Erleichterung vs. Belastung
Annette fragt… Miss Pinktastic alias Matea Weindel
Das Interview mit Matea entstand nach ihrer spontanen Frage: „Sag mal, kann man sich bei dir eigentlich auch für ein Interview bewerben?” Das fand ich so cool, ihre Texte auf Instagram so lesenswert und ihren Podcast so interessant, dass ich natürlich zusagte.
Freut euch auf ein sprachgewaltiges Interview mit einer lebensfrohen, offenen und einer guten Portion Humor gesegneten jungen Frau. Obwohl sie mit 21 einen Schlaganfall hatte und mit 25 Jahren die Diagnose “Brustkrebs” erhielt, ist das Interview aber nicht zentnerschwere, sondern sprüht vor Energie, Positivity, Good Vibes und Lebensfreude.
Lasst euch ein auf Mateas Worte voller Tiefe und Ernst und schonungloser Ehrlichkeit über Cancerella, das Leben und so manches mehr.
Annette: Liebe Matea, du gingst im September 2020 wegen leichter Schmerzen in der Brust zum Frauenarzt. Daraus wurde dein persönlicher Albtraum. Kannst du uns mitnehmen in deine Gefühlswelt nach deiner Krebsdiagnose mit 25 Jahren?
Matea: Es war eine Achterbahnfahrt der Emotionen, ein regelrechtes Wechselbad. Ich meine: Ich hatte mit 21 einen Schlaganfall und somit schon die erste Hiobsbotschaft in meinen jungen Jahren erhalten. Aber auf das bereitet dich keiner vor. Niemand nimmt dich an die Hand. Es gibt kein Handbuch, keinen Ratgeber.
Der Moment der Diagnose ist mir wie viele Momente während meiner Erkrankung im Kopf geblieben. Ich hatte versucht, positiv zu bleiben, versucht, das Karussell in meinem Kopf nicht zu sehr drehen zu lassen. Doch es glich einer Tortur. Ein Kampf gegen mich und die Gedanken in meinem Kopf. Und Erlösung fand ich erst, als sich die Tür meines Arztes öffnete und ich sein Gesicht sah. Ob siebter Sinn, weibliche Intuition oder Bauchgefühl, was auch immer es war. Ich sah ihn einfach nur für ein paar Sekunden an und wusste es!
Es gibt Momente im Leben, in denen man keine Worte benötigt. Man schaut sein Gegenüber an und man weiß es. Das war so ein Moment. Er haute mich um. Es stand meinem Arzt ins Gesicht geschrieben. Er sagte: „Ich würde ihnen gern etwas anderes mitteilen. Doch dann würde ich lügen, Frau Weindel. Aber: Sie haben Krebs“.
Drei kleine Worte. Drei Worte, die mir den Boden unter den Füßen wegrissen. Die mir die Luft zum Atmen nahmen. Die mich ertrinken ließen, zusammenbrechen. Mich zu Boden drückten und umklammerten. Mir alles nahmen. Mein Herz zum gefühlten Stillstand brachten. Meine Augen füllten sich mit Tränen, ohne dass ich es wahrnahm und ich konnte nicht aufhören zu weinen.
Ich starrte ihn einfach nur an. Körperlich war ich anwesend. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, wie er mich und meinen Bruder, der mich zum Termin begleitet hatte, abwechselnd ansah. Aus der vor sich liegenden Akte zitierte. Doch konnte ich nicht reagieren. Nichts sagen. Wie auch? Mein Leben war vorbei. Es hatte mich erneut aus den Socken gehauen. Ich war taub. Wie in einer Blase.
Genauso fühlte ich mich. Während mein Bruder und mein Arzt schon gefühlt Millionen Schritte weiter waren, hing ich noch an den drei kleinen Worten. „Sie haben Krebs.” Wie eine kaputte Schallplatte wiederholten sie sich in meinem Kopf, waren alles, was sich in ihm befand, in mir. Alles, was mich umgab, was mich zu ersticken drohte. Mit ihrem Gewicht.
Das Einzige, woran ich denken konnte war, dass dies ein Scherz war. Ein Witz. Mein Blick wanderte durch den Raum.„Wo sind die Kameras? Wo sind sie?” Ich wartete darauf, dass jemand durch die Tür kam und schrie: „Verarscht“. Doch es kam keiner. Stattdessen saß ich hier. 25 Jahre alt, in der Blüte meines Lebens. Mit so vielen Gedanken, Fragen. So vielen Plänen. Dingen, die nun nichts mehr waren. Weit weg und unnahbar.
Und auch danach war es wie in einer Blase. Ich konnte es nicht glauben. Wollte es ganz lange nicht wahrhaben. Ich wollte nicht, dass dies meine Realität war. Mein Leben. Ich hatte es doch nach meinem Schlaganfall gerade erst wiederbekommen. Und nun sollte das alles für die Katz gewesen sein? Ich wechselte zwischen Nichtwahrhaben, Angst, Panik, Wut, Leere und völligem Chaos. Es fühlte sich so surreal, so unfair, so fremd an.
Mir schwirrten Millionen Gedanken durch den Kopf. „Was passiert jetzt?“ „Warum ich?“ „Das ist nicht fair“ „Wie sage ich es meiner Familie? Meinen Freunden?“ „Ich werde sterben.” Ich wusste nicht, ob ich schreien, lachen, weinen sollte. Fühlte mich so verloren, so überfordert, so allein. Ich kam nicht hinterher, kam nicht zur Ruhe. Konnte nicht durchatmen, mir nicht ein paar Minuten Zeit geben.
Denn Zeit war in diesem Kontext der Feind. Etwas, was ich nicht hatte. Was mir nicht gegeben war. Ein Luxus, den ich nicht hatte. Der Startschuss war abgefeuert und ich musste rennen. Ohne Ziel, ohne wirklich zu wissen wohin, aber ich musste um mein Leben laufen.
Annette: Vor deiner Diagnose ähnelte deiner Instagram dem einer „normalen jungen Frau von heute“. Man sah Urlaubsfotos, Selfies, Fotos mit besten Freundinnen. Dann kamdeine Diagnose und du hast von Anfang an sehr offen über deinen Therapieweg geschrieben. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?
