Mein Körper am Ausbrennen
Seit meinem 12. Lebensjahr habe ich mit ständigen Krankenhausbesuchen zu kämpfen. Wieder zu einen neuem Facharzt oder einer neuen Fachärztin. Anderes Krankenhaus. Neue Spezialisten. Komplementärmedizin. Jeder von ihnen meint finden zu können, welche Erkrankung ich genau habe, jedoch immer ohne Erfolg. 12 Jahre hat es gedauert bis eine genaue Diagnose mit Behandlung gestellt wurde und genau darum geht es in diesem Beitrag.
Meine Erkrankung hat schon eine etwas längere Vorgeschichte, denn bereits 2010 hatte ich auf der rechten Halsseite vergrößerte Lymphknoten. Diese waren über einen längeren Zeitraum geschwollen, weshalb eine Biopsie durchgeführt wurde. Die Diagnose war gutartig, aber der Grund für die Schwellung konnte nicht gefunden werden. Die Lymphknoten bildeten sich dann wieder von alleine zurück.
2014 wieder eine Vergrößerung der Lymphknoten, erneut Vollnarkose mit Lymphknotenentnahme. Wieder gutartig, aber die Ursache von diesen Vergrößerungen konnte mir niemand erklären. Die Ärzt*innen konnten über die Jahre keine Diagnose finden. Ich war bei vielen Fachärzten*innen, in den verschiedensten Kliniken, wurde mit unterschiedlichsten Medikamenten behandelt, jedoch ohne wirklichen Erfolg. Manchmal habe ich mich wie ein kleines Versuchskaninchen gefühlt.
Blutabnahmen, radiologische Untersuchungen und auch Krankenhausaufenthalte habe ich für mein junges Alter schon sehr viele hinter mir. Das Ganze war kein Honigschlecken und es wurden viele Verdachtsdiagnosen gestellt. Auch mit der Diagnose Lymphom wurde ich schon des Öfteren konfrontiert, aber die beiden histologischen Untersuchungen waren gutartig und somit wurde diese Diagnose wieder ausgeschlossen.
2018 wurde eine Immunschwäche diagnostiziert, aber keiner konnte mir eine Behandlung dafür sagen. Es war für alle unerklärlich warum ich diese Schwellungen der Lymphknoten auf der rechten Halsseite hatte. Immer wieder versuchten Ärzt*innen eine Diagnose dafür zu finden, aber ohne Erfolg. Keiner wusste warum. Es wurde als eine chronische Lymphknotenschwellung, welche wahrscheinlich mit einer Immunschwäche zusammenhängt, bezeichnet. Ich hatte keine Beschwerden, mir tat nichts weh. Somit lernte ich damit zu leben und umzugehen, etwas Anderes blieb mir schlussendlich auch nicht über.
Seit dem Sommer 2021 hatte ich dann immer wieder Reizhusten. Ich dachte der Husten käme von der Klimaanlage. Beim Abhorchen der Lunge konnten keine abnormalen Geräusche wahrgenommen werden. Als ich dann meinen Job wechselte, benötigte ich ein Lungenröntgen, welches im Dezember gemacht wurde. Aufgrund des auffälligen Lungenröntgens wurde ein CT gemacht. Dabei waren mehrere Infiltrate in der Lunge sichtbar. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Die Lungenfachärztin überwies mich an eine Pneumologie und dort wurde dann eine Bronchoskopie gemacht. Wieder einmal gab es keine Diagnose dafür, was in meiner Lunge war. Es wurde weiter untersucht, Sputum abgegeben und ein Bakterium gefunden. Darauf folgten vier Wochen orales Antibiotika und eine Woche stationäre Antibiotikagabe über die Vene. Keine Besserung in der Lunge, keine Diagnose, denn auch das Bakterium konnte dann im Sputum nicht mehr festgestellt werden.
Von der Bronchoskopie konnte ich mich nicht wirklich erholen und es ging gefühlt nur mehr bergab. Ich hatte keine Kraft mehr, hatte Schmerzen. Meine Woche bestand aus Arbeiten und die restliche Zeit Schlafen, recht viel mehr schaffte ich nicht. Somit folgten wieder Termine bei Fachärzt*innen und auch komplementärmedizinisch habe ich einiges versucht. Es konnte mir wieder niemand sagen was los mit meinen Körper ist und ich wollte schon gar nirgends mehr hingehen. Ich verstand einfach nicht, warum keiner etwas findet und mir helfen kann.
Symptome hatte ich viele. Keine Energie, ständiges Husten, Kreislaufbeschwerden, extreme Rückenschmerzen, Juckreiz und Kopfschmerzen. Die Haut bei den geschwollenen Lymphknoten war blau-rötlich und auch Übelkeit und Erbrechen begleiteten mich.
