Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Fluch oder Segen?

Ist das so? Wie geht es dir dabei? Ist es besser etwas nicht zu wissen und sich sicher zu fühlen oder etwas zu wissen und dementsprechend zu handeln? Wie stehst du dazu?

Ich habe noch nicht mal richtig angefangen und schon stelle ich Fragen. Wieso? Gleich komme ich dazu. Erstmal will ich dir so kurz erzählen, was bei mir in den letzten Monaten so los war. Nicht viel oder auch allerhand, kommt darauf an, wie man es sieht.

Für mich jedenfalls enorm viel. Ich habe einiges an Möbeln gekauft und einiges verschenkt. Viele Sachen eingepackt. Und dann wieder ausgepackt. Menschen, die meinem Kanal auf Instagram folgen, wissen: Ja, ich bin umgezogen.

Ich habe meinen Traum verwirklicht, fühle mich so richtig angekommen und bereue nichts. Mittendrin gab es natürlich Tage, an denen ich mir dachte, wieso tue ich mir das eigentlich an? Spätestens jetzt, wenn ich in meiner neuen Wohnung sitze, weiß ich das.

Ok, den Umzug abgehackt. Eines noch: Ich habe so viele Sachen aussortiert und trotzdem hatte ich immer noch 30! Kisten. Und ich dachte, ich käme mit 15, höchstens 20 aus. Gott sei Dank habe ich “sicherheitshalber” 30 bestellt. Viel zu viel Zeug. Da wartet noch etwas Arbeit auf mich.

In der Reha war ich auch. Diesmal in St. Veit im Pongau. Onkologisch. Sie hat mir sehr gut getan. Ich habe wieder sehr viele liebe Menschen kennengelernt, die Ärzte sind top und die Gegend erst! Eine Wohltat für die Augen. Es hat mir so gut gefallen, dass ich tatsächlich mit dem Gedanken spiele, nächstes Jahr wieder dorthin zu fahren, obwohl die Anreise aus Wien etwa 5 Stunden dauert. Sei’s drum!

Last, but not least: Ich war auf dem ersten Ball meines Lebens! DANCER AGAINST CANCER! Was für ein Erlebnis! Es fühlt sich immer noch so unwirklich an. Und: Looking forward for the next one!

Was hat sich sonst getan? Jede menge Arzttermine, wie immer. Da hat sich nichts geändert. Ich kann nicht behaupten, alles wäre bei Altem, weil so ist es nicht. Und das bringt mich wieder zu meinen Fragen am Anfang.

Gerade musste ich nachschauen, wann ich meinen letzten Eintrag geschrieben habe und kann kaum fassen, dass es fast sechs! volle Monate her ist. Unfassbar. Nun ja, mein Leben ist nicht stehen geblieben. Im Gegenteil.

Ein Tag später, nach meinem letzten Blog, war ich in der genetischen Ambulanz. Ich hatte eine Befundbesprechung, bei der mein Befund von der Gentestung besprochen wurde. Und was soll ich sagen? Bingo! CHEK2 ist angesprungen. ABER: Es hätte schlimmer werden können, und nur das zählt. Wieso? Wir haben insgesamt 20 Gene getestet. Normalerweise werden 13 angeschaut, jedoch, als die Ärzte meinen Familienstammbaum mit allen (mir bekannten) Krebserkrankungen durch hatten, entschieden sie, auch andere 7 anzusehen. 

Du siehst, ich bin schon wieder mit einem blauen Auge “davon gekommen”. Ja, ich weiß jetzt, dass ich diese Mutation habe. Klar könnte ich deswegen auch verzweifeln, ist aber nicht so. Habe ich deswegen eine Schraube locker? Könnte sein. Wird jedoch viel eher sein, dass mir mein Pragmatismus schon wieder wunderbare Dienste leistet.