Matea: Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht von Anfang so offen damit umgegangen bin. Konnte ich gar nicht. Ich habe sehr lange und intensiv gebraucht bis zu dem Punkt, an dem ich nun stehe. An dem ich es mit anderen da draußen teile. Dass ich damit so offen und ehrlich umgehe. Dass ich mich zeige. Denn es hat lange gebraucht, bis mich anderen anvertraut habe, geöffnet.
Ich habe viel mit mir selbst ausgemacht. Habe selten nach Hilfe gefragt oder wenn ich etwas gebraucht habe. Habe mich, obwohl es mir so schlecht ging, das Leben aus mir wich, obwohl ich am Kämpfen um mein Leben wahr, zurückgenommen. Habe öfters eine Maske aufgesetzt. Gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Wollte niemanden belasten, mehr als ich es ja sowieso schon tat. Wollte keine Bürde sein. Wollte niemandem auf die Füße treten. Wollte niemanden mit meinen „Problemchen“ nerven. Hab meine Situation, Emotionen, Gedanken oft runtergespielt.
Zu dem Zeitpunkt habe ich angefangen, „Tagebuch“ zu schreiben. All das was mit mir passierte, was in mir vorging, auf Papier zu bringen. Das wurde mein Safeplace. Während der Chemo habe ich dann angefangen von Papier auf online umzusteigen. Eher für mich selbst weiterhin.
Zu der Zeit hatte ich noch zwei Profile. Meinen Canceraccount und meinen privaten. Doch ich habe gemerkt, dass es Leute interessiert. Dass es Anklang, ein Gehör findet. So kam ich in Berührung/ Kontakt mit der Cancercommunity. Meiner Pink Family.
Und so wurde aus pinktastic, dem Onlinetagebuch, “Miss Pinktastic”, mein Instaprofil. Eine Fusion aus den zwei Profilen. Freund*innen und Teile der Familie bekamen dies natürlich mit. Die Reaktionen waren mehr als positiv. Sie waren happy und finden es bis heute gut.
Annette: Mobbing in der Schulzeit. Ein Schlaganfall mit 21. Brustkrebs mit 25. Dein Leben spielte sich wahrlich noch nie auf einem Ponyhof ab. Dennoch strahlst du unglaublich viel Power, Positivität und gute Laune aus. Woher nimmst du diese Kraft? Was ist dein Antrieb?
Matea: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es einfach war. Dass mir all diese Schläge nichts ausgemacht haben. Dass sie nichts mit mir, meiner Person gemacht haben. Dass sie ein Spaziergang waren. Dass ich das alles mit links eingesteckt und durchgezogen habe. Es hat mich viel gekostet, ich musste oft kämpfen. Musste einstecken ohne Ende. Und tue es bis heute. Habe so verdammt viel verloren, habe mich zwischendurch verloren. War oft an dem Punkt, an dem ich nicht mehr konnte. An dem ich nicht mehr wollte. An dem ich aufgeben wollte. An dem es einfach zu viel wurde. Ich müde war. Ausgelaugt, kraftlos, hoffnungslos. Mich gefragt habe, wofür? Wozu? Es dunkel wurde und auch war. Ich mich meinem Schicksal ergeben wollte, einfach aufhören. Einfach liegen bleiben. Überlegte, ob es vielleicht an der Zeit war zu gehen.
Und doch habe ich es nicht getan. Habe nicht aufgehört. Habe nicht aufgegeben. Bin nicht liegengeblieben. Bin nicht ertrunken.
Zum Teil glaube ich schon, dass es der Überlebensinstinkt gewesen ist. Aber viel mehr auch mein Support, mein Auffangnetz. Meine Familie und Freund*innen. Und mein Mindset. Letzteres spielt eine so entscheidende Rolle. Die Kraft und Macht der Gedanken kann Berge versetzten. Wenn Kraft, Mut und Wille da sind, dann schafft man vieles. Denn man hat immer eine Chance. Immer eine Wahl. Immer und überall. Egal bei was, auf was bezogen. Ich hatte die Wahl den Mobber*innen, dem Schlaganfall und Cancerella die Oberhand zu lassen. Die Macht. Den Sieg. Aber ich bin mehr als Krebs auf zwei Beinen, als die tote Gehirnmasse in meinem Kopf, als das, was andere über mich sagen. Denn nichts und niemand definiert mich. Außer ich.
Ich bin MEHR.
Und ich habe nur dieses eine Leben. Möchte es mit Momenten und Erlebnissen füllen. Möchte es auskosten. Allem, was mich glücklich macht, was mir guttut. Denn am Ende des Tages geht es nur darum. Um uns. Unser Leben ist kein Gruppenprojekt. Wir sind nicht auf dieser Erde, um es anderen recht zu machen, anderen mehr zu gefallen, auf andere mehr zu hören als auf uns.
Es liegt in meiner Macht und meinen Händen was ich daraus mache, wie ich es sehe. Little Miss Sunshine durch und durch.
Doch ohne Regen gibt es keine Sonne. Ohne Regen gibt es keinen Regenbogen. Ohne Schatten kein Licht. Die schweren Phasen gehören dazu. Die dunklen. Und ja, sie sind unwillkommen. Keine/r will sie. Keine/r braucht sie wirklich. Doch ohne sie kommen wir nicht weiter. Sie sind Teil des Prozesses, der Heilung. Haben ein Recht da zu sein, mit allen Emotionen, Tränen. Dem vollen Programm.
Aber auch diese Moment und Phasen werden vergehen. Sie bleiben nicht für immer. Sind eine Momentaufnahme. Und sie machen uns nicht schwach, weniger wert. Sie machen uns menschlich, machen uns zu uns. Sind Beweise der Stärke. Denn auch Sheores brauchen Pausen.
Annette: Meine Therapie und mein Ventil ist das Schreiben. Du nennst deinen Krebs „Cancerella“, dich und deinen Podcast „Miss Pinktastic“ und zauberst unterÜberschriften wie „Verloren“, „Loslassen“, „Zweifel“ oder auch „Einfach glücklich“ ein gutes Gefühl bei mir als Leserin Respekt für deine lyrischen und oft sehr tiefgründigen Zeilen. Was gibt dir das Schreiben? Woher nimmst du deine Ideen?
Matea: Zunächst einmal bedanke ich mich. Solch positives Feedback freut mich immer riesig und bedeutet mir ebenso viel. Zu 100% kann ich garnicht genau sagen, was mir das Schreiben gibt. Was und wie viel es mir bedeutet. Aber es ist mein Hafen. Eine Hilfestellung.
