Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 21.02.2020: Erschöpfung, Designergitarren, Wandergruppen und die Absage des Urlaubs.

Die Ärzte haben für heute keine Vitalwertmessungen eingeplant, also gibt’s dazu hier auch keinen Input. Werte waren ja glücklicherweise alle meist gut, so dass ich das als gutes Zeichen werte. Die Schwester ist leider enttäuscht darüber. Sie freut sich nämlich über jede Praxisübung im Blutabnehmen und hat heute extra mit dem Kollegen getauscht, weil ich gestern sagte, dass heute bei mir bestimmt wieder Blut entnommen wird, und das dann ja über die Vene, weil die Portnadel seit gestern ja nicht mehr in mir steckt. Naja, Pustekuchen. Tut mir leid für sie, ich find es okay heute mal nicht gestochen zu werden. Morgen dann aber.

Ansonsten bin ich momentan furchtbar müde. Gestern habe ich schon den ganzen Vormittag verschlafen, heute auch wieder. Ich steck mir dann immer meine Kopfhörer in die Ohren, lass meine Fighting-Playlist* auf Spotify laufen und dämmere dann weg. Heute kamen dann zur Müdigkeit auch noch die wirren Träume dazu und bildeten eine unheilige Allianz des Schwachsinns.

Ich habe geträumt, dass ich in einer Art Penthouse liege (so wie sie Mr. Grey in 50 Shades of Grey bewohnt). Die „große Halle“ ist aber gestaltet wie ein Park. Mit Flußlandschaft und Brücke mit Geländer und so weiter. Ich schlummere halb liegend, halb sitzend auf einem flauschigen Teppich und döse vor mich hin. Später stehe ich auf, schnappe mir eine Designer-E-Gitarre, wie ich sie mal in einem Musikvideo von Michael und Janet Jackson gesehen habe und rocke ab.

Nach der Jam-Session bin ich wieder müde und schlummere weiter (also im Traum). Und jetzt wird es wirr. Ich träume, dass ich träume, aber gerne im Traum aufwachen möchte. Ich bin aber im Traum und im wahren Leben so müde, dass ich die Augen nicht aufbekomme. Der Kopf will aufwachen, der Körper sagt aber: „nein!“. Plötzlich steht eine Wandergruppe neben mir (im Traum) und bietet mir etwas zu trinken an. Dann wache ich auf. Im Traum und im Krankenzimmer. Krasses Zeug, was die mir hier geben.

Ansonsten erhalte ich viele Nachrichten mit positiven Genesungswünschen und bin immer noch total geflasht von der ganzen Unterstützung. Viele Menschen wünschen mir einfach nur Kraft, andere wiederum teilen mit mir ihre Erfahrungen und Geschichten und bestärken mich darin, weiter zu machen.

Ansonsten treffe ich mittlerweile vermehrt auf andere Krebsblogger und bin erstaunt, wie sehr diese doofe Krankheit doch zusammenschweißt. Besonders beachtlich finde ich die Geschichte des 21 jährigen Alex, der die Diagnose Knochenkrebs bekam und dadurch eines seiner Beine verlor. Seine Geschichte berührt mich doppelt, weil ich ja nun selbst weiß, was es heißt, Wochen oder gar Monate der Ungewissheit hinter sich zu bringen und auf der anderen Seite, weil er für sein abgenommenes Bein eine Hightech-Prothese bekam, die aus meiner alten Heimat kommt. Aber Alex scheint vor Lebensfreude zu sprühen und die Widrigkeiten beiseite zu schieben. Und das steckt an.

Später ist dann noch Visite. Herr Dr. teilt mir mit, dass die Blutwerte ganz gut aussehen, aber immer noch weiter einbrechen können. Wir werden das dann morgen kontrollieren. Was unseren Urlaub in KW 10/2020 angeht, macht er mir wenig Hoffnung, dass ich daran teilnehmen kann. In dem Zeitraum müssen wir PEt/CT, Blutwertkontrollen und einige Gespräche führen müssen, so dass ich dann wohl hier in Hamburg bleiben werde(n muss).

Zwischen 17:00 und 20:00 sind Veit und seine Frau Nadine zu Besuch. Wir klönen dann immer im Innenhof und flachsen rum. Das tut sehr gut und es kommen immer wieder neue Wortspiele dabei raus. Ich lache viel. Ich lache auch gerne. Denn, wie wir alle wissen, ist lachen die beste Medizin – außer bei Durchfall! Aber auch tiefgründigere Dinge besprechen wir. So habe ich heute gelernt, woher der Krebs (also die Krankheit) seinen Namen hat und was sie mit dem Krebs (als Tier ) gemeinsam hat. Dazu haben wir zwei Theorien erörtert:

Theorie 1: bereits in der altgriechichen Geschichte teilten sich zu Zeiten von Galenos von Pergamon im 2. Jahrhundert nach Chr. die Krankheit und das Tier den gleichen Namen. Das kam daher, das die alten Griechen in diesen frühchristlichen Zeiten die Krankheit bereits erforschten und entdeckten, dass die Venen, die durch Krebszellen verlaufen, an den Seiten austreten wie die Beine eines Krebses. Im genauen Wortlaut folgendermaßen:

„… und an der Brust sahen wir häufig Tumoren, die der Gestalt eines Krebses sehr ähnlich waren. So wie die Beine des Tieres an beiden Seiten des Körpers liegen, so verlassen die Venen den Tumor, der seiner Form nach dem Krebskörper gleicht.“

– Galenos von Pergamon

Aristoteles hingegen definierte Krebs als oberflächlich erkennbare, in benachbarte Organe übergreifende und einwachsende Geschwüre. Das bringt uns zu

Theorie 2: In der hat der Krebs seinen Namen vom Einsiedlerkrebs übernommen, der sich bekanntlich auch Muscheln und Muschelreste sucht, um sich darin einzunisten. Eben analog zum Krebstumor.

Jetzt werde ich wohl mal schauen, ob ich mir noch irgendeinen Film ansehe und dann werde ich die Augen für heute ruhen lassen.

Bis denn dann!

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