Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Doppelt hält besser

Als diese Zeichnung für mich gemacht wurde, ahnte ich nicht, dass ich sie eines Tages als Bild für meinen Blogbeitrag benutzen werde. Ich fotografierte sie ab, weil ich Schwierigkeiten hatte, Menschen, die mir nahe stehen, zu erklären, was gemacht werden musste, aber alles der Reihe nach.

Ich fragte mich früher immer, wenn ich hörte, jemand hatte die Diagnose Krebs bekommen, wie schafft sie oder er das. Wie erträgt man das? Jetzt weiß ich es. Man funktioniert. Ich funktionierte, machte was nötig war und keine allzu große Gedanken waren da. Es war für mich mehr das Gefühl, als würde ich jemandem zusehen, und das ganze würde nicht mich betreffen. Ich wusste schon, es betrifft mich, aber es hat mich kalt gelassen. Da waren keine Ängste oder Gedanken, ich würde das nicht schaffen. Keine Emotionen, die mich verrückt machen würden.

Ich wusste, es ist meine Haut, ich kann aus ihr nicht heraus und muss sehen, dass ich diese Dinge, die zu erledigen sind, auf die Reihe kriege. Ein Tag vor der OP zu Nuklearmedizin zwecks der Markierung der Lymphknoten kommen. Nüchtern. Gebongt. Viel zu früh da gewesen, gewartet, das Mittel in die Brust gespritzt bekommen (brennt ziemlich in den ersten Sekunden, ist jedoch halb so schlimm) und dann wieder drei Stunden gewartet.

In der Zwischenzeit war ich frühstücken und spazieren und dann wurden die Aufnahmen gemacht. Am nächsten Tag musste ich ziemlich zeitig im Krankenhaus sein, weil ich vor der OP noch zum Röntgen musste, damit meine Brust bzw. der Tumor markiert wurde. Heute kann ich mich nicht mehr erinnern, wann ich in den OP-Saal gebracht wurde.

Mein Gedächtnis will diese Information im Moment nicht abrufen. Nur, wenn ich auf den OP-Assistenten denke, der mich für die OP vorbereitet hat, dann muss ich herzlich lachen. Sein “jetzt hupfen Sie, bitte, da rauf” und meins “ich kann nicht hupfen, das wird nichts” (ich bezog mich darauf, dass ich etwas mehr Zeit brauche und keine flinke Maus bin) vertrugen sich nicht besonders. Ich kraxelte irgendwie auf die Transportliege, erklomm den Berg und die Reise ging weiter. Komisch, ich kann mich ebenfalls nicht erinnern, ob diese Liege schon der OP-Tisch auf Rollen war oder ob ich nochmal im Saal wechseln musste.

Und dann fing die Party an. Nein, nicht die Operation. Mit der Party meine ich die Diskussion darüber, ob die Ärztin wird operieren können oder nicht. Während ich mir dachte, Leute, gibt mir was zum schlafen und redet dann darüber, ob sie wird schneiden können oder ob mein Defibrilator im Weg sein wird. Das war noch so eine Sache: Bei mir wurde die linke Brust operiert und mein Defi (ich gab ihm den Namen Felix, weil er mich glücklich macht) sitzt ebenfalls links, auf der Brusthöhe, circa 10 cm weiter links. Unterhalb der Brust verläuft die Elektrode. Die Ärztin hat sich das in der Besprechung genau angeschaut, und ich hatte keine Bedenken deswegen, bis sie angefangen haben zu diskutieren. Irgendwann, nach etwa fünf Minuten kam auch die Chirurgin, begrüßte mich nochmal (wir sahen uns schon draußen) und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, sie erbarmten sich und ich durfte endlich einschlafen.

Als ich dann nach ein paar Stunden im Aufwachzimmer wach wurde, bekam ich als erstes ein Herzkissen in die Hand oder besser gesagt, unter der Achsel geschoben. Ich denke, dass ich behaupten kann, ich hatte in meinem Leben kein Kuscheltier so gerne gehabt, wie dieses Kissen. Heute noch benutze ich es als eine Art Auflage für meinen linken Arm, wenn ich schlafe. Sonst war sein Stammplatz unter meiner linken Achsel, damit ich liegen konnte, und mein Arm nicht an den Schnitt für die Lymphknotenabnahme kommt bzw. druckt.