Ich merkte schon in jungen Jahren, dass ich ein Händchen fürs Schreiben hatte. Durch das Schreiben tauche ich ein meine Emotionen, Gefühle ein. In das, was ich fühle, was diese Krankheit mit mir macht, was sie alles verändert hat und was es überhaupt bedeutet, “krank“ zu sein. Ich unterstütze meinen Heilungsprozess dadurch. Kann etwas besser mit Cancerella umgehen, sie besser verstehen.
Es macht es zwar nicht immer leichter. Denn wenn ich schreibe, durchlebe ich es automatisch auch. Es lässt mich nicht völlig kalt. Es katapultiert mich in die Momente zurück. Zu den einschneidenden Erlebnissen. Macht diese Krankheit ein Stück realer. Klar, ich bin in Therapie und auf einem guten Weg. Das macht diese Krankheit aber nicht einfacher, nicht simpler.
Durch das Schreiben wird mir ein kleines Stück Schwere und Krankheit genommen. Ich fühle mich freier, leichter. Mehr in Kontrolle. In Charge. Habe das Gefühl, Stück für Stück zu mir zu finden. Mich zu finden, zu fühlen. Ich lasse Cancerella im Schreiben zwar existieren, aber sie hat nicht das Sagen. Sie spielt nicht die Hauptrolle. Sie wird immer ein Teil von mir sein, mal mehr mal weniger. Aber das war´s.
Die Ideen für meine Texte kommen tatsächlich einfach so. Ich mein, so komplex wie Cancerella ist so komplex, breitgefächert sind die Themen, die Ideen. Es gibt so viele Seiten, so viele Kapitel, so viele Bereiche, so viele Ebenen. Ich habe eine Notiz in meinem Handy, welche soooo lang ist. Vollgepackt mit allen Ideen, Themen, die mir so ins Hirn schießen.
Doch genauso inspirierend, wie diese Krankheit und meine eigenen Gedanken sein können, so sind es auch all meine Cancerqueens. Ihre Beiträge, ihre Stories, ihre Themen. Die ich dann wiederum in meinen Texten aufnehme.
Annette: Du hast einen Blog. Einen Podcast. Ich staune vor so viel Eigeninitiative und Engagement einer so jungen Frau, die das Leben schon so hart gebeutelt hat. Was ist deine Intention hinter Blog und Podcast? Wen möchtest du erreichen? Und welchen Nutzwert ziehst du selbst daraus?
Matea: So ausgelutscht es vielleicht klingen mag: Ich möchte andere erreichen. Ich möchte meine Stimme, mein Leben, meine Geschichte für etwas Gutes nutzen. Ich möchte unterstützen, supporten. Mut geben, Trost, Komfort. Vielleicht das ein oder andere Lachen schenken. Möchte Krebs ein Gesicht und eine Geschichte geben. Möchte zeigen „Hey du bist nicht allein!“.
Ich mache das nicht für Fame, Geld, oder um mir einen Namen zu machen. Im Gegenteil: Selbst wenn meine Beiträge, meine Podcastfolgen nur eine Person erreichen bzw. von einer Person gehört und gesehen werden, wäre es mir egal. Wenn es nur diese eine Person erreicht, nur dieser einer Person hilft, so habe ich alles erreicht.
Denn wichtiger als Ruhm und alles ist die Community. Ein Auffangnetz zu haben. Einen Safe Space. Zusammenhalt. Gemeinsam zu kämpfen, gemeinsam zu leiden, gemeinsam zu trauern und zu feiern. Gehört und verstanden zu werden. Füreinander, miteinander.
Denn wie viele weitere wichtige Themen sollte auch Brustkrebs mehr Gehör erhalten. Eine größere Plattform. Nicht totgeschwiegen und unter den Teppich gekehrt werden. Ein Tabuthema sein.
Krebs kann dich treffen, egal wer du bist. Wie alt du bist. Wo du im Leben stehst. Was du vielleicht noch vor hast. Wir müssen weg von „Es betrifft mich nicht“ „Es ist nicht mein Problem“ „Es geht mich nichts an.“
Falsch! Es geht uns alle etwas an. Und nur zusammen können wir etwas verändern. Nur gemeinsam können wir etwas bewirken, etwas erreichen. Nur gemeinsam können wir dem Krebs in den Arsch treten.
Annette: Du hast mal einen Post darübergeschrieben, wie sehr es dich nervt, wenn Leute sagen, dass du „Glück hattest“, weil du den Krebs überstanden hast. Wie meinst du das?
Matea: So hart das klingen mag, aber mit Glück hat das nichts zu tun. Wer entscheidet schon darüber? Wer sagt, dass ich Glück hatte? Woran macht ihr das fest? Was unterscheidet mich von den anderen Cancerqueens? Was macht meine Krebsdiagnose, meinen Kampf, meinen Weg würdig als “Glück” bezeichnet zu werden? Nur weil ich noch da bin? Weil ich lebe? Weil ich überlebt habe? Weil ich es “geschafft“ habe?
Ja ich bin noch da. Ja ich lebe noch. Ja ich habe überlebt. Aber nur, weil man auf Scheiße Glitzer streut, wird sie nicht besser oder schöner. Denn das war es. Scheiße, wenn nicht sogar mehr. Und ich habe mich aus dieser Scheiße geholt. Ich habe gekämpft. Ich habe es über mich ergehen lassen. Ich habe es durchgemacht. Ich habe es durchgezogen. Ich bin den Weg gegangen. Ich stand mehr als einmal an der Klippe. Kein Glück, kein Schicksal, kein gutes Omen. Ich. Niemand sonst. Und schon gar nicht das Glück!
Und wenn wir schon beim Thema “Glück” sind. Hat es was mit Glück zu tun, dass ich noch hier bin? Dass Frauen da draußen erneut da durchmüssen? Dass Frauen allgemein da durchmüssen? Und was ist mit denen, welche wir an diese Krankheit verloren haben?
Glück hatte und hat hierbei absolut nicht mitzureden!
