Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 11.04. BIS 27.04.2020 – Wiedereingewöhnung zuhause

Es war jetzt längere Zeit ziemlich ruhig hier. Das lag zum einen daran, dass ich mich erstmal wieder dran gewöhnen musste, wie sich das Leben außerhalb der Klinik anfühlt. Zum anderen waren da ja auch noch die anderen Dinge, die man sonst so macht, wenn man ein „richtiges“ Leben führt. Liegengebliebene Post sichten, checken, ob noch Aufträge aus dem Shop zu bearbeiten sind oder eben einfach Zeit mit der Familie verbringen. Ich versuche jetzt hier mal aufzudröseln, was ich in den letzten 16 Tagen so erlebt, ausprobiert und zustande gebracht habe:

11.04.2020: Ich war heute shoppen. Aber nicht für mich. Ich hab es ja schon ein paar mal hier im Blog angedroht, aber ich halte mich halt auch an die Versprechen, die ich mache. Und mein Versprechen war, anderen zu helfen, wenn und wo ich kann. Meine erste Hilfestellung bzw. Unterstützung geht an den 3-jährigen Milan. Er ist noch so jung, hat aber selbst schon den Kampf gegen den Krebs aufgenommen und schlägt sich tapfer gegen einen Hirntumor. Seinen Vater kenne ich über das Autoforum, in dem ich schon lange Mitglied bin. Er verriet mir, dass Milan HotWheels-Autos sammelt, am liebsten US-Cars. Damit rannte er bei mir natürlich offene Türen ein. Somit war es eine der ersten Erledigungen, die ich absolvierte. Im örtlichen Supermarkt habe ich dem kleinen ein Potpourri aus US-Cars zusammengestellt und per Post geschickt. Natürlich musste ein Modell mit Farbwechselfunktion dabei sein. Die habe ich damals schon geliebt! Die finanziellen Mittel daraus möchte ich mit meinen Projekten GPH Performance und Matchbox your Car generieren. Seit Anfang April gehen Teile der Umsätze direkt in einen Topf für wohltätige Zwecke. Im Schnitt sind das zwischen 25 und 33 % des Gewinns. Aber auch Unterstützungen Außenstehender helfen. Du möchtest unterstützen? Dafür habe ich den Menüpunkt „Unterstützen“ eingerichtet. Hier kannst du einen beliebigen Beitrag spenden, den ich dann für solche Projekte einsetze.

Auch auf diesem Wege möchte ich dir, kleiner Milan, alles Gute wünschen und dich bitten, dass du bitte genauso tapfer weitermachst, wie bislang! Du schaffst das!

Abends werfe ich dann noch den Grill an und danach zünden wir im Feuerkorb noch unser eigenes kleines Osterfeuer an. Ich habe das Gefühl, dass die Kinder etwas bescheidener geworden sind. Lara und Maxima haben gestern beim Osterfeuer gesagt, sie freuen sich auf Ostern, weil wir da alle zusammen sein können.

12.04.2020: Es ist Ostersonntag. Wie lange habe ich diesem Fest gemeinsam mit meiner Family entgegengefiebert. Morgens ging es los in den Garten. Denn zuhause hat der Osterhase irgendwie nichts fallen gelassen. Dort angekommen, machten sich die Mädels direkt auf die Suche – und wurden auch schnell fündig. Neben diverser Süßigkeiten fanden sie auch kleinere Spielsachen (Schleich-Pferde, ein bisschen Playmobil usw.). Wir genießen den Feiertag, dennoch sind meine Gedanken auch bei all denen, die in diesen Zeiten die Feiertage auf Krankenstationen ohne Besuch verbringen müssen.

Vom 13.04. bis 15.04.2020 passiert nicht viel nennenswertes. Erst am 16.04.2020 komme ich wieder etwas in Fahrt. Im Moment läuft mein Hirn wieder im Grafikmodus. Ich habe mir selbst 3 Shirts entworfen, mit denen ich die Zeit für mich noch etwas mehr verarbeite. Aber auch satirische und ironische Ideen kommen mir. Wie z. B. ein sensationelles neues Showkonzept.

