Annette fragt… Steff Rödle und Rhea Seehaus vom Buusenkollektiv
Heute habe ich ein Interview der etwas anderen Art für euch. Ich durfte gleich zwei Frauen mit Fragen löchern dürfen: Rhea und Steff. Beide waren an Brustkrebs erkrankt und gehören zum Team des Buusenkollektivs, das ich schon in einigen meiner Blogtexte erwähnt habe.
Ich freue mich sehr, dass ihr, liebe Blogleserinnen und -leser heute aus erster Hand erfahrt, wie dieses coole Label entstanden ist und welche Aktionen sich eigentlich genau dahinter verbergen.
Freut euch auf ein Gespräch mit zwei Powerfrauen, die aus ihrer Krebserkrankung etwas Wundervolles gemacht haben.
Liebe Rhea, liebe Steff, ihr hattet beide Brustkrebs. Erzählt doch bitte kurz etwas über euren Krankheits- und Therapieverlauf.
Rhea: Ich bin im Januar 2020 erkrankt, zum Glück habe ich den Tumor recht früh selbst entdeckt, so dass er noch eher klein war. Es folgten mehrere Monate Chemotherapie mit EC und Abraxane (Nab-Paclitaxel), eine brusterhaltende Op und 5 Wochen Bestrahlung. Der Krebs erwischte mich mitten im Leben, gerade in einem spannenden Job etabliert, ein Kind im Kindergartenalter und eines in der ersten Klasse. Und dann kam ziemlich zeitgleich mit der Chemo der erste Lockdown – das hat schon alles ziemlich auf den Kopf gestellt.
Steff: Ich habe meine Diagnose 2019 mit 36 Jahren erhalten. Ich hatte gerade eine intensive Trauerphase hinter mir, weil meine Mutter 2018 verstarb. Meine Diagnose verlief etwas langwierig, da man zuerst von einem Fibroadenom ausging. Erst knapp ein Jahr später erhielt ich dann die Diagnose “hormonabhängiger Tumor”. Es folgte dann aufgrund von Lymphknotenbefall eine dosisdichte Chemotherapie, 28 Bestrahlungen, sowie insgesamt 5 Op’s, weil ich kurz nach Therapieende dann schon wieder ein Rezidiv bekam. Nach erfolgreichem Brustaufbau mit Eigengewebe stecke ich nun in der Antihormontherapie und darf leider schon etwas Wechseljahresluft schnuppern. Eine Operation steht mir noch bevor, aber derzeit brauche ich etwas Narkoseabstand.
Liebe Rhea, ich habe während meiner Chemozeit angefangen, auf meinem Blog über meine Krebserkrankung zu schreiben. Du hast nach deiner Diagnose einen Instaaccount eingerichtet und in vielen Posts von deinen Therapien berichtet und deine Gedanken und Ängste mitgeteilt (Du tust es auch weiterhin und ich lese deine Beiträge immer sehr gerne ☺!). Wie kam es zu diesem Entschluss, mit deiner Erkrankung in die Öffentlichkeit zu gehen?
Bevor es den Instagram-Account gab, gab es einen privaten Blog. Den habe ich nur sehr kurz nach der Erkrankung gestartet, weil ich gemerkt habe, dass bei allen die Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit total groß war. Und ich dachte, wenn ich dort schreibe, wie die Behandlung verläuft, was mich bewegt, wie die Nebenwirkungen aussehen etc. erleichtere ich Freund*innen und Familie den Umgang mit der Krankheit. Und das war wirklich gut.
Der Entschluss, mich bei Instagram anzumelden, entstand aus dem Wunsch, mich mit Menschen auszutauschen, die im gleichen Boot sitzen. Auf Insta über meine Geschichte zu schreiben, hat mir einerseits beim Austausch über die Krankheit geholfen, und ist andererseits auch eine Art “Therapie” für mich.
Liebe Steff, du hast deinen Account mit deiner Rezidivererkrankung gestartet. Welches Ziel verfolgst du damit?
Ich verfolge weniger ein Ziel, eher genieße ich dadurch den Austausch mit der Community. Instagram ist eine Ort ,an dem ich verstanden werde, Infos bekomme und Gleichgesinnte treffe. Das ist so viel Wert und möchte ich nicht mehr missen. Die Erkrankung scheint körperlich überstanden zu sein, doch mental ist das alles noch nicht ganz verkraftet.
Ziele verfolge ich allerdings mit dem Buusenkollektiv, doch dazu später mehr von Rhea.