Diese Aussage „Du hast Glück gehabt.” gehört zu den gut gemeinten Ratschlägen. Zu den Floskeln. Den Sätzen, welche wir Krebsis mindestens einmal gehört haben. Und es macht mich jedes Mal so verdammt wütend. Denn Ratschläge und jegliches aus dieser Kategorie können noch so gut gemeint sein. Sie sind wertlos. Sie sind unnötig. Sie werden nicht gebraucht. Meist wird nicht nachgedacht. Und genau das ist das Problem.
Denn Worte haben Macht. Sie haben Gewicht. Sie können schärfer sein als jedes Messer. Können größeren Schaden anrichten als Erdbeben. Können tiefer gehen als der Ozean. Können mehr Zweifel herbeirufen als unser Kopf. Können aus Erfolgen Misserfolge machen. Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten. Hat Klopfer (Zur Info: das Kaninchen aus dem Disney-Film “Bambi”) schon gesagt.
Und das hat nichts damit zu tun, dass man seine Meinung ja noch sagen darf oder es nur nett gemeint ist. Es hat was mit Empathie, Feingefühl und Einfühlungsvermögen zu tun. Niemand verlangt, dass du es als Gegenüber verstehen sollst. Dass du es weißt. Es kennst. Kannst du gar nicht. Woher denn auch? Du musstest diese Hölle nicht durchleben. Die Kämpfe, die Schmerzen, die Therapien, die OPs. Du hast nichts verloren. Wurdest nicht mit dem Tod konfrontiert. Musstest einschneidende Entscheidungen treffen. Dir Gedanken um deine Zukunft machen. Ob du die überhaupt erleben wirst. Ob du überleben wirst. Hast dich nicht in den Schlaf geweint, wurdest nicht zu einem Schatten deiner selbst. Dein Körper war nicht dein eigenes, persönliches Gefängnis. Dieser Kampf, diese Tortur war nicht dein Leben. Nicht dein Alltag. Nicht deine. Und sind sie heute auch nicht. Und wisst ihr was?
Ich wünsche es niemandem. Niemand sollte da durch. Niemand sollte dies erfahren. NIEMAND.
Rachel aus der Serie „Friends“ hat es mal gut auf den Punkt gebracht. „No uterus, NO OPINION“. Ich ändere es einfach um in
„No Cancer, NO OPINION!“.
Das nächste Mal, wenn du einer/m Krebserkrankten helfen willst, wenn etwas Nettes oder gar Tröstendes äußern möchtest, dann Hhalte kurz inne. Geh nochmal in dich. Versuch dich ein wenig in dein Gegenüber hineinzuversetzen. Frag dich, ob du es hören wollen würdest, was du sagen möchtest. Ob es wirklich angebracht ist. Ob es hilfreich ist. Ob es tröstet, aufmuntert.
Annette: Du hattest eine einseitige Mastektomie und hast einen Wiederaufbau mit Eigenfett machen lassen. Ich habe Fotos von dir mit nacktem Oberkörper und im BH gesehen. Du zeigst dich verletzlich. Konntest du dich und deinen von der Krankheit gezeichneten – und dennoch wunderschönen Körper von Anfang an so unbefangen zeigen?
Matea: Ganz klar „Nein!”. Das kam erst mit der Zeit und durch viel Arbeit. Mit und an mir, mit Hilfe von Therapie.
Aber auch schon vor der Krankheit war mein Körper ein Riesenthema für mich. Denn weißt du, ich wurde aufgrund meines Äußeren gemobbt. Aufs Übelste. Über vier Jahre lang. Einfach nur, weil ich sehr schlank war. So schlank, dass meine Mitschüler das Gerücht in die Welt setzten, ich würde mir den Finger in den Hals stecken. Warum? Weil sie neidisch waren. Unzufrieden. Das weiß ich jetzt. Aber damals? Damals hat es mich einfach zerstört. In einem Alter in welchem man eh verletzlich ist. In einer Zeit, wo sich der eigene Körper verändert. Einer Zeit, in der man sich findet, einfach nur dazugehören möchte.
In dieser Zeit spuckte eine Stimme in meinem Kopf. Die ar irgendwann so laut, dass ich ihr Glauben schenkte. Bei jedem Blick in den Spiegel, bei jedem Kleidungsstück. Ich fing an, mich und mein Aussehen zu hassen. Mich weniger wert zu fühlen. Weniger weiblich, feminin. Und das zog sich durch. Bis ins Erwachsenenalter. Bis Anfang 20. Ungesunde Beziehungen trugen einen weiteren Teil zu diesem Bild bei. Diesem verschobenen Bild. Dieser unklaren Sicht. Dem Vergleichen. Dem Runtermachen.
Mitte 20 kam dann ein kleiner Wendepunkt für mich. Denn ich lernte jemanden kennen. Und dieser jemand nahm mir diese Brille. Tauscht sie gegen eine strahlende aus. Die Begegnung war kurz, aber so bedeutend für mich.
Und gerade, als der Wandel began, als ich anfing, mich in meinem Körper zu fühlen, mich wohlzufühlen, kam der Krebs! Zerstörte, was ich mir so aufwendig aufgebaut hatte. Ließ es in sich zusammenfallen. Und ich war wieder bei Null. Zurück auf Anfang.
Doch war es erträglich. So erträglich es eben sein konnte. Niemand hatte damit gerechnet, dass es so kommen würde. Dass “Option Z” Realität werden würde. Dass sie jemals so im Raum stehen würde. Dass sie essenziel war. Denn ich hatte gewonnen. Chemo geschafft und neue Brüste. Und doch wurde sie Realität: die Mastektomie.
Ich habe mich nie über meinen Körper, meine Äußerlichkeiten definiert. Sie waren nicht alles an mir. Haben mich nicht ausgemacht. Und doch war der Verlust meiner Brüste so groß. So schwer. So tief. Denn es hatte niemand damit gerechnet. Und niemand konnte mich darauf vorbereiten. Niemand konnte mir die Ungewissheit, die Angst, das mulmige Gefühl nehmen.
Wie bereitest du dich darauf vor, dass dir ein Körperteil fehlen wird? Dass diese Krankheit dir etwas nimmt? Äußerlich. Gar nicht….
Die Zeit bis zur besagten OP war ich einfach taub, gefühlslos. Ich wusste weder was ich tun, sagen oder gar fühlen sollte. Oder denken. Und dann war er da: Der Tag. Und erst in dem Moment, als die Schwester ins Zimmer kam und mir sagte, ich könne mich umziehen, schlug die Bombe ein. Es wurde Realität. Klar. Mir wurde bewusst, was gleich passieren würde, was gleich gemacht werden würde. Das wenn ich das nächste Mal aufwachen würde , ich nicht mehr ich sein würde.
