Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Der erste Chemozyklus – emotionale Achterbahn

Heute vor drei Jahren habe ich meinen ersten Zyklus der Chemotherapie 💉 erhalten.
So oft denke ich an diesen Tag zurück. Nicht immer ganz freiwillig, das muss ich zugeben. Dieser Tag, diese ganze Zeit hat tiefe Spuren hinterlassen. Diese schwere Zeit hat traumatisiert. Einige liebe Menschen, die zeitgleich oder sogar nach mir erkrankten, musste ich schon gehen lassen. 🖤🥺 Das macht Angst, große Angst. Krebs ist schonungslos.
Doch wie war das damals? Wie habe ich den ersten Zyklus aus emotionaler Sicht erlebt?
Mein Lebensgefährte René fuhr mich an diesem Morgen in die onkologische Praxis in Neuwied. Es war still im Auto. Ich war tief in mir mit mir selbst beschäftigt. Die Angst kochte gnadenlos in mir und ließ kaum klare Gedanken zu.
Was kommt auf mich zu? Wie wird es ablaufen? Wie werde ich die Therapie vertragen? Will ich das wirklich oder gibt es doch noch ein Schlupfloch, um dieser Situation zu entkommen? Die Gedanken kreisten so schnell, dass mir schwindelig wurde. Ein riesengroßer Klos machte sich in meinem Hals breit und ich hatte das Gefühl, als könnte ich nicht richtig atmen.
Als wir vor der Praxis hielten, verabschiedete sich mein René liebevoll von mir und gab mir die besten Wünsche mit in den Tag.  Er spürte doch so deutlich, welche Angst auf beiden Seiten in der Luft lag. Angst vor dem was kommt, Angst vor dem was sein wird.
Ich stieg langsam aus dem Auto 🚗 , packte meine Tasche und holte mir einen letzten Kuss ab. Nur Mut, nur Mut. Dann betrat ich die Praxis 🏥. Alleine. Natürlich durfte aufgrund des Lockdowns 😷 wiedermal keine Begleitung und emotionale Stütze mit.
Mein Weg führte mich zur Anmeldung und mein Herz schlug mir spürbar bis zum Hals. Ich wollte einfach aufwachen. Jemand der mir sagt, dass es sich um einen Irrtum handelt. Bitte! Jetzt! Doch es passierte nicht.
Also noch mal einen Schritt weiter. Meine Angst kochte fast über. Ich räusperte mich kurz, um Stimme herauszubekommen und presste meinen Namen hervor. Dann machte sich die Angst Platz und nahm ihren Raum ein. Tränen liefen heiß über mein Gesicht. In meinen Augen war die nackte Panik zu erkennen.
Ich möchte das kurz erklären. Mir ist und war damals bewusst, dass die Chemotherapie 💊meine einzige Alternative ist. Leben oder Sterben. Ich war natürlich bereit, alles, wirklich alles, auf mich zu nehmen, um zu leben. Ohne Frage. Auch habe ich mir immer gute Gedanken gemacht und mir Mut zugesprochen. Ich werde das schaffen. Ja, du schaffst das. Auch das stand außer Frage. 🦀👊🏻💥
Und dann kommen da diese Momente. Überwältigt von der Angst, mit raspelkurzen Haaren, ausgeliefert und machtlos. Ist es nicht ein Paradoxon, dass man sich in dieser Situation körperlich absolut gesund fühlt und in der nächsten Minute pures Gift durch seine Adern fließen lässt? Diese Vorstellung raubte mir schier den Atem.
An dieser Stelle kommen wir auch kurz zum Kämpfen. Habe ich wirklich einen echten aktiven Anteil in dieser Angelegenheit und Einfluss auf den Ausgang? Hat jemand, der dem Krebs erliegt nicht genug gekämpft? Nein, wohl kaum! Wir können nur unterstützend tätig werden. Unsere innere Einstellung anpassen, dem Körper das bestmögliche 🍎🥾🥰 zukommen lassen, um diese Strapazen zu überstehen. Viel mehr ist nicht drin. Aber das habe ich getan und tue ich noch immer. Ich gebe mein Bestes!
Aber weiter im Text:
Die nette Frau an der Anmeldung schaute mich liebevoll und leicht bestürzt an. Sie stand auf, trat mir entgegen, nahm mich trotz Corona in die Arme und beruhigte mich. Ihr standen selbst die Tränen in den Augen, so sehr spürte sie meine Angst und Verzweiflung. Zu gut konnte sie verstehen, was dieser Tag wohl für mich bedeutet. Sie kochte mir einen Tee ☕️, nahm mich mit in die Therapie und übergab mich dort den Schwestern.
Schwester Caroline nahm sich meiner an. Eine quirlige, emphatische junge Frau. Sie erklärte mir in aller Ruhe das Prozedere. Im Anschluss fragte sie mich, ob ich bereit wäre? Ich war bereit, wie man nur bereit sein konnte.
Es ging los!
Sie stach meinen Port 💉an und schloss die erste Infusion an. Zuerst bekam ich Medikamente, die der Übelkeit vorbeugen sollten. Im Anschluss lief das erste Zytostatikum in mich ein. Eine orangene Flüssigkeit, die an Aperol Spritz erinnerte. Ich spürte, wie sich das Zellgift in meinem Körper verteilte, es in meinem Kopf schwummrig wurde und sich eine bleierne Müdigkeit 😴breit machte. Ich ließ geduldig alle Infusionen in mich einfließen. Über 5 Stunden nahm das gesamte Prozedere in Anspruch.
Caroline ging Schritt für Schritt mit mir durch diesen ersten Therapietag. Dafür bin ich sehr dankbar.
René empfing mich nach der Therapie vor der Praxis. In einer Hand eine rote Rose 🌹, in der anderen einen Eimer 🪣. Das eine für die Emotion, das andere für die Fakten. 😉
Die Autofahrt fühlte sich ewig lang an. Ich war sehr angestrengt und spürte, wie erschöpft ich war. Übelkeit machte sich trotz der Medikamente ebenfalls deutlich breit.
Zuhause angekommen quälte ich mich aus meiner Kleidung und verkroch mich direkt ins Bett 🛌. Ich wollte nur schlafen und fühlte mich elend. Die Übelkeit nahm trotz weiterer Medikamente zu und ich musste mich ziemlich oft übergeben 🤢. Ich fühlte mich dem Tode näher als dem Leben. Dieser Zustand hielt einige Tage an.
Aber wusstet ihr, dass man sich übergeben und danach schon wieder aus dem Eimer lächeln kann? Wenn es mir so schlecht geht, muss es dem Krebs auch schlecht gehen. Dieser Gedanke hat mich durch die Therapie getragen. ❤️
Eure Christina

Jetzt teilen