Annette fragt… Anna Farris
Das bin ich jetzt?!
Krebs-Chemotherapie-Glatze. Dieser Dreiklang beherrschte nach der Diagnose mein Denken und meine innere Schallplatte raunte mir in Dauerschleife zu: „Ich werde eine Glatze bekommen.“ Alle werden sehen, dass ich Krebs habe.“ „Meine Goldschätze werden mich hässlich finden.“
Nach der ersten Chemo saß ich mehr mit Strohkopf als mit Wallemähne, aber immerhin noch mit Haaren, unterm Weihnachtsbaum. Ich freute mich, dass ich auf den Fotos noch “normal” aussah. Aber nach der zweiten Medikamentenladung, als ich mir die Haare büschelweise ausreißen konnte und überall im Haus Haarsträhnen verteilt, war dann der Zeitpunkt fürs Blankziehen gekommen…
Am Neujahrtstag 2021 rasierte mir der Göttergatte den Kopf kahl. Ja, ich vergoss ein paar Tränen. Ja, ich brauchte danach einen Moment für mich allein. Aber nein, als ich mein neues Ich im Spiegel sah, war das kein traumatischer Moment. Seltsam befreit schminkte ich mich, wählte ein Beanie, machte ein Selfie und lud „die Annette mit Krebs“ als Profilbild hoch in den sozialen Medien und auf WhatsApp hoch.
Die Glatze war für mich immer ein notwendiges Übel auf dem Weg zur Genesung. Sie störte mich nie. Mit meinen Beanies fühlte ich mich immer sehr wohl. Die Perücke blieb unangetastet im Schrank und liegt mittlerweile als Souvenir in meiner Krebs-Kiste.
Als meine Haare nach dem Therapieende wieder zu wachsen begannen, freute sich mein Umfeld. Ich allerdings reagierte verhalten. Obwohl ich äußerlich zu meinem alten gesunden Ich wurde, fühlte ich mich innerlich anders. Ich konnte mich noch nicht so ganz von meinem Glatzen-Aussehen trennen und wechselte von Bernies zu Caps.
Mir ging eine Frage nicht aus dem Kopf. Kann ich denn überhaupt noch ins Davor, in mein Leben vor dem Krebs, zurück? Nein! Ich bin für immer im Danach. Einem Danach, in dem sich zwar vieles dem Davor wieder annähert. Aber nichts wird je mehr dasselbe sein.
Ich habe körperlich und seelisch so viel gesehen, gefühlt und erlebt. Es gibt kein Zurück mehr, weder innerlich noch äußerlich.
Das zu akzeptieren, hat einige Friseurbesuche gedauert. Und auch wenn andere sagten: „Diese Frisur steht dir.“ „Diese Farbe ist optimal.“ wusste ich lange nicht, was ich von meinem Spiegelbild halten. Das war ich nun?
Ich hatte mich nicht frei entschieden, welchen Style ich mir geben wollte. Nein, ich musste mich einfach damit abfinden, was auf meinem Kopf passierte.
Seit dem letzten Friseurbesuch und vielen Gedanken über mich und mein Nachkrebs-Ich, erkenne ich mich wieder. Jetzt sind mein Äußeres und mein Inneres wieder im Einklang.
Das bin ich. Nicht wie früher. Nicht reloaded. Aber genauso fühlt sich „Annette 2.0“ wohl.