Hier die Kurzfassung:

5 Frauen, die sich bislang nicht kennen, werden zusammengewürfelt. Dann dürfen sie sich gegenseitig fertig machen. So ein bisschen wie bei der Comedy Roast Show. Am Ende bewerten die Frauen sich gegenseitig. Zusätzlich bekommen sie Punkte von einem berühmten Pöbler, Felix Lobrecht oder Serdar Somuncu oder Oliver Pocher. Die Gewinnerin bekommt 500,- €. Ein Logo habe ich auch schon entworfen. Als ausstrahlenden Sender könnte ich mir Vox gut vorstellen.

Der 17.04.2020 ist ein Tag im Zeichen der Auszeit. Heute passiert nix, was hier im Blog erwähnen finden muss.

Am 18.04.2020 genießen wir erneut das schöne Wetter im Garten. Zusammen mit meiner jüngsten Tochter Lara bestreiten wir den Weg in dort hin per Zweirad (knapp 2-4 km je nach Route). Ich nennen Lara liebevoll meine „Bewegungshelferin“. Good thing: Ich merke, wie die Kondition langsam zurückkommt. Ich bin nicht mehr klatschnass geschwitzt, wenn ich ankomme und zwischendurch waren auch mal kleine Sprints gegen Lara und ein paar kleinere Sprünge drin. Noch vor 3, 4 Wochen wären zumindest die Sprints undenkbar gewesen. Aber auch die Sprünge haben extrem Kraft gekostet. Langsam legt sich das alles.

Im Garten angekommen arbeiten wir unser Standardprogramm ab. Ein wenig Sonne tanken, obwohl ich da noch sehr aufpassen muss. Meine Haut ist noch sehr sonnenempfindlich und ich habe auch eine leichte Sonnenallergie ausgebildet. Aber auch der Genuss kommt nicht zu kurz. Wir machen uns den Tag und das Gartenleben mit Keksen und Eiskaffee schön. Abends essen wir auch im Garten. Es gibt natürlich leckeres vom Grill. Wir haben pulled Pork, Spieße und Feta, Champignons, Tomaten und Paprika in Alufolie gegrillt.

Der 19.04.2020 steht auch noch einmal im Zeichen der sportlichen Aktivität. Wir fahren mit dem Auto an den Rande Hamburgs und düsen mit unseren Rollern bzw. Inlineskates durch das Naturschutzgebiet am Höltigbaum. Insgesamt fast 8 km spulen wir auf dem Hin- und Rückweg ab. Da kann man danach auch schon mal ein Nickerchen in der Sonne halten. Dafür geht es wieder in den Garten. Leider muss ich mich dafür komplett vermummen, denn meine Haut, speziell im Gesicht, ist immer noch extrem lichtempfindlich zur Zeit. Aber das werde ich auch schon noch los. Ich bin nicht umsonst Hodgkins Endboss. Da lass ich mich von ein paar Hautproblemchen doch nicht ins Bockshorn jagen. Das Shirt ist übrigens eins der 3 Shirts, die ich mir gemacht habe. 🙂

Danach geht es für mich wieder an den Grill, dann nach Hause und mit den Mädels noch etwas auf Disney+ schauen.

Am 20.04. und 21.04. ist auch wieder eher Dienst nach Vorschrift angesagt. Alex schrubbt ihre Stunden im Home Office ab, ich helfe den Kids beim Home schooling.

Am 22.04.2020 habe ich meinen ersten Nachsorgetermin bei meiner Onkologin. Ich berichte ihr, dass ich momentan echt trockene Haut habe und sich in den letzten Tagen auch ziemlicher Juckreiz eingestellt hat. Sie rät mir, das zu beobachten. Sie geht zwar nicht davon aus, aber es sind halt auch typische B-Symptome des Lymphknotenkrebses. Sie ist nach wie vor zuversichtlich, dass wir alles ausgemerzt haben. Sollte ich dennoch irgendwo einen Lymphknoten tasten können, so solle ich mich melden, dann würden wir den schallen und überprüfen.