In diesem Moment hatte ich meinen ersten mental Breakdown. Und, als wäre das nicht genug, kam noch eine Panikattacke dazu. Tränen fluteten meine Augen und hörten nicht auf. Nicht einmal, als wir in der Röhre vor dem OP waren. Sie würden wiederkommen. Spätestens als ich meine Familienmitglieder der Reihe nach per Videocall anrief. Ihre Gesichter, das Mitgefühl, die Trauer hauten mich immer wieder um. Tränen begleiteten mich in dieser Nacht in den Schlaf.
Am nächsten Tag kamen eine Schwester und eine Psychologin zur Abnahme des Verbands. Und mit meiner Reaktion rechnete keiner. Denn… Es war ok. Es war okay für mich. Ich hatte es hingenommen und akzeptiert. Abgehakt und weiter.
Wer´s glaubt… Denn glauben konnte und wollte mir das auch keiner. Doch stimmte es. So glaubte ich zumindest. Denn auch, wenn es okay war, holte mich die Realität oft genug ein. Bei jedem Blick in den Spiegel, nach jeder Dusche, bei jedem Anziehen. Man sah es. Ich sah es. Die Narben. Was ich verloren hatte. Was mir der Krebs genommen hatte. Was ich hatte aufgeben müssen. Welches Opfer ich erbracht hatte.
Um dem Ganzen die Härte zu nehmen, mir etwas Gutes zu tun schleppte mich meine beste Freundin zu einem Shooting. Aber nicht irgendeins. Zu einem Aktshooting! Daraus entstand unter anderem das „Engelsfoto“. Dieses Shooting war wie Therapie. Es half. Es heilt. Zwar minimal. Aber es erfüllte seinen Zweck. Gestärkt fuhr ich danach in die Reha.
Ein weiterer Wendepunkt. Nur wusste ich das natürlich nicht. Noch nicht. Natürlich ließ der Wendepunkt nicht lange auf sich warten. Nach meiner ersten Therapiestunde saß ich auf dem kleinen Balkon meines Zimmers. Musik dröhnte durch meine Kopfhörer. Und plötzlich übermannte es mich. Wie eine riesige Welle. Alles, was sich bis zu diesem Moment, diesem Augenblick, angestaut hatte. Alles, was mein Kopf zum Schutz versteckt hatte. Alles, was er irgendwo weggesperrt hatte. ALLES.
Zum ersten Mal machte es “Klick”. Und ich realisierte es. Was mir passiert war, was ich durchgemacht hatte. Die Ruhe vor dem Sturm. Und dieser Sturm wütete ohne Ende. Ich sank auf den kalten Betonboden und rief meinen Bruder an. Rückblickend war dieser Moment so konfus. Denn er war im Urlaub. Am anderen Ende der Leitung blühte das Leben, die Normalität, während ich einen Mental Breakdown irgendwo im Nirgendwo hatte. Als seine Stimme durch den Hörer drang brachte ich nur fünf Worte raus „Ich mag meinen Körper nicht.“.Wie eine kaputte Schallplatte wiederholte ich diese Worte. Immer und immer wieder. Wiegte mich dabei vor und zurück. Am anderen Ende wurde es ruhig. Seine folgenden Worte fluteten mich mit Ruhe. „Natürlich nicht Matea…. Wie denn auch? Nach allem. Das ist normal und okay.“
Auch wenn der Sturm noch wütete, so wurde er mit jedem Moment leiser. Ich bekam wieder Luft und die Tränen versiegten. Mein Bruder übernahm den Sprecherteil und es half. Irgendwann legten wir auf. Und ich schlief ein.
Nach der Reha begann ich mit regelmäßiger Therapie. Und sie war meine Rettung. Sie ist mein absoluter Safe Space. Hier kann ich ich sein. Matea, die Brustkrebs bekommen hat. Die durch die Hölle gegangen ist. Die ihr Leben wieder möchte. Doch um das wiederzubekommen, muss ich verarbeiten. Muss ich heilen. Und das bedeute,t mich meinen Traumata zu stellen. Alles aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Und die Therapie ist eine solch große Unterstützung. Insgesamt einfach. Mit Cancerella klarzukommen. Mit ihr zu leben. Sie zu akzeptieren. Aber nicht nur das zu sein. Sie hat mir geholfen mein Selbstbild zu verbessern.
Doch war sie nur ein kleiner Step in diesem Bereich. Der absolute Wendepunkt kam mit dem Wiederaufbau. Ein Geschenk. Einer der schönsten Tage in meinem Leben. Er war der Startschuss. Und der Abschluss. Denn vor zwei Jahren sollte er das schon sein. Meine damaligen Boobs sollten das “Kapitel Krebs” besiegeln. Und hier war es nicht anders. Klar wird es immer ein Teil von mir sein. Und nie wirklich vorbei sein allein wegen Untersuchungen und so, aber das Größte ist gemeistert.
Niemand hätte mich darauf vorbereiten können, wie sehr und wie viel er mir bedeuten würde. DIESER MOMENT. Als ich endlich nach drei Tagen Bettruhe mit einer Schwester ins Bad ging. Sie mir das Hemdchen auszog und ich es sah. Mich sah. Meinen Körper. Meine Brüste. Und sie waren real. Sie waren echt. Ich war wieder komplett.
Dieser Moment machte mir eines bewusst. Für diesen Moment hat es sich gelohnt. Dafür habe ich gekämpft. Dafür bin ich durch die Hölle gegangen. Für diesen Anblick. Er war mein Geschenk. Mein Gewinn.
Die geschriebenen Worte reichen nicht aus, um es ansatzweise zu beschreiben. Zu greifen, zu fassen was das alles mit mir gemacht hat. Was es an Bedeutung für mich hat.
Was ich aber sagen kann, ist das: Auch, wenn ich noch lange nicht angekommen bin. Geheilt, alles aufgearbeitet habe. Auch, wenn der Weg noch lang ist und es nicht immer easy wird. ABER.. Ich fühle mich endlich wieder wohl in meinem Körper. Ich fühle mich endlich wieder weiblich, feminin gar sexy. Ich erlebe und lebe mich und meinen Körper ganz anders. Ich zelebriere es. Ich zeige mich mehr. Traue mich in Sachen Klamotten viel mehr. Und das kann mir keiner nehmen.