Liebe Rhea, während deiner Therapiezeit, die noch dazu mitten in der Coronapandemie stattfand, kamst du auf die Idee (gemeinsam mit Lena Gerst) „das Buusenkollektiv“ zu gründen und damit eine Community für Brustkrebspatientinnen zu schaffen. Erzähl doch mal: Welche Idee steckt dahinter?
Genau, die Pandemie war einer der Gründe! Einerseits erging es Lena und mir sehr ähnlich: Wir haben uns in den meisten Brustkrebsbroschüren etc. nicht repräsentiert gefühlt, da sie sich meistens – gefühlt – an deutlich ältere Frauen richteten und häufig von einer Schwere geprägt waren. Aber wir standen ja trotzdem noch mitten im Leben, auch wenn jemand grad die Pausetaste gedrückt hat, wurde ja nicht alles gleich grau und trist. Darüber hinaus hatte die Pandemie ja auch dafür gesorgt, dass die meisten Selbsthilfe-Angebote nicht stattfinden konnten und durften. Stattdessen war der Austausch bei Social Media total aktiv. Aber das reichte uns nicht. Denn rein über Texte und Bilder kommt man nicht zwangsläufig ganz eng ins Gespräch. Und so beschlossen wir, selbst etwas zu gründen, sammelten ganz viele Ideen und starteten schließlich mit unseren ‚Tittie-Talks‘, dem Austauschformat, das wir alle paar Wochen durchführen.
Und – ganz wichtig – wie seid ihr auf den Namen „Buusenkollektiv“ gekommen?
Das Buusenkollektiv, damals noch “Busenkollektiv” war der sprichwörtliche kreative Einfall unter der Dusche. Dank Claudias (@clajee) Idee haben wir uns dann in Anlehnung an unser erstes „Buusenfreundinnen“-Shirt in “das Buusenkollektiv” umbenannt, weil wir das noch witziger fanden.
Ich habe mit einem anderen Krebsbetroffenen eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Ihr veranstaltet regelmäßig die Tittie-Talks, Onlinetreffen für Brustkrebserkrankte. Wie kam es dazu? Wie kann man an diesen Treffen teilnehmen? Was erwartet einen dort?
Die Tittie-Talks waren einerseits unsere Antwort auf die fehlende Selbsthilfe während der Pandemie und andererseits aber auch der Versuch, dass Austausch unter Betroffenen nicht nur schwer und ernst sein muss und auch Räume schaffen darf, in denen der Krebs mal gar keine Rolle spielt. Die Tittie-Talks sind ein Online-Format, das über die Plattform wonder.me durchgeführt wird.
Markenzeichen der Tittie-Talks sind die lustigen, unkomplizierten Kennlernrunden, die es einem ermöglichen sehr schnell und unbefangen miteinander ins Gespräch zu bekommen. Danach kann man sich zu allen möglichen Themen austauschen. Wir geben immer vier Themenbereiche vor, aber natürlich kann über alles mögliche gesprochen werden.
Wenn mich ein Thema interessiert, dann nehme ich einfach an den Gesprächen dort teil. Das funktioniert über Videokonferenzen, wie wir es z.B. von Zoom oder Skype kennen. Und wenn mich ein anderes Thema mehr interessiert, dann wechsele ich dort hin. Das funktioniert alles sehr einfach mittels eines kleinen Icons, den ich mit meiner Maus über den Bildschirm bewegen kann.
Und ganz wichtig: Wir haben immer einen ‚Küchenbereich‘, denn auch bei uns gilt: #inderküchegibtsdiebestenpartys! Hier kann man sich zu allen möglichen Themen außerhalb von Krebs austauschen und meistens wird da ziemlich viel gelacht.
Ich habe ein Shirt und eine Mütze von eurem Label und schon Buusenkollektiv-Postkarten an andere Betroffene verschickt. Aber: Das Buusenkollektiv sind nicht „nur“ die Tittie-Talks und auch „nicht nur“ ein Etsy-Shop. Ihr macht noch vieles mehr: Welche Aktionen habt ihr am Laufen?
Das ist aber schön, dass Du uns auch damit unterstützt. An den verkauften Produkten verdienen wir nichts – wir spenden immer einen Teil an andere Krebsprojekte und nutzen den Rest für eigene “Buusenkollektiv”-Projekte.
Dieses Jahr standen bereits ein Naturkosmetik-Workshop und das wunderbare ‚Let your scars shine‘-Fotoshooting in Kooperation mit Amoena und dem Fotografen Thomas Ohme auf dem Plan.
Die nächste Aktion sind auf jeden Fall unsere ‚Live-Tittie-Talks‘, die erstmalig im Rahmen der YesCon stattfinden. Da sind wir schon mega gespannt drauf, denn das gab es noch nie!