23.04.2020: Wenn der Postmann einmal klingelt, dann hat er 3 tolle Sachen dabei. Beim letzten Einkauf am Dorfplatz haben die Mädels ein paar Skateboarder gesehen und den Wunsch geäußert, das auch mal ausprobieren zu wollen. Das kam mir natürlich komplett zupass, immerhin war ich doch als Jugendlicher auch Skateboarder. Nicht weil ich es unbedingt cooler fand als Inlineskating, ich war schlichtweg zu blöd mit an den Füßen festgeschnallter Rollschuhe zu überleben. Natürlich müssen wir die Teile direkt ausprobieren. Lara und Maxima schlagen sich für Anfänger hervorragend. Ich muss leider feststellen, dass mein Gleichgewichtssinn ungefähr im gleichen Umfang noch vorhanden ist, wie meine Kopfbehaarung. Also ca. 1mm. 😀

Abends muss ich noch tanken, bei einem Dieselpreis unter 1,- € pro Liter. Das ist schon so billig, dass ich mir überlege, Super+ in den 2.5 TDI zu tanken. Ich verwerfe den Gedanken aber wieder. Schlechte Erinnerungen kommen hoch.

Freitag, der 24.04.2020: Morgens habe ich eine schöne Nachricht in meinem Dingsdagram-Postfach. Der Hersteller meines Mountainbikes wirbt normalerweise mit dem Slogan „Live uncaged“, also lebe ungezähmt (frei übersetzt). In Zeiten der Corona-Pandemie ermutigt er uns aber auch, zuhause zu bleiben. Hierzu wurde das „un“ im Slogan kurzerhand gestrichen und die Follower auf Insta ermutigt, Bilder zu teilen, die den Hashtag #livecaged oder #livecagedforthemoment tragen. Dazu soll man sich Gegenstände suchen, mit denen man Käfiggitter imitieren kann. Viele Pro-Biker nehmen dafür Lenker, Federgabeln, der Chef des Unternehmens Hantelstangen. Ich habe mir zwei meiner Chemomedikamenten-Ständer genommen. Das liegt aber auch schon nahezu einen Monat her. Heute schrieb mir YT Industries dann, dass sie mir gern eines der limitierten „live caged“ shirts schicken möchten, wo es denn hinsolle und welche Größe ich mir am liebsten über den Bauch spannen möge.

Ansonsten üben wir fleißig weiter Skateboard fahren. Gegen Mittag recherchiere ich noch etwas, wo denn meine Krebserkrankung hergekommen sein könnte. Ich erfahre, dass oftmals das Epstein-Barr-Virus eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spiele. Das Epstein-Barr-Virus ist häufig der Auslöser für das Pfeiffer-Drüsenfieber oder auch Pfeiffersches Drüsenfieber. Hat man sich das Epstein-Barr-Virus eingefangen, ist das Risiko an Lymphknotenkrebs oder Leukämie zu erkranken etwa 3x höher als ohne das Virus. Das bewegte mich dazu, in mich zu gehen und zu überlegen, ob ich einmal Pfeiffersches Drüsenfieber hatte. Und tatsächlich. Im Oktober 2018 hatten Alex und ich im Center Parcs Urlaub plötzlich eine Mandelentzündung, Fieber und Schüttelfrost. Alles Symptome für das Pfeiffersche Drüsenfieber. Wir hielten es aber für eine normale Mandelentzündung mit schwerem Verlauf. Das werde ich bei meinem nächsten Gespräch mit der Onkologin mal besprechen.

Am Wochenende, 25.04. und 26.04.2020 genießen wir das Leben so gut es geht. Ich versuche ein wenig Flugrost von der Matchbox abzuschleifen, danach chillen wir im Garten. Der Nachtschweiß nimmt zwar ab, der Juckreiz dafür zu. Es gibt kaum eine Stelle an meinem Körper, der nicht juckt. Entweder sind es die Schienbeine oder die Waden oder die Kniekehlen oder die Oberschenkel, oder die Leisten oder die Hüfte oder der Bauch, die Rippengegend oder die Achseln. Lediglich der Kopf und Rücken geben bislang noch Ruhe. Und als hätte es meine Onkologin heraufbeschworen, habe ich am Samstag den Lymphknoten, oder das, was ich dafür halte im linken Arm über dem Ellenbogen tasten können. Nächsten Donnerstag wird er geschallt. Ich hoffe, dass dabei nichts rauskommt.

27.04.2020: Neue Woche, neues Glück. Wir holen die Hausaufgaben der Kids ab und machen dann im Garten Hausaufgaben. Die Ungewissheit rund um den Lymphknoten im Arm und der vermeintlichen B-Symptome kosten psychisch Kraft. Von 14:30 bis 17:45 schlafe ich daher. Ich bin gespannt, was am Donnerstag dabei rauskommt.

Jetzt teilen