Annette fragt… Anna Farris
Annette fragt… Ines Schult
Auf Instagram stolperte ich eines Tages über das Profil „Brustkrebskarussell”. Dahinter steckt Ines Schult. Sie ist 37 Jahre alt, Mutter zweier Kinder und Haar- und-Make-Up-Artist und hat eine Agentur für Brautstyling.
Sie erhielt im September 2021 die Diagnose „triple negativer Brustkrebs“, durchlief Chemotherapie und Bestrahlung. Schon im April 2022 traf sie eine erneute Krebsdiagnose. Sie ließ eine Mastektomie durchführen und befindet sich derzeit in einer Tablettenchemotherapie.
Trotz dieser Schicksalsschläge strahlt Ines eine unbeschreibliche Energie und Lust am Leben aus. Freut euch auf ein ehrliches Interview voller Power und Lebensfreude!
Annette: Liebe Ines, nimm uns mal mit in den September 2021 zu deiner ersten Diagnose.Hast du deinen Tumor selbst ertastet oder war er – wie meiner – ein Zufallsfund?
Ines: Ich war unter der Dusche und beim Einseifen und Abtasten fuhr ich mit meiner Hand über einen kleinen Knoten in der linken Brust. Ich wusste sofort, dass es Brustkrebs ist! Ich habe mich vorab nie mit diesem Thema auseinandergesetzt. In meiner Familie gibt es keine Fälle von Brustkrebs und trotzdem wusste ich intuitiv, dass es sich bei diesem kleinen Knoten um Brustkrebs handelt!
Annette: Wo standest du zu diesem Zeitpunkt in deinem Leben, beruflich, privat, seelisch?
Ines: Ich stand ehrlich gesagt mitten im Leben! Mein Mann Torben und ich hatten gerade die Renovierungsarbeiten unseres Eigenheims abgeschlossen und sind mit unseren zwei Kindern Matilda (5) und Henri (2) dort eingezogen. Meine selbstständige Tätigkeit lief bombig. Ich hätte zu dem Zeitpunkt Bäume ausreißen können, so viel Power hatte ich.
Annette: Ich erinnere mich noch an deinen Beitrag, sechs Tage nach dem Ende deiner Bestrahlung. Da berichtetest du von einer zweiten Diagnose. Wieder Brustkrebs, wieder triple negativ. Welche Gefühle löste das bei dir
aus?
Ines: Es war in der gleichen Brust, wieder die linke! Noch bevor der Arzt ausgesprochen hatte, dass ich erneut erkrankt bin, wusste ich es schon.
Ich habe ein unglaublich gutes Bauchgefühl. Dieses Bauchgefühl lenkt mich durch die komplette Erkrankung. Schon Wochen vorher hatte ich einen kleinen Knoten gespürt. Es hieß aber, ich soll mir keine Sorgen machen, da es absolut nach einer Zyste aussieht und ich doch gerade erst aus der Chemotherapie komme und bestrahlt werde.
Annette: Du hast dich nach deiner zweiten Diagnose für eine Mastektomie entschieden, die du gerade erst hinter dich gebracht hast. Was hat dich zu diesem massiven Eingriff bewegt?
Ines: Ich wollte frei sein. Frei vom Krebs! Es heißt oft „Dort wo nichts ist, kann auch nichts wachsen“ So ganz stimmt dieser Satz nicht. Denn es gibt ein Restrisiko für ein Rezidiv von knapp 1%.
Dennoch ist mein Risiko erneut an Brustkrebs zu erkranken immens gesunken! Und das zählt für mich. Ich gelte nun offiziell als krebsfrei. Und erst jetzt nach der Ablatio (=komplette Abnahme der Brust ohne Wiederaufbau) fühlt es sich für mich auch so an!
Annette: Auf deinem Account sieht man viele wunderschöne Bilder, auf denen du fast immer lachst. Woher nimmst du die Kraft, so positiv und mental stark mit deiner Situation umzugehen?
Ines: Ich lache einfach gern :). Ich habe eine unglaubliche Lebensfreude in mir. Auch aus schlechten Situationen ziehe ich etwas Positives!
Ja, meine Brustkrebserkrankung ist wirklich schlimm. Sie hat mir aber auch gezeigt, was wichtig ist. Sie lässt mich ruhiger werden. Ich haste nicht mehr wie ein Duracell-Häschen durch mein Leben. Nein, ich bleibe stehen und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Ich nehme mir die Zeit für Spaziergänge,. Ich liebe schöne Gespräche mit Familie und Freunden. Ich nehme das Lachen meiner Kinder doppelt und dreifach so doll wahr. Ich glaube einfach, dass alles Schlechte auch etwas Gutes haben kann, wenn man es zulässt.
Annette: Aber sicherlich kennst auch du die dunklen Tage, die traurigen Momente. Was oder wer hilft dir dann? Wer oder was sind deine Kraftspender?