Und das gilt auch für euch. Keiner steckt in eurer Haut. Keiner steckt in eurem Körper. Niemand kann das beurteilen. Nur ihr. With or without Boobs you are beautiful. You are feminin, sexy. Egal wofür ihr euch entscheidet, boobs, keine boobs, Eigenfett, Implantate. Your body, your choice. Lasst euch nicht reinreden, vergleicht nicht. Holt euch, wenn es sein muss sechs Meinungen.
Am Ende müsst ihr glücklich sein.
Annette: Neben deinen Fotos findet man auf deinem Account auch immer wieder Tanzvideos. Die find ich toll. Und überhaupt bewundere ich dich für deinen Mut. Sicherlich bist du für viele Frauen eine Inspiration in Sachen „Selbstliebe“. Hattest du Unterstützung in Form von Therapie, Eltern, Geschwistern oder bist du einfach von innen heraus so eine „coole Socke“?
Matea: Ich glaube nicht, dass man direkt als “coole Socke” geboren wird. Nicht jede*r kommt auf die Welt und hat ein Bomben-Selbstbewusstsein, hat die Selbstliebe und Akzeptanz mit der Muttermilch bekommen. Wie vieles im Leben ist das ein Prozess. Es muss wachsen. Wie eine Pflanze. Man muss sich drum kümmern, es braucht Wärme, Zeit, Liebe, Fürsorge.Hegen und pflegen. Schützen vor Parasiten, schlechten Bedingungen.
Ich habe in einem Interview einen passenden Satz diesbezüglich gehört:
„Wenn eine Pflanze verwelkt, machst du sie oder das Umfeld verantwortlich? Änderst du etwas an der Pflanze oder den Bedingungen?”
Und so verrückt es klingt, so suspekt, habe ich Cancerella und meinem Schlaganfall viel zu verdanken. Ich habe stetig gelernt, bin gewachsen und stärker geworden.
Es gibt ein „Saying“ was es ganz gut zusammenfasst.
„You are braver than you believe, stronger than you seem and smarter than you think.“ (Du bist mutiger als du glaubst, stärker als du scheinst und schlauer als du denkst.”)
Oft genug stand ich am Abgrund. Konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Hatte das Gefühl zu ertrinken. Lawinen an Gedanken, Gefühlen und Emotionen schlugen auf mich mehr als einmal ein. Begruben mich. Ich habe mich gefragt, wie ich das schaffen soll. Ob ich es kann. Ob ich überleben würde. Zwischen Aufgeben und Weitermachen war es ein sehr schmaler Grat. Angst, Überforderung, Hilflosigkeit, Trauer waren stets meine Begleiter. Jeden Tag, mehrmals in der Woche schien es einfach unmöglich. Und genau in diesen Momenten ist es passiert. Diese Momente waren es, welche mich wieder haben aufstehen lassen. In denen ich meine Boxhandschuhe ausgegraben habe, mich berappelt habe und gesagt habe „Ready, Set, FIGHT“. Denn nichts ist unmöglich. Ich sage nicht, dass es einfach ist. Dass es einfach war. Aber man hat immer eine Wahl! “You have the chace for change. Dass dies nicht von einem auf den anderen Tag geht, ist klar. Es braucht Zeit. Es braucht Niederschläge, die dunkeln, negativen Phasen. Es ist eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen.
Wichtig ist, dass man diese zulässt. Denn es ist okay. „It is okay not to be okay“. Man muss nicht immer stark sein, gute Miene zum bösen Spiel machen. Man muss nicht immer alles schlucken. Mit allem einverstanden sein. Es einfach über sich ergehen lassen. Man darf es hassen, weinen, scheiße finden, schreien, die Welt und sich verfluchen, fragen wieso.. Alles und so viel mehr. Denn es ist unser gutes Recht!
Und ganz wichtig…. Seien wir mal wirklich ehrlich. Wenn man solch eine Krankheit erhält, sie bekämpft, ist das eine zweite Chance. Auf sich, für sich, aufs Leben.
Am Ende des Tages kommt es nicht auf die anderen an, sondern auf dich! Am Ende des Tages musste du selbst glücklich und zufrieden sein. Du musst es niemanden Recht machen, niemanden beeindrucken, niemandem beweisen. Es geht allein um dich.
Du bestimmst. Du gibst den Ton an. Du entscheidest das Tempo. Nur du selbst weißt, was du brauchst, was dir gut tut und was du willst. Deine Gesundheit, dein Ziel. Und das sind zwei Dinge, die du nicht wiederbekommst.
Vieles im Leben ist vergänglich. Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit dem, was war und was sein wird. Leb im Hier und Jetzt! Genieß jeden Moment! Trag das Kleid, die Schuhe! Gönn dir den Kuchen, die Tasche! Fülle dein Leben mit Good Vibes, Happiness, Love, Laughter! Momenten und Erlebnissen. Weniger denken MEHR machen.
Denn wer hält dich ab? Was hindert dich? Nichts! Das Leben ist schon ernst genug, wir müssen es nicht noch ernster machen oder nehmen. Eine Prise Charme, Humor, Witz kann nie schaden.
Wir alle sind Kunst, gezeichnet vom Leben. Wir alle haben Ecken und Kanten, doch am Ende des Tages sind wir ziemlich bombe. Wir alle sind bunt, diverse, unique. Nicht von der Stange!
Macht, was euch glücklich macht. Was sich gut und richtig anfühlt. Es ist kein Gruppenprojekt. Es ist egal, was andere von und über euch denken. Wie sie euch sehen. Denn es geht nur um eine Person. Dich. Wir wurden nicht auf diese Erde gesetzt, um anderen zu gefallen. Vielleicht sogar mehr zu gefallen als uns selbst.
Wir haben nur dieses eine Leben. Nur eine Chance. Wir müssen davon wegkommen, dass wir unendlich viel Zeit haben. Dass wir aufschieben und verschieben können. Dass uns sowas nie passiert. Krebs ist es egal wer ihr seid, wo ihr herkommt, wie alt ihr seid. Er macht keinen Halt. Vor niemandem. Aber auch ohne Krankheit. Es ist euer Leben. Ihr entscheidet. Lebt. Genießt es. Füllt es mit Momenten, Dingen, Erlebnissen. Verbringt es mit Menschen, die euch gut tun.Die euch pushen, supporten. Euch Energie geben als sie zu klauen.
