im Gedankenstruggle festhänge, hilft mir Bewegung noch mehr als sowieso schon. Aber auch ein gutes Buch, mit dem ich mich an die Nordsee träumen kann, hilft mir. 

Nicht zuletzt habe ich – sonst ein totaler Wusel _ tatsächlich in letzter Zeit immer wieder mit dem Thema „Meditation“ zu tun gehabt. Das hat für mich sehr viel von zu mir kommen, zur Ruhe kommen, vom Moment wegkommen und irgendwie auch im Moment sein.

Wie sieht es bei dir aus? Was hilft dir in solchen Momenten? Und … Hast du vielleicht auch schon mal eine Meditation gemacht oder machst das sogar regelmäßig?

Bettina: Das ist eine sehr schwierige Frage, wenn nicht sogar die schwierigste für mich. Denn ein „richtiges Rezept“ habe ich nämlich noch nicht für mich gefunden.

Aber ich weiß jetzt, dass mir in diesen „Phasen“ Bewegung und definitiv die Natur am meisten helfen. Jede Jahreszeit bringt ihre ureigene Schönheit mit sich und das genieße ich dann auch, da ist es mir dann auch mal egal, total nass Zuhause anzukommen. Ich lasse all dort meinen Gefühlen und Gedanken freien Lauf und spüre in mich und meinen Körper hinein. Ich lasse all dies zu, höre Musik, die meiner Stimmung entspricht und bin ganz in und bei mir.

Jetzt kann man natürlich sagen, dass das einer Meditation schon sehr nahe kommt.

Richtig.

Seit meiner Diagnose, mache ich dies zwar nicht regelmäßig, aber ich baue immer wieder Momente der Ruhe in meinen Alltag mit ein. Da kann ich dann auch schon mal weinen und sentimental werden, dass darf es auch und setze mich ganz bewusst mir und meinen Ängsten,  Problemen und auch Gefühlen auseinander.

Dies ist für mich unter anderem die größte Heilung die es für einen gibt. Das sind „Schmerzen“ die dich „heilen lassen“ und dir neue Energie schenken. Aus dieser „Quelle“ schöpfe ich neue Kraft, Hoffnung und irgendwo einen gewissen inneren Frieden mit mir selbst. Ich entdecke auf neue Art mich selbst zu lieben und begegne mir selbst dabei. Da bin nur ich wichtig und nutze diese Zeit für mich alleine.

So, ihr Lieben, lasst mich euch nun noch eine kleine Geschichte über Meditation und Heilung erzählen, die ich selbst erlebt habe.

Annette: Oh ja, sehr gerne.

Bettina: Kurz nach meiner Diagnose erzählte mir eine gute Freundin vom Frauentempel in Freiburg. Dort gibt es immer wieder Seminare und Kurse, die rund um das Thema „Frau sein“ viele Wissensbereiche abdeckt.

So ein Seminar fand auch am 4.06.2023 statt. Meine Freundin lud mich zu diesem Seminar ein und begleitete mich. Das Thema war: „Ehre deine Brüste“. Das mag jetzt für viele absurd und wahnsinnig erscheinen, jedoch habe ich dieses Seminar noch ganz klar vor Augen.

Ich war anfangs noch sehr unsicher und auch ängstlich, da ich nicht wusste was auf mich zukommen würde und was ich selbst erwartete. Was macht es mir körperlich und vor allem emotional? Wie werden all diese „gesunden“ Frauen reagieren?

Vorab informierten wir die Kursleiterin über meinen Gesundheitszustand und so vereinbarten wir, dass ich jederzeit das Seminar abbrechen und nach Hause gehen konnte. Wann auch immer mir bei diesem Seminar danach sei, es sei vollkommen in Ordnung, “Stopp” zu sagen.

Ich ließ es aber einfach auf mich zukommen und verspürte eine unheimliche unbekannte Energie in mir und meinem Körper. Ich versuchte mich darauf einzulassen und die Mediation anzunehmen und auf mich wirken lassen. So gelang es mir immer wieder einen „direkten“ Zugang zu den Übungen zu bekommen und diese weitestgehend umzusetzen. Natürlich flossen auch Tränen und dann musste ich kurz den Raum verlassen, um mich wieder zu fangen. Jedoch zog ich das Seminar durch.

Die Selbstannahme war der schwierigste und emotionalste Teil für mich an diesem Abend.

Was ich rückblickend berichten kann?

Es war unglaublich. Ich verspürte eine so deutliche Energie an diesem Abend zu meinen Brüsten und dass ich so stolz auf mich bin. Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass ich anfangs berichtet habe, ich habe ein „Ziehen“ bzw. „Schmerzen“ in meiner rechten Brust verspürt.

Seit diesem Abend sind die vollkommen verschwunden. Unfassbar und wahr.

Ich bin meiner Freundin so unendlich dankbar für diese wunderbare, einzigartige und intime Erfahrung. Ich würde es sofort wieder tun und mich darauf einlassen.

Annette: Und ich bin dir unendlich dankbar für dein emotionales Schildern dieses Abends. Daaaanke. Ich überlege mir gerade, selbst auch mal einen Workshop im Frauentempel zu buchen. Danke für diesen tollen Tipp!

….

Bettina,du kannst die Zeit nicht zurückdrehen. Aber du kannst aus deiner Erfahrung heraus vielleicht den jetzigen Moment für andere Betroffene ein wenig erträglicher machen. 