Ines: Aber natürlich kenne ich auch diese Tage. Leider viel zu gut. Siehe meinen letzten Post „Nervenzusammenbruch“. An diesem Tag ist alles auf mich herein- und über mir zusammengebrochen, sodass der Notarzt kommen musste und ich in der Klinik gelandet bin. Das sind die richtig schlimmen Tage. Auf die kann ich ganz gewiss verzichten!
Mein Mann Torben war schon immer meine große Stütze und seit meiner Erkrankung ist er nochmal über sich hinausgewachsen. Er ist immer für mich und unsere kleine Familie da. Er ist ein richtiger Held, nur ohne Umhang!
Annette: Ich war lange ganz oldschoolmäßig nur auf Facebook aktiv, startete dann während der Chemo meinen Blog und kam irgendwie zu Instagram. Du hast ein paar Wochen nach deiner ersten Diagnose schon deinen ersten Post auf Instagram geschrieben. Wie kam es zu diesem Entschluss, deine Erkrankung öffentlich zu machen und die Leute an deinem Weg teilhaben zu lassen?
Ines: Ich wollte anderen Betroffenen sagen „ DU BIST NICHT ALLEIN!“ Zusammen sind wir stark! 70000 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Brustkrebs. Der Austausch in dieser Community ist unglaublich wichtig und hilfreich. Mir half dieser Austausch seit meinem ersten Beitrag. Zusätzlich tut es mir gut meine Geschichte und meine Gedanken runterzuschreiben. 😉
Annette: Welche Reaktionen darauf gab es aus deinem echten Umfeld, also wie fanden dein Mann, deine Eltern oder auch enge Freunde diesen Schritt?
Ines: Sie standen von Anfang an hinter mir und haben mich unterstützt. Meine Schwester ist professionelle Fotografin und macht ab und an schöne Fotos von mir, mein Mann hält mir den Rücken frei, wenn ich öffentliche Auftritte, oder ein Fotoshooting habe. Und meine Freunde finden sowieso alles toll was ich mache…hahahaha…
Annette: Dein Profil heißt „Brustkrebs-Karussell“. Welche Idee steckt hinter diesem tollen Namen?
Ines: Die Diagnose hat sich für mich wie ein Karussell angefühlt. Schnell im Kreis zu drehen ohne die Möglichkeit zu haben auszusteigen. Ein pures Gedanken-Karussell welches nicht stehen bleibt, sondern sich immer weiterdreht.
Annette: Du nimmst deine FollowerInnen in täglichen Stories mit in deinen Alltag zwischen Therapien, Haushalt, Kindern und Freizeit. Wird dir das nicht manchmal zu viel, zu intim?
Ines: Ich habe da pure Freude dran! Eigentlich wird es mir nie zu viel. Ab und an bräuchte ich mehr Platz bei den Storys. Ich höre mich ja selbst gern reden 😀
Es ist mir wichtig auch mal Themen anzusprechen, die andere Betroffene nicht so ansprechen würden. Damit sie sich mit ihren Ängsten und Ansichten nicht allein fühlen. Ich möchte Mut machen und zeigen, dass es wichtig ist auf den eigenen Körper zu hören und seine Meinung zu sagen, wenn man mit XY nicht ganz konform ist.
Der Austausch mit und das Feedback der anderen geben mir zudem Halt und Kraft.
Annette: Ich habe eine Selbsthilfegruppe gegründet und schätze neben dem durchaus wertvollen Online-Austausch auch die Live-Kontakte sehr. Hast du auch außerhalb der Krebs-Community Krebskontakte?
Ines: Ich mache alle paar Wochen ein „Krebsi-Community“ Treffen mit drei anderen krebskranken Frauen. An diesem Nachmittag treffen sich andere Betroffene, ob aktuell erkrankt, oder auch schon genesen zum Austausch. Mir und den anderen Teilnehmerinnen tut es ausgesprochen gut. Untereinander fühlen wir uns frei und sprechen alle Themen die uns bewegen unverblümt an. Zusätzlich wird ganz viel gelacht.
Und Lachen tut bekanntlich der Seele gut!
Annette: Liebe Ines, hab herzlichen Dank für dieses Interview, das trotz der Schwere seines Inhaltes so herrlich unbeschwert rüberkommt. für den weiteren Verlauf deiner Tablettenchemo wünsche ich dir von Herzen alles, alles Gute. Bleib so lebensfroh wie du bist!
Mehr über Ines:
Ihr Instagram-Account: https://www.instagram.com/brustkrebs_karussell/
Ihre Geschichte bei avec couer
Interview in der Zeitschrift „Für Sie“
Ein Artikel in der Zeitschrift „Frauensache“
Beitrag in der Fernsehsendung “taff”
Hier geht’s zu den anderen Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”.