Lebt es ein wenig mehr so als wäre morgen euer letzter Tag. Gönnt euch. Lebt, sodass ihr später darauf zurückblicken könnt und nichts bereut. Denn nochmal können wir es nicht machen. Lieber ein kurzes, aber geiles und intensives Leben als ein voller „Hätte hätte hätte „.
Wenn euch nach etwas ist, dann holt es euch! Macht. Ihr müsst euch nicht schlecht fühlen, rechtfertigen oder zurückhalten. Seid wie ihr seid. Denn so seid ihr perfekt. Ihr müsste es nur euch recht machen, euch glücklich. Wie das aussieht, was es ist, who knows. Findet es raus. Es muss nur für euch Sinn ergeben. Kopf aus, Herz an. Das Leben ist zu kurz. Hört auf euch, euer Bauchgefühl und euer Herz.
You are a queen period.”
Annette: Ich war während meiner Akuttherapiezeit raus aus meinem Job als Grundschullehrerin. Du hast neben deiner Akuttherapie noch deine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Wow! Woher hattest du die Kraft und Motivation für Präsentationen, Lernen und Co.?
Matea: Der Tag der Diagnose war auch der Tag, an dem andere Entscheidungen folgten. Auch wenn noch nicht ganz klar war, wie meine Therapie, die akute Phase aussehen würde, doch stand eine Chemo im Raum. Und mit ihr der Entschluss. Niemand musste es aussprechen.. Es war klar. Ich würde so oder so aufhören müssen, zu arbeiten.
Und diese Erkenntnis, diese Realität brach mir erneut das Herz. Ich liebte meinen Job. Am nächsten Tag stand die nächste Hürde an. Mich verabschieden. Meinem Team. Den Kids. Ich liebte es. Meinen Job. Die Arbeit mit den kleinen Monstern. Sie bedeuteten mir die Welt. Und so viel mehr.
Der Weg zu meiner Einrichtung fühlte sich wie der letzte an. Meine Chefin hatte ich von dem Termin erzählt, doch wusste sie noch nichts von der Bombe. Lange stand ich an der Tür zu unserem Garten. Beobachtete die Kinder, meine Kolleginnen, meine Chefin. Das letzte Mal. Dies schwebte mir unter anderem im Kopf. Dass all das, all diese Momente, die Begegnungen das letzte Mal sein könnten. Denn wer garantierte mir, dass ich nächstes Jahr noch da sein würde? Dass ich wieder arbeiten könnte? Dass ich all diese Menschen wiedersehen würde. Meine Chefin hatte mich entdeckt und kam auf mich zu. Wir gingen ins Büro und ich überbrachte die Botschaft. Zu sehen wie nah es ihr ging, was es mit ihr machte, dass sie dieselbe Reaktion wie meine Familie hatte, zebrach mich erneut. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht. Einfach “Nein!” Lange lagen wir uns in den Armen, stillschweigend. Tröstend und doch so schwer.
Sie brach das Schweigen, indem sie mir sagte, dass sie, das Team und der Vorstand hinter mir stehen würden. Sie würde mit allen sprechen. Und von diesem Moment an sollte ich den Ton angeben. Was immer ich benötigte, was immer ich brauchte, sie würde es tun. Für mich. Ihr war es wichtig, dass ich mich auf meine Genesung fokussieren könne. Und alles Weitere würde uns kümmern, wenn es an der Zeit war. Es hatte mich sprachlos gemacht. Und so glücklich. Ich hatte ihren Support, ihre Unterstützung. Meinem Team würde ich später reinen Wein einschenken, bei der wöchentlichen Teamsitzung. Da ein Mitglied des Vorstands dabei sein würde, hätten wir zwei Fliegen geschlagen. Doch einfacher wurde es dadurch nicht. Stille, sprachlose Gesichter. Ich mein was hatte ich gedacht? Dass sie sich freuen? Freudentänze?. Wir einigten uns, dass ich am Montag die Kinder verabschieden würde. Und der kam schneller als mir lieb war.
Montag hatte mir den Rest gegeben. Denn heute würde ich meinen Abschied im Kindergarten feiern. Heute würde ich ein letztes Mal die Kinder sehen, sie in die Arme schließen, mit ihnen lachen, rumalbern, spielen. Zeit mit ihnen verbringen.
Die Kinder um mich zu haben, ein letztes Mal, das war, als würde man mir das Herz rausreißen. Mit meinen Kolleginnen, meiner Chefin hatte ich mich darauf geeinigt, es ihnen nicht zu sagen. Wie sollte man es Kindern auch anders erklären? Sie konnte die Wahrheit nicht greifen. Es verstehen. Die perfekte Lösung sah anders aus, aber lügen war nicht so schlimm wie die Wahrheit. Sowas konnte man nicht bringen. Die meisten waren noch zu jung, um überhaupt zu begreifen, was Krebs bedeutete. Für sie war es ein Tier. So sollte es auch bleiben. Die Einzigen, die Bescheid wussten, waren das Team und der Vorstand. Allen anderen würden wir sagen, dass ich krankheitstechnisch länger ausfallen würde. So auch den Kindern. Es zerfetzte mich. Ich hatte ihnen erklärt, dass ich jetzt länger nicht kommen würde, weil ich krank war. Doch würde ich so schnell wie möglich wiederkommen. So schwer es für mich war, einfacher für meine Kolleginnen war es nicht wirklich. Sie versuchten so gut es ging das Gesicht zu wahren, doch ich konnte es ihnen ansehen. Und umgekehrt genauso. Würde ich wiederkommen? Würden die Kids mich noch erkennen? Würde ich es schaffen? Bei einer letzten Gruppenumarmung mit allen heulte ich zum gefühlt millionsten Mal.
Einer von vielen schweren Abschied auf dieser Reise. Doch war es kein Abschied für immer. Auch wenn dies zu diesem Zeitpunkt noch keiner wusste. Keiner hätte mit einem Erfolg gerechnet, mit dieser guten Nachricht. Nach der erfolgreichen Chemo saß ich nun bei meiner Frauenärztin. Um meine Wiedereingliederung zu planen! Es war wie Geburtstag zu haben. Ich konnte zurück. Ich durfte zurück. Ich würde wieder arbeiten. Umgeben von den Kids.
