Zeit und Sein nach dem Blutkrebs
Je nach Stimmungslage ist die Suche nach den großen existentiellen Antworten und das Erreichen von gewissen Teilantworten Last/Bedrängnis oder auch Befreiung. Jedoch setzten die Fragen schon niedrigschwelliger an. Die eigene Existenz mit ihren Fragen findet statt im unruhigen Nachtschlaf, in der bleiernen Müdigkeit, die sich durch den Tag ziehen kann.
Wie gehe ich damit um, wie komme ich durch die Anforderungen des Alltags, welchen Sinn kann ich meinem verbleibenden Leben unter diesen Umständen geben. Irgendwie hängen die ganz alltäglichen Dinge mit den ganz großen eng zusammen.
Wie ein Schatten begleitet mich der imaginäre Blick auf eine Zeit, in der ich abwesend sein werde. Auf etwas Künftiges, das ich nicht mehr sehen und erleben werde. Es wird noch die Anwesenheit meiner Abwesenheit geben, von der ich nichts mehr mitbekommen werde. Wenn meine Wohnung leergeräumt wird. Es wird ein Abschied sein von dem, was kommen wird, ich aber nicht mehr erleben werde, auch nie erfahren oder nachholen kann. Es beschäftigt mich, solche Gedanken drängen sich immer wieder auf, weil es schon fast soweit gewesen wäre … Ungelöst bleibt mir noch die Aufgabe, diesen Zustand in Worte zu fassen.
Je nach Stimmungslage führt dieser Schatten des imaginären Blicks ein gewisses Eigenleben und löst Beklemmung aus.
Was lässt sich dem entgegensetzen? Eine mögliche Antwort wäre einfach das Leben genießen. Ja, aber ein Schatten lässt sich nicht so wie ein Teppich zusammenrollen und in die Kammer stellen. Ich habe nach Lektüre für erhellende Momente gesucht. Tröstlich und eigentlich auch vernünftig empfinde ich den Gedanken von einem größeren Zusammenhang, in dem Mensch lebt. Dem wollte ich Gestalt geben und vertiefte mich in Texten, Büchern und versuche weiterhin zu sortieren, auch das einzuordnen, was ich schon andeutungsweise wusste, aber noch nicht so richtig verstanden bzw. begriffen habe. Anders formuliert: die Möglichkeit eines großen Zusammenhangs in begreifbare Nähe rücken.
Zwischendrin sollte ich aber nicht vergessen Bücher, Zeitungen und Zettel wegzuräumen, um mal wieder auf dem Tisch wischen und auf dem Sofa saugen zu können.
Aus diesen Gedanken soll mal ein Buch werden, was aber nur sehr langsam voran kommt. Teile der Stoffsammlung zeige ich zwischenzeitlich auf meiner fb-Seite: Zeit und Sein nach dem Blutkrebs.