Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Die Sache mit der Lunge…

…Sie ist doch belastend.

So froh ich bin, dass ich keine Schmerzen habe, so sehr stört der Husten.

Ich kann nicht schlafen. Das einzige was den Ärzten dazu bislang einfällt ist Cortison. Das hilft nur (noch) bedingt und führt nebenbei zu wirklich starkem Nachtschweiß und zu Schlaflosigkeit.

Mit oder ohne Husten – das Problem mit dem nicht schlafen können bleibt also bestehen.

 

Nachdem ich nun wirklich keinen Schlaf mehr finde (meine Familie auch nicht) und meine Kraft eigentlich für die neue Therapie brauche begebe ich mich nach viel hin und her in die Notaufnahme.

Das war eigentlich nicht der Plan.

Eigentlich würde ich schon länger gerne Mal mit einem Pneumologen sprechen, aber das ist gar nicht so einfach. CTs werden gemacht und Lungenfunktionstests, ich werde durchgecheckt und dann doch wieder mit Cortison und ohne richtige Diagnose weggeschickt. Aber das geht so nicht weiter.

 

Vormittags rufe ich also in der onkologischen Tagesklinik an. Dort werde ich behandelt und dort sollte man sich im Idealfall zuständig fühlen. Finde ich.

Bis ich dort mehr als eine Warteschleife erreiche vergehen fast zwei Stunden. Das Ergebnis: man schreibt mich auf eine Liste – die diensthabende Ärztin würde sich bei mir melden.

Ich bin ja ein geduldiger Mensch.

Ich äußere, dass ich huste, dass das nicht neu und wahrscheinlich strahleninduziert ist.

 

Auf den Rückruf der Ärztin warte ich nochmal zwei Stunden.

Mein Husten wird schlimmer und auch die Müdigkeit macht sich mehr und mehr bemerkbar.

Dann die ernüchternde Aussage: sie können nicht helfen. Ich solle doch bitte in der Radioonkologie anrufen.

 

Also gut. Warteschleife.

Die Radioonkologieambulanzen haben heute nicht offen. Man könne mich nur verbinden, wenn ich ein Notfall sei.

Bin ich.

Warteschleife.

 

Nach vielleicht 20 Minuten habe ich einen Radioonkologen am Telefon. Er kann nicht helfen.

Er fragt mich allen Ernstes, warum ich nicht früher angerufen habe.

Ich bin ein wenig entgeistert.

Er will auch wissen warum ich bei ihnen anrufe. Er glaubt nicht, dass meine Beschwerden mit der Bestrahlung zu tun haben.

 

Ich solle in die Notaufnahme fahren.

 

Das hätte ich früher haben können.

 

Gegen 17 Uhr erreiche ich die Notaufnahme der Medizinischen Klinik des UKT.

Das Reutlinger Krankenhaus mit seiner zentralen Notaufnahme währe näher gewesen, aber die haben meine Unterlagen nicht und ich befinde Tübingen für die bessere Lösung.

 

Nach meiner Erfahrung in Warteschleifen den halben Tag werde ich nun ernsthaft überrascht.

Das Personal ist unglaublich freundlich und zuvorkommend. Keiner gibt mir das Gefühl am falschen Ort zu sein, oder gar kein Notfall zu sein. Keine fünf Minuten lässt man mich warten. Ich bekomme ein unglaublich bequemes Bett im Aufnahmezimmer und werde direkt versorgt. Sogar mein Port wird ohne Umstände als Zugang genutzt (man sollte meinen das sei selbstverständlich – ist es nicht). Bei der Anamnese wird aufmerksam gefragt und zugehört, aber auch angemerkt, dass man meine Unterlagen im System hat (ich bin begeistert, normalerweise spielt das keine Rolle und ich muss alles immer nochmal erzählen).

Meine Vitalwerte sind ok. Ich richte mich auf Wartezeit ein.

Weit gefehlt.

Eine unglaublich nette junge Frau bringt mich zum Röntgen. Im Bett.

Nach nicht Mal einer Stunde ist so ziemlich alles passiert was ich mir vorstellen kann was überhaupt an Diagnostik gemacht wird.

 

Gegen 18 Uhr beginnt tatsächlich das Warten. Und es kommen Notfälle rein, die viel dringlicher sind, als ich.

Ich habe absolutes Verständnis. Die Dinge dauern solange sie dauern und ich bin OK. Mein Bett ist bequem, man bringt mir was zu trinken und fragt in regelmäßigen Abständen ob alles ok ist.

 

Als Dauergast des UKT habe ich WLAN. Ich komme gut klar.

 

Auf meine Blutwerte muss ich allerdings sehr lange warten und meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Die Therapie hat doch ganz schön Schaden angerichtet. Ich hoffe die zweite Dosis Sacituzumab Govitecan am Freitag klappt.

 

Ansonsten sind meine Blutwerte aber ok. Keine Anzeichen einer Entzündung. Nichts dramatisches.

 

Gegen Mitternacht kommt der Arzt zu mir. Er entschuldigt sich. Muss er nicht.

Das Röntgenbild ist ok. Man sieht was man schon wusste.

Ich nehme zu viel Cortison.

Ich weiß.

 

Mein Plan heißt also Cortison reduzieren, zum Schlafen den Husten mit Codein unterdrücken und tagsüber mit ACC den Schleim lösen.

Über die Onkoambulanz soll ich um weitere Abklärung durch die Pulmologie bitten. Das werde ich.

 

Mir geht es jetzt nicht besser. An neue Medikamente komme ich für diese Nacht auch nicht mehr.

Aber ich bin erleichtert, dass das Lungenröntgen nichts hervorgebracht hat und, dass ich keine Lungenentzündung habe.

 

Ratlos lässt mich immer noch zurück, dass alle sich einig sind, dass das ursächliche Problem eine Strahlenfibrose der Lunge ist. Nur die Radioonkologen, die wollen das einfach nicht wahr haben.

Als würde ich es ihnen vorwerfen. Als würde eine Schuldfrage gestellt.

 

Gegen 1 Uhr verlasse ich das Krankenhaus. Mein Bruder wartet schon auf mich und fährt mich nach hause. Er hat Abendessen gekocht. Ich habe so Hunger.

 

 

Mit reichlich Codein im Blut gehe ich jetzt schlafen.

Ich schlafe auf der Couch. Egal wie schlecht mein Schlaf wird – wenigstens mein Mann und meine Tochter dürfen heute Nacht tief und fest schlafen.

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