Im Januar hatte ich begonnen, wieder am Onlineunterricht teilzunehmen. Und auch das war ein Geschenk. Durch Corona, den Lockdown, war kein Präsenzunterricht mehr gefragt. Was für mich von Vorteil war. Auch hier hatte ich an dem Freitag nach meiner Diagnose ein Gespräch mit meiner Schulleiterin gehabt. Und auch hier hatte ich Unterstützung und Support erhalten. Somit war die Freude nicht nur auf meiner Seite groß. Die Dozent*innen, meine Mitschüler*innen freuten sich mit mir. Sie halfen mir, wo immer ich sie brauchte. Schrieben für mich mit, hielten mich auf dem Laufenden. Trugen mich mit.
Es schien nicht viel, nicht bedeutend. Doch wenn du krank bist, feierst du jeden Tag, jeden Erfolg. Jeden Funken an “Normal”, den du bekommst. Saugst ihn auf. Und wieder zu arbeiten, egal wie wenig es auch schien, mich mit meiner Klasse auf den Abschluss zu bewegen, waren Gold wert. Erfüllten mich. Liesen mich vergessen was bei mir abging. Dass ich krank war. Für einen klitzekleinen Moment. Es gab mir Energie, Hoffnung, Mut. Zuversicht. Einen Ausweg. Ein Licht. Eine Aufgabe. Ein Ziel. Und das hieß meine Ausbildung abzuschließen. Also lernte ich, ackerte. Schrieb Karteikarten, Projektarbeiten, Tests. Während meiner Strahlentherapie schrieb ich meine Abschlussklausuren. Saß in den Wartezimmern und lernte, wiederholte. Rückblickend frage ich mich wie ich das gepackt habe. Erst in die Schule zu fahren und von dort zur Therapie.
Es machte sich bezahlt. Ich bestand alle drei Klausuren mit erstaunlich guten Noten. Und auch auf der Arbeit lief es. Ich hatte wieder eine Aufgabe, etwas zu tun. Wurde nicht verrückt, stagnierte nicht. Auch wenn ich vor der Bestrahlung meine Masektomie gehabt hatte. So lenkte es mich ab. So konnten meine Gedanken sich nicht selbständig machen. Zumindest für den halben Tag. Mit der Zeit kam die Routine wieder. Ein Alltag, ein mir bekannter Ablauf. Und mit schnellen Schritten der Sommer. Und mit ihm mein Abschluss. Inoffiziell zumindest. Denn mir fehlte ein Teil der Praxisstunden. Doch ging ich trotzdem hin. Wollte es mit meinen Mitschüler*innen zelebrieren, wollte sie feiern.
Als alle ihre Zeugnisse erhalten hatten, wurde es kurz still und unsere Schulleitung ergriff das Wort. Und bei meinem Namen schaute ich auf. Meine Mitschüler*innen klatschten, brüllten und ich wurde nach vorne gerufen. Ich wurde für meinen Kampf gefeiert, für meine Leistungen. Für meine Mühen. Für die bestandenen Klausuren. Sechs Monate später, im Dezember war es so weit. Ich hatte die fehlenden Praxisstunden voll, mein Abschlussprojekt durchgeführt, die Arbeit dazu abgegeben. Und stand nun vor meiner mündlichen Prüfung. Der Moment auf welchen ich hin gefiebert hatte. Mich vorbereitet. Und nach zwanzig Minuten und einer Fragerunde von den Dozenten war es geschafft. Ich hielt mein Zeugnis in der Hand. Ich war fertig. Mit den Nerven, mit meinen Kräften. Aber auch meiner Ausbildung. Ich war Erzieherin. Innerlich zeigte ich Krebs den Finger. „Nimm das! Schau her! Suck it! Ha ha ha!”
Kaum war ich aus dem Raum raus, vollführte ich den größten Freudentanz der Geschichte. Carmen, eine meiner ehemaligen Mitschülerinnen freute sich mit mir. Sie hatte mir geholfen. Beim Lernen, beim Büffeln. Ich hatte ihr wie oft meinen Vortrag vorgefaselt. Sie bekloppt gemacht. Dank ihr, ihrer Hilfe stand bzw. tanzte ich nun hier. Und dafür bin ich ihr auf ewig dankbar. Nachdem wir uns beruhigt hatten, setzten wir uns in die Sonne. Ich rief jeden an und schrie die freudige Botschaft durch den Hörer. In der Zeit hatte Carmen meinen Schnitt errechnet. Als ich die Zahl sah fiel ich fast von der Treppenstufe. 1.9!!!! Erneut kamen die Tränen und mit ihnen so vieles Mehr. Erleichterung, Freude, Stolz. So viel Stolz. Ich hatte es gepackt, geschafft. Hatte es Krebs gezeigt, ihm bewiesen.
Liebe Matea, am Ende eines wundervollen Interviews bitte ich dich noch – ganz spontan – ein paar Sätze zu vervollständigen:
Matea:
Der Krebs hat mir viel genommen, aber niemals… mein Lächeln, meine Stärke, meine Feminität, meine Art
Ich bin nicht das, was mir passiert ist, sondern… so viel mehr. Nicht Krebs definiert mich sondern ich
Mein Leben nach Krebs ist nicht wie früher, aber …. das war auch nie das Ziel
Wenn ich die Uhr ein paar Jahre zurückdrehen könnte, dann… würde ich nicht wirklich etwas ändern. Denn alles passiert aus einem Grund. Und nicht immer verstehen wir die Gründe. Es sollte so kommen. Natürlich wäre es mir lieber ohne. Natürlich hätte ich mir einen anderen Weg gewünscht. Hätte mir gewünscht, manche Therapien, Erlebnisse und Trauma nicht erfahren zu müssen. Doch am Ende des Tages ist es passiert. Wir bzw. ich kann nichts daran ändern. Ich kann aber das Beste daraus machen.
Annette: Liebe Matea, ich bin nach diesem krass-tiefgründigen und so offenen Interview sprachlos. Da muss sich ganz viel erstmal setzen. Ich danke dir für deine Offenheit und zolle dir meinen vollsten Respekt. Ich wünsche dir von ganzem Herzen alles, alles Gute für deinen weiteren Lebensweg. Rock it!
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