Es folgten vier Tage im Krankenhaus, und dann noch einige langen Wochen der Erholung Zuhause. Nach dem mir die Drainage rausgenommen wurde (am dritten Tag, ich hatte zwei Schläuche wegen Felix) hielten sich die Schmerzen in Grenzen. Mit der Entzündung haben sie sich dann wieder etwas verstärkt, aber sobald ich ein Antibiotikum bekam und Topfenwickel drauf gab, verbesserte sich das. Später erhielt ich noch eine Salbe dazu. Wieso die Entzündung dazu kam, wissen wir nicht. Klar ist, ich wurde aus dem Spital ohne irgendwelche Anzeichen entlassen. Ich vermute, ich tat etwas zu viel, war zu aktiv und hätte mich noch mehr schonen sollen, nur dazu bin ich leider nicht geboren. Vier tage nach meiner Wiederbelebung putzte ich meinen Kasten im Spital.

Bei Befundbesprechung kam dann der nächste Schock. Es hieß, der Rand ist nicht sauber, und ich muss nochmal rein. Die Ärztin war sehr unglücklich darüber, weil sie sich große Sorgen machte wegen der Narkose und meiner Herzerkrankung. Schließlich blieb uns nichts anderes über, als für mich einzuwilligen und für sie zu operieren. Ich muss sagen, mich traf das mehr als die Diagnose selbst. Davor saß ich im Wartezimmer und dachte mir, jetzt ist alles klar, ich habe Krebs und wir müssen jetzt nur noch besprechen, ob es bei der vorgesehenen Therapie bleibt oder sich da etwas ändert. Und dann diese Nachricht.

Da kommt auch das Titelbild ins Spiel. Sie zeichnete es für mich, um mir zu erklären, was wir schauen müssen. Der große Punkt in der Mitte ist der Tumor, der leuchtende Rand wurde mitgeschnitten und am Ende des Rands fanden sich noch ein paar Tumorzellen. Die Wurscht daneben (ich nenne sie liebevoll so) musste noch raus, um zu sehen, ist da tatsächlich noch etwas oder war das schon.

Fast jeder, mit dem ich sprach, fragte mich, ob zu wenig geschnitten wurde. Nein, es wurde nicht. Tatsächlich kommt das viel öfters vor als man denkt. Nicht alles ist in der Diagnostik sichtbar und vieles kommt erst bei der pathologischen Untersuchung, die einige Tage dauert, ans Licht. Da war es für mich am einfachsten, das Bild zu nehmen und zu sagen, wie es ausschaut.

Die zweite Operation war dann ein Klacks, dauerte nur etwa zwanzig Minuten und ich musste nur eine Nacht im Spital bleiben. Abgesehen von den Zusicherungen zwischen den OP-Assistenten und mir (es war wieder der gleiche), dass wir letztes Mal beide da waren, gibt es da nicht sehr viel zu berichten:

ich: schauen Sie, jetzt weiß ich schon wie es geht, jetzt kann ich schon hupfen, ich war nämlich schon mal da.

er: ich weiß, ich war auch da und kann mich noch an Sie erinnern (ich bildete mir nichts dazu ein, das muss Felix und die Diskussion sein)

ich: ja, ich war auch da

er: ja, das ist der Sinn der Sache

Spaß muss sein und deswegen schreibe ich hier das auf. Es ist wichtig, selbst in der schlimmsten Lebenssituation den Sinn für Humor nicht zu verlieren. Lachen gibt uns Kraft, die nicht zu unterschätzen ist.

Der Befund von dieser Operation war dann endlich sauber, und ich erholte mich ziemlich schnell. Im Nachhinein gesehen, bin ich froh, dass die zweite Operation gemacht wurde, denn sonst würde ich mich wahrscheinlich die ganze Zeit fragen, ob da drin noch etwas lauert. Was ich sagen will, ist, es ist sowieso schwer, wieder diese Sicherheit zu bekommen, die ich vor der Diagnose hatte. Zwischen uns gesprochen, ich weiß nicht, ob ich die je wieder haben werde. Mir ist es bewusst, dass es wieder passieren kann, nur denke ich nicht ständig daran. Es gibt nur diese dunkle Momente, in denen sich meine Gedanken um diese Sache drehen. Dann muss ich diese Angst akzeptieren, ihr begegnen und mir bewusst sein, was das schlimmste ist, was passieren kann. Nur so lässt sich für mich ein wertvolles Leben leben. Alles andere wäre ein Selbstbetrug.

Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal

Miri

 

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