Im April bekam ich eine Ohrenentzündung, dagegen Antibiotika und dann begannen extreme Übelkeit und Erbrechen. Ich dachte zuerst es sei von den Medikamenten aber vier Wochen täglich mindestens einmal zu erbrechen und keinen Appetit zu haben war schon etwas seltsam. Darauf folgte auch ein extremer Gewichtsverlust.
Nichts desto trotz versuchte ich weiter arbeiten zugehen, denn das war das einzige Stück Normalität was ich noch hatte. Wenn es gar nicht ging, blieb mir nichts anderes übrig, als in den Krankenstand zu gehen. Die Arbeit machte mir großen Spaß, jedoch merkte ich, dass ich nicht das leisten kann, wie sonst. Ich war auch von mir selbst enttäuscht. Die sonst so lebensfrohe und meistens positive Tanja existiert nicht mehr und für eine gewisse Zeit habe ich mein Lächeln verloren. Das waren wirklich Zeichen, dass es mir nicht mehr gut ging. Ich wusste aber auch einfach nicht mehr weiter.
Jeder aus meinem Umfeld wollte mir irgendwie helfen, aber ich konnte dann auch schon keine Ratschläge oder Sonstiges mehr hören, weil ich wusste mit meinem Körper stimmt etwas gewaltig nicht. Ich zog mich immer mehr zurück, hatte auch einfach keine Energie mehr mich mit Leuten zu treffen oder etwas zu unternehmen. Somit war ich wie eine komplett andere Person und ich fühlte mich fremd in meinem Körper. Wenn es mir gut geht, unternehme ich viel mit Freunden, Familie, bin auf Reisen, Konzerten und genieße einfach mein Leben.
Dann kam ich an den Punkt, an dem ich merkte, 40 Stunden arbeiten schaffe ich einfach nicht mehr. Deshalb wollte ich Stunden reduzieren. Meine Leitungen von der Station waren sehr verständnisvoll und unterstützten mich. Sie schickten mich zur Betriebsärztin. Diese war etwas schockiert, als sie mich sah. Ich war im Gesicht eingefallen, habe massiv an Gewicht verloren, brachte meinen rechten Mundwinkel, sowie die Augenbraue nicht mehr hoch und ich war einfach nur verzweifelt. Sie hat gemeint, sie wird nachdenken, ob ihr noch eine Arzt*in einfällt, wo sie mich hinschicken könnte, weil es so nicht weiter gehen kann. Gemeinsam mit einer zweiten Ärztin stellten sie den Kontakt zu einem Univ.- Prof. im AKH her, welcher mich dann zwei Tage später auf der Infektiologie und Tropenmedizin im AKH Wien aufnahm.
Bei meiner Aufnahme waren meine Vitalparameter außerhalb der Norm und auch meine Elektrolyte waren aufgrund des ständigen Erbrechens entgleist. Die ersten Tage bekam ich viele Infusionen und Blutabnahmen. Aber ich hatte endlich wieder einmal das Gefühl, dass diese Ärzt*innen mir helfen können. Es war der hochgradige Verdacht auf eine bakterielle Infektion. Bald war klar, dass ich wieder eine Lymphknoten Biopsie haben werde, weil sie anhand der anderen Untersuchungen keine Diagnose stellen konnten. Dem gegenüber war ich anfangs skeptisch. Immerhin hatte ich schon zwei Narben von den Lymphknotenentnahmen am Hals und die letzten Male kam auch kein Befund dabei raus. Aber gut, schlussendlich bin ich heute sehr froh darüber, dass ich eine erneute Biopsie durchführen ließ. Ich bin mir nicht sicher ob ich sonst noch leben würde.
Nach der Biopsie wurde sofort mit hochdosierten Antibiotika begonnen, um keine Zeit zu verlieren, bis der histologische Befund da war. Die Zeit bis ich endlich Gewissheit hatte, welche Diagnose ich habe, war schlimm. Ich war im Krankenhaus aufgenommen, einmal am Tag durfte Besuch kommen, aber nur für eine bestimmte Zeit. Ich bekam Antibiotika und wartete auf die Visite. Mehr passierte nicht und ich hatte ganz viel Zeit um nachzudenken. Ich hatte großes Heimweh, wollte einfach nur nach Hause, weinte stundenlang.
Dann kam der Tag, der vieles in meinem Leben schlagartig änderte. Der Tag, an dem ich die Diagnose Lymphom erhielt. Es war ein Samstag, der 18. Juni 2022. Eigentlich war für diesen Tag meine Entlassung geplant, doch das änderte sich leider. Mein Papa hätte mich um 10 Uhr abgeholt und am Mittwoch wären wir zur weiteren Abklärung wieder in die Ambulanz gekommen.
Was an diesem Tag noch passierte, erfährst du in einem anderen Beitrag…