Annette fragt… Anna Farris
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 19.03. UND 20.03.2020: Ausnahmezustand, Ausgangssperre und außergewöhnliche Fahrzeuge auf den Straßen.
Momentan „hängen“ wir alle zuhause rum und gehen uns gegenseitig auf den Sack… Spaß beiseite. Meine Süße arbeitet derzeit im Homeoffice und pendelt zwischen Esstisch (ihr Interimsbüro) und Loggia (ihr Interims-Konfi für die Videotelefonate mit den Kollegen). Die Kids pendeln zwischen Kinderzimmer (ihr Interimsklassenzimmer) und Wohnzimmer (ihre Interims-Turnhalle). Und ich? Ich Pendel zwischen Unsicherheit ob ich noch rausgehen kann (zur Apotheke u. Ä.) oder ob ich mich komplett verschanzen sollte. Normalerweise versuche ich ja so positiv wie möglich zu denken. Aber momentan ist das immer schwieriger.
Seit Montag schwebe ich auch in so einem Zustand der Unsicherheit, weil ich meine genauen Blutwerte nicht kenne. Zwar entlässt man mich ja nicht mit schlechten Werten aus der Klinik, aber etwas mehr Gewissheit wäre schon gut gewesen. Deshalb war es gestern auch wieder ein Zwiespalt, ob ich mit dem Hund rausgehen kann oder besser nicht.
Heute ging es dann aber endlich zur Blutwertkontrolle. Normalerweise bin ich mit dem Rad zur Klinik gefahren. Auch das war mir heute zu unsicher, so dass ich mit dem Bus gefahren bin. Mit dem VW-Bus. Alleine. An der Klinik angekommen, erwartete mich ein zu gleichen Teilen ungewohntes wie auch verstörendes Bild:
Securitymänner stoppten jeden, der die Klinik betreten möchte und fragten, wo man hin möchte, ob man einen Termin hat und wenn ja, ob man das nachweisen könne.
„Wie soll ich denn nachweisen, dass ich einen Termin habe?! Diesen kleinen Terminbestätigungszettel hab ich zuhause liegen. Mir war ja nicht bewusst, dass hier Sperrzone ist!? Ich hab einen Termin zur Blutabnahme und bei meiner Onkologin im MVZ. Das einzige, wodurch ich das einigermaßen nachweisen kann, ist mein Äußeres und die Einstichstellen an meinem Arm!“. „Nee nee, schon gut. Ich glaub es dir! Alles gute, geh durch!“
Im MVZ Onko auch alles neu. Standen sonst 20-30 Stühle auf den langen Fluren, sind es jetzt nur noch um die 10. Des Sicherheitsabstandes wegen. Nach meiner Blutwertbestimmung hatte ich eigentlich einen Termin bei meiner Onkologin zur Besprechung, wie mit der Reha verfahren werden kann und soll. Das haben wir dann gecancelt, weil derzeit eh alle Rehas abgesagt werden. Stattdessen habe ich wissen wollen, wie lange der Port denn wohl dranbleiben wird. Eigentlich auch nur aus Interesse. Er stört oder beeinträchtigt mich ja nicht. Aber auch hier hörte ich erstaunliches. OP-Termine sind derzeit knapp. Ports werden vorerst nicht entfernt, weil irrelevant. Selbst wichtige OPs wie Tumorentfernungen bei Lungenkrebspatienten werden nun schon herabpriorisiert und nach hinten geschoben… Was für eine Zeit ist das nur gerade… es bleibt nichts als abzuwarten.
Auf dem Weg nach draußen war es ziemlich gespenstisch, denn man weiß, wieviel Publikumsverkehr sonst auf den Fluren von Hamburgs drittgrößter Klinik umherwandelt. Auf meinem Weg nach draußen begegnete mir über drei Etagen nicht eine einzige Person. Erst in der Lobby stieß ich auf 2, 3 Menschen.
Vor der Tür der Klinik dann das nächste unbekannte Bild. Ein Rettungswagen. An sich nichts außergewöhnliches vor einem Krankenhaus. Aber in diesem Rettungswagen saßen keine Sanitäter mit signalfarbenen Uniformen sondern: Polizisten. Auch prangt kein rotes Kreuz auf der Tür sondern der Polizeistern. Anscheinend müssen mittlerweile sogar die Rettungskräfte der Polizei mit unterstützen. In 11 Jahren, in denen ich in Hamburg lebe, habe ich einen solchen „Polizeiretter“ nicht zuvor gesehen.
Ich bin gespannt, was hier noch alles so geschieht, ob es noch eine Ausgangssperre gibt oder was auch immer. Aus eigenem Interesse bin ich klar für die Ausgangssperre. Rigoros. Mit Strafbewährung. Am besten mit mindestens 5.000,-€ Strafe für Zuwiderhandlungen. Damit die Dummbeutel, für die das draußen alles nur ein Scherz und Extraurlaub ist, endlich mal die Glibbermasse im Schädel mal wieder anstrengen. Es bleibt also momentan nichts weiter zu tun als abzuwarten und zuhause zu bleiben. Stay tuned!