Erster Geburtstag nach Diagnose
Hallo zusammen,
hurra ich LEBE intensiv, bewusst, feinfühlig, energiegeladen! medizinische Statistiken und Prognosen sind für mich seit diesem Jahr ungültig und verlieren aus meiner Sicht an Glaubwürdigkeit und Bedeutung. Wieder einmal gilt der Grundsatz jede chronische Krankheit ist individuell, ein Stückchen einzigartig im Verlauf und gespickt mit vollen Überraschungen. Meine „ärztlichen Beifahrer“ der Schulmedizin einer hochspezialisierten Expertenkultur können mir zu keinem Zeitpunkt vorschreiben, wann mein Leben beendet sein wird, und so habe ich das Jahr 1 meiner chronischen Krebserkrankung mit Bravour bestanden. Darauf stoße ich mit einem Glas Sekt an! Prost
Meine Erinnerungen an eine Zeit zwischen Licht und Schatten: In 365 Tagen …
- 21 Chemotherapien (2 stationäre Klinikaufenthalte und 19 ambulante Tagestermine), 5 CTs, 2 MRTs, nicht gezählte Blutabnahmen zur Kontrolle des Blutbildes
- 37 Arzttermine, 12 Termine zur Krankengymnastik
- 15 Heilpraktikersitzungen und psychoonkologische Gespräche
- Seit Juli 2021: M51.1 mediolateraler Bandscheibenprolaps/ Sequestration der Bandscheibe LWK 5/SWK 1
- Seit Juli 2021: G61.0 akute motorisch-sensorische axonale Polyneuropathie
- Seit August 2018: K57.10 chronische rezidivierende Sigmadivertikulitis – 2 Entzündungen im Frühjahr 2021
- Seit 2020: K44.9 Axiale Hiatushernie (Zwerchfellbruch)
- Seit 2020: I10 Arterielle Hypertonie
- Im März 2021: N41.0 Akute Prostatitis
- Seit 15.12.2020 100% Schwerbehinderung: Menschen mit einer bösartigen Tumorerkrankung haben mindestens einen GdB (= Grad der Behinderung) von 50 und gelten damit als schwerbehindert. Das klingt zwar zunächst abschreckend, aber laut Definition bedeutet Schwerbehinderung lediglich, dass „zu erwarten ist, dass die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und damit die gesellschaftliche Teilhabe am Leben beeinträchtigt ist.“
„Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann.
Der eine ist Gestern, der andere Morgen.
Dies bedeutet, dass heute der richtige Tag zum Lieben,
Glauben und in erster Linie zum Leben ist.“
14. Dalai Lama
- Chemofreie Zeit vom 27.07. bis 14.11.2021 mit viel aktiver Entgiftung, Abbau Wassereinlagerung, Meditation, Bewegung, Zweisamkeit und Familie. Seit August bin ich Krebs-Blogger auf Instagram und mit meiner eigenen Blog-Seite ein aktiver Netzwerker. Ich unterstütze wichtige Organisationen wie Cancer Unites, YesWeCan-cer, Kurvenkratzer und Pathly für einen angst- und tabufreien Umgang mit der Krankheit.
Auch wenn das Schreiben mittlerweile mühsam ist (kognitive Einschränkung als Nebenwirkung der Chemo), Worte nicht immer sofort abrufbar sind und manche Texte mehrere Tage benötigen, so gibt mir dieses Engagement Kraft, Bestätigung und Wertschätzung. Der Austausch mit Gleichgesinnten wirkt wie ein Beruhigungsmittel, soziale Kontakt (ausschließlich Online in Chatforen wegen Corona) sind der Brennstoff der Seele.
Kein Licht ohne Schatten! Schatten ist unerlässlich für die Erkenntnis und das persönliche Wachsen an den Herausforderungen des Lebens. Gesundheit und Krankheit führen ein permanentes Wechselspiel. Vollkommene Gesundheit ist ebenso nicht erreichbar wie vollkommene Krankheit. Dank dem biopsychosozialen Modell des amerikanischen Medizintheoretiker George L. Engel geht man „heute davon aus, dass Menschen auf der biologischen, psychologischen und sozialen Ebene mehr oder weniger funktionsfähig sind. Das bedeutet, kranke Menschen sind immer auch mehr oder weniger gesund.“ (Quelle: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/kompetenz-gesundheit/was-beeinflusst-unsere-gesundheit).
Wieder einmal sind die eigenen Gedanken der Schlüssel für die Gesundheit. Lissa Rankin sagt hierzu (siehe Ressourcenverzeichnis in meinem Blog), eine gesunde mentale und emotionale Einstellung und ein gesundes, körperliches Wohlbefinden einer zuträglichen Lebensweise stärkt ihren Körper und ist ein Schutz vor Krankheit oder ein Baustein optimaler Heilungsprozesse. „Die Macht des Gedankens, die das Ungesehene beleuchtet, macht das Unsichtbare umso fühlbarer.“ Ich bin krank und doch gesund!
Jedes Leben enthält in größerem oder geringerem Ausmaß Leiden. Das Leid und die Freude buhlen Tag ein Tag aus um die Gunst. Es ist ein Ringen mit offenem Ausgang. Die Einstellung zum Leben und die eigenen Gedanken bestimmen am Ende wie der Tag verlaufen wird. Mein Leben mit dem „Schwarzfahrer Krebs“ ist sinnvoll! Ich bin Mutmacher und Vorbild als palliativer Krebs Blogger geworden und engagiere mich für die Entstigmatisierung von Krebs in unserer Gesellschaft.
„Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.“
Marc Aurel (121-180)
Der Krebs oder besser die Diagnose hat mir einen tiefen ungewissen Sprung in die zweite Lebenschance ermöglicht. „Gesund“ hätte ich diesen Sprung zuvor nicht gewagt, die täglichen Komfortzonen boten einfach zu viel Sicherheit und geglaubtes Wohlergehen eines gewünschten geradlinigen Lebens, das es rückblickend niemals war.
„Mit Würde auf der Welt zu sein heißt, jeden Tag sein Horoskop zu korrigieren.“
Umberto Eco (1932-2016)
Wie verläuft Ihr Leben? Wenn Sie Ihr Spiegelbild betrachten, was sehen Sie?
An alle Krebsler: „never give up“!
Euer
Christian