Wir planen derzeit noch mehrere andere Aktionen, die sind aber noch geheim…
Gerade sind wir allerdings auch ein bisschen mit uns selbst beschäftigt, da wir ja seit kurzem unser Team um sechs Personen vergrößert haben. Da bauen wir gerade Arbeitsstrukturen und Zuständigkeiten auf. Das braucht auch einfach ein bisschen Zeit, denn wir machen das ja alle ehrenamtlich.
Zum Buusenkollektiv gehört der Hashtag #lautfrechwild. Was hat euch dazu inspiriert, was bedeutet dieser?
Der Hashtag ist aus der Mission entstanden: Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, einen neuen Umgang mit Brustkrebs zu schaffen. Laut, Frech, Wild. Solidarisch, Kreativ und Ermutigend.
Rhea, das Buusenkollektiv waren zunächst zwei Personen. Zwischenzeitlich seid ihr 8 Powerfrauen, die dieses Projekt wuppen. Wie kam es dazu?
Lena und ich hatten eine ganz intensive Gründungsphase, in der wir pro Woche viele Stunden in das Buusenkollektiv gesteckt haben: Kontakte knüpfen, Insta aufbauen, Produkte für den Etsyshop entwickeln, Zukunftsplanungen, Tittie-Talks etc. Zu Beginn hatten wir vereinbart, dass wir das ganze erstmal zu zweit machen, weil dann natürlich die Absprachen deutlich einfacher und schneller sind. Das war auch so, hatte aber zur Folge, dass wir gar kein Arbeitssystem aufgebaut, sondern schlichtweg quasi ein Jahr lang alles über Whats-App-Sprachnachrichten geklärt haben.
Aber irgendwann waren wir beide an dem Punkt angelangt, dass es so in dieser Intensität nicht mehr funktionierte. Wir beide brauchen mal wieder mehr Zeit für andere Sachen, so dass klar wurde, dass wir tatkräftige Unterstützung brauchten.
Die Frauen, die uns jetzt komplettieren, kannten wir vorher schon über Insta, teilweise haben wir in anderen Krebsprojekten zusammengearbeitet oder sie haben uns bei der Testung unserer entwickelten Produkte (wie zum Beispiel den Etappenkarten) unterstützt. Somit waren wir uns sicher, dass wir in all unserer Unterschiedlichkeit und Buntheit einen superguten neuen Mix ergeben.
Steff, was hat dich dazu motiviert, beim Buusenkollektiv mitzumachen?
Das Buusenkollektiv bedeutet Freundschaft, Verbundenheit, Gemeinschaft, Verständnis und so viel mehr. Ich freue mich mit so wundervollen Frauen eine gemeinsame Mission zu verwirklichen. Die Tittie-Talks haben mir schon den ein oder anderen Abend gerettet, weil ich hier Frauen traf, die mich einfach verstanden. Mit denen ich über Dinge sprechen aber auch lachen kann, die manch anderer vielleicht als makaberen Humor bezeichnen würde. Ich hätte mir den einen oder anderen Moment in meiner Diagnose ersparen können, hätte ich das Buusenkollektiv schon früher gekannt.
Rhea und Steff, ganz spontan: welche Cancer-Life-Hacks könnt ihr Frauen, die gerade ganz frisch ihre Krebsdiagnose bekommen haben, mitgeben?
Zwei Buusenfreundinnen, ein Gedanke: Die Teilnahme an den Tittie-Talks!
Mehr über das Buusenkollektiv, Lena und Steff findest du hier:
Homepage: https://www.dasbuusenkollektiv.de/
Rheas Instagram-Account:https://www.instagram.com/pink_is_my_new_color/
Steffs Instagram-Account:https://www.instagram.com/_busie_busie/
Etsy-Store: https://www.etsy.com/de/shop/dasBuusenkollektiv
Interview mit Rhea und Lena, den Gründerinnen des Buusenkollektivs: https://sommerbuehne-im-rathausgarten.de/album/tag-08-boobietalk-am-schlagertag/
Inerview mit Lena, die mit Rhea das Buusenkollektiv gegründet hat: https://open.spotify.com/episode/58ap3Io4W56GPRMlXTokh3?si=39042f90852e4d1b
Interview mit Steffi über ihren Umgang mit der Erkrankung: https://www.yescon.org/blog/speaker/stefanie-roedl/
Podcast mit Lena und Rhea: https://sommerbuehne-im-rathausgarten.de/album/tag-08-boobietalk-am-schlagertag
Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”:
https://www.influcancer.com/blog/interview-projekt-annette-fragt/