Welche drei Tipps würdest du einer Frau oder auch einem Mann geben, die oder der gerade eine Krebsdiagnose erhalten hat:

 Meine Tipps wären:

  1. Gib alles, aber niemals auf.
  2. Vertraue dir und deinem Körper und glaube an dich selbst.
  3. Folge deinem Herzen, es zeigt dir deinen Weg.

Annette: Vorsorge? Das brauch ich nicht. Ich bin doch jung. Ich bin doch gesund. Das mach ich, wenn ich älter bin.“ Diese Vorurteile halten sich leider hartnäckig. Ich denke, angesichts deiner eigenen Erfahrung kannst du das nicht verstehen. Aber… Warst du schon immer so oder warst du vor deiner Erkrankung eher ein Vorsorgemuffel?

Bettina: Ja, tatsächlich war und bin ich es bis heute noch. Ich bin ein sehr gewissenhafter, pflichtbewusster und zuverlässiger Mensch. Ich bereue es keine Sekunde und bin sehr stolz auf mich so ein gutes, gesundes und intensives Körpergefühl zu haben. Denn dieses Körpergefühl und meine Hartnäckigkeit hat haben mir ganz deutlich gezeigt, dass ich alles richtig gemacht habe. Schlussendlich hat dieses Körpergefühl mir mein Leben gerettet.

Ich habe von meiner Mutter viele tolle Eigenschaften gelernt. So lehrte sie mich, dass es wichtig sei, sich regelmäßig untersuchen zu lassen und begleitet mich heute hin und wieder zu neuen Terminen.

Natürlich gibt es schönere Dinge wie als sich von seiner Gynäkologin untersuchen zu lassen, dennoch hat es mir mein Leben gerettet. Seitdem ich die Diagnose erhalten habe, ist das Verhältnis zu ihr auch noch offener, intimer und vertrauter geworden.

Nun ein kleiner Appell an alle, ob Frau oder Mann:

  • Geht zur Vorsorge, und lasst euch untersuchen. Es ist so wichtig und je früher Handlungsbedarf besteht, desto mehr bzw. bessere Chancen habt ihr.
  • Falls ihr euch nicht wohl fühlt oder unverstanden, solltet ihr euch einen anderen Arzt auf Der „Richtige“ wird sich finden, ganz gewiss.
  • Achtet auf euch und euren Körper, denn er wird euch zeigen, was er braucht. Habt Vertrauen und schenkt ihm Zeit und Aufmerksamkeit.

Leider haben wir nicht alle die Möglichkeit für eine zweite Chance. Deshalb nutze deine erste und mache das Beste daraus.

Annette: Ich bin voll bei dir. Wäre ich nicht bei der Vorsorgeuntersuchung gewesen, könnte ich mich jetzt nicht um dieses tolle Interview kümmern. Deshalb: Du hast alles richtig gemacht und das solltet ihr da draußen auch alle tun!

….

Anders als ich, die als Krebsbloggerin aktiv bin und meine Gedanken zum Thema Krebs und meiner Krebserkrankung im Speziellen laut teile, bist du auf Social Media nicht vertreten. Dennoch hast du dich bei mir gemeldet, weil du deine Geschichte erzählen möchtest. Das freut mich sehr und ehrt mich zugleich, da du dir als Plattform meinen Blog ausgesucht hast.

Welche Intention deinerseits steckt dahinter?

Bettina: Ermutigung für dich da draußen! Hier kommt eine Ermutigungsbotschaft für dich von mir, Bettina:

Vielleicht bist du gerade entmutigt, niedergeschlagen und fühlst dich alleine? Du sehnst dich nach einem ermutigenden Wort? Dann hab ich genau das Richtige für dich.

Du bist nicht alleine. Du schaffst das.

Es gibt so viele Menschen, die das „Gleiche“ oder „Ähnliche“ erlebt haben. Diese Menschen können dich am besten verstehen.

Such das Gespräch mit ihnen und erzähle ihnen von dir und deiner Geschichte. Hab´ den Mut und trau dich. Es wird sich lohnen. Dein „Freundes- und Bekanntenkreis“ wird größer und auch inhaltlich wachsen.

Natürlich wird es auch Momente geben in denen du aufgeben willst, dich kraftlos fühlst, dennoch ist dies keine Option. Kämpfe! Kämpfe für dich allein! Die „richtigen“ Menschen werden dich auf diesem schwierigen und auch anstrengenden Weg begleiten und unterstützen.

Genau das möchte ich euch allen da draußen mit auf dem Weg geben: Habt Mut zum Weitermachen! Vertraut euch selbst und geht hinein in die Therapiezeit mit dem Wissen, nicht alleine zu sein. Lasst eure Gefühle zu und nehmt sie an. Und vorallem kämpft für euch. ü

Du bist wichtig und genauso richtig wie du bist.

Du hast im Leben immer wieder Chancen neu anzufangen,

nutze diese Chancen und mache das Beste daraus.

 

Annette: Liebe Bettina, ich danke dir für diese herrlich mutmachenden Worte. Einen besseren Abschluss für unser Interview hätte ich mir nicht wünschen können. Danke dir von Herzen für deine Zeit und deine Offenheit. Jede Geschichte ist wichtig. Deine. Meine. Danke dir fürs Teilen deiner Geschichte.

Ich wünsche dir für die Zukunft alles, alles Gute und hoffe, dass wir uns bald bei einer JUK-Veranstaltung mal treffen werden.

Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”

Leider haben wir nicht alle die Möglichkeit für eine zweite Chance im Leben. Deshalb nutze deine erste und mache das Beste daraus.
- Bettina

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