Es gibt Menschen, die eine Krebserkrankung durchmachen, sie glücklicherweise (hoffentlich) gut überstehen, damit abschließen und weiter so gut wie möglich ihr Leben leben. Am liebsten vergessen, was es war. Genau so, wie sich die Öffentlichkeit oder manchmal auch der Partner/die Partnerin das vorstellen. Und das ist auch gut so, wenn es für sie funktioniert.

Meine Sicht auf das Ganze ist eine andere. Wie eine meine sehr liebe Freundin vor kurzem sagte, “einmal Krebs, immer Krebs”. Und so verstehe ich diese Erkrankung auch.

Nun ja, es könnte sein, und das würde ich mir und auch allen anderen wünschen, dass es bei einmal bleibt. Jede/r, bei dem es so sein wird, wird ganz sicher dieses Glück nicht fassen können. Mich eingeschlossen.

Wenn man jedoch weiß, dass die Gefahr höher ist an Krebs zu erkranken, wie zB. bei mir, hat das auch seine gute Seiten. In meinem Fall heißt das Folgendes: Der Krebs war schon mal da. Es könnte sein (Gott behüte), dass noch etwas kommt. Da ich jetzt jedoch weiß, dass ich genetisch vorbelastet bin, bekomme ich auch mehr Früherkennung. 

Alles wurde mit mir besprochen und ich erhielt die Leitlinien dazu. Diese haben sich bereits als Gold wert erwiesen. Viele Ärzte kennen sich mit Chek2 noch nicht aus, manche müssen googeln, aber das ist ein Thema für einen anderen Blog. So lange ich meine Anweisungen habe, fühle ich mich gut aufgehoben und bin bereit danach zu handeln.

Eine Psychologin war damals auch bei dem Termin dabei, als mir die Ergebnisse der Genuntersuchung mitgeteilt wurden. Schon das alleine zeigt, dass dieses Thema nicht auf die leichten Schultern zu nehmen ist. Wieso lässt mich dann dieses Wissen nur so kalt?

Weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass nur wenn man etwas weißt, auch handeln kann. Es ist immer noch mein Körper, meine Genetik. Wenn ich von etwas nicht weiß, bedeutet das nicht, dass es nicht kommen wird. Leider. Sonst würde ich natürlich auch ich meinen Kopf in den Sand stecken. Wie ein Strauß. Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich sage nichts. Das funktioniert aber nicht. 

Nur das, was man kennt, kann behandelt werden. Jemand mag vielleicht oder sogar ganz sicher sagen, ja aber Früherkennung heißt, es ist schon etwas da, ist dann auch wieder gleich.

Ja, genau das bedeutet die Früherkennung, NUR: Dieses “Früh” ist auch die Lösung des Rätsels. Besser früh als spät, würde ich sagen. Natürlich kann niemand eine Garantie geben, dass auch in diesem Fall, wenn etwas früh entdeckt wird, alles gut werden will. Es gibt ja genug Beispiele, die das Gegenteil zeigen. Das heißt nur, dass die Chance größer ist, etwas besser durchzustehen. 

Ob es dann tatsächlich so sein wird, entscheidet nur unser Körper. Nicht die Ärzte, nicht die Medikamente. Nur der Körper, natürlich vorausgesetzt, dass man die Therapie, die in dem Fall möglich wäre, auch tatsächlich bekommt.

Ich kannte viel zu viele Menschen, die noch nicht “austherapiert” waren (ich mag dieses Wort nicht besonders), und doch sind sie heute nicht mehr unter uns. Es gäbe noch Therapie in ihrem Fall, aber aus irgendeinem Grund entschied der Körper, nicht mitzumachen.

Also, ob ich etwas weiß oder nicht weiß, verändert nicht die Zusammensetzung meiner Atome. Es gibt mir aber eine große Chance, vielleicht doch halbwegs heil aus dem Ganzen raus zu kommen.

So weit meine Gedanken dazu.

Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal

Miri

 

Bild von Pete Linforth auf Pixabay (herzlichen Dank!)

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