Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Mein Leben 3.0

Tja, was wohl?

Hier bin ich. Ein kurzes Lebenszeichen. Ich habe diesen Blog in letzter Zeit, letzten Monaten oder, man kann auch sagen fast ein Jahr, etwas vernachlässigt. Nicht weil ich es so wollte. Nicht weil mir die Themen dafür gefehlt haben. Die gab es. Zu genüge. So viel, dass ich manchmal den Überblick verlor und nach mir selbst suchen musste.

Und da, mittendrin, begegnete mir wieder ein Gedanke. Was würde sie dazusagen? Wer ist sie? Na ja, das kleine Mädchen, das mir in letzter Zeit immer wieder vor meinem inneren Auge begegnet. Fröhlich hupfend, in ihrem weinroten Trägerkleid, das sie so geliebt hat.

Das sind meine ersten Kindheitserinnerungen. Ich, in einem dunkelroten etwas – keine Ahnung, ob ich es ein Kleid oder doch ein Rock nennen soll. So weit ich weiß, sah und fühlte sich mehr nach einem Rock aus und an, hatte jedoch Träger. Man konnte es aber auch nicht ohne ein T-Shirt anziehen.

Egal. Ich vergötterte dieses Kleidungsstück damals. Und so war auch kein Wunder, dass ich. letztes Jahr als ich zum Ball ging, einem wunderschönen Ballkleid verfallen bin. Richtig. Es war weinrot.

Wie hat sich dieses Kind sein eigenes Leben, seine Zukunft vorgestellt? Was wollte ich damals haben? 

Ich weiß es nicht mehr. Natürlich würde ich gerne sagen, dass ich mir meine Zukunft ausgemalt habe. Meinen Träumen nachgegangen war, mir meine Familie vorstellte. Habe ich aber nicht. Das ist das Einzige, was ich mit Sicherheit behaupten kann. Unter meine ersten Erinnerungen mischt sich auch eine, in welcher ich meine Basen sehe, wie sie, in Ermangelung der richtigen Puppen, Holzscheiter an sich pressten, die sie vorher in Stoffwindeln einwickelten, und so taten, als wären dies ihre Babys.

Nun ja. Ich tat das nicht. Ein oder anderer Mal ging ich hinter dem Vorhang und dann ließ ich, bei Herausschreiten, den über meinen Kopf gleiten. Das war mein “Brautspiel”.

Und geheiratet habe ich im schwarzen Kostüm. Mir war sogar meine Erstkommunion peinlich, weil ich; so wie damals üblich; in einem “Brautkleid”, aber halt für Kinder, steckte. Richtig mit Schleier und so. Glücklicherweise machte man (oder meine Familie) damals nicht so viele Fotos. Der Grund war ziemlich einfach: Wir hatten keinen Fotoapparat. Und so schaue ich an diesen zwei Bildern, die ich davon habe, unglücklich genug für weitere 10 oder 20.

Also was hatte dieses Mädchen von ihrem Leben erwartet? Dass es, nur ein paar Jahre später, etwa mit 6, eine Alkoholvergiftung überleben wird? Mit 17 unter eine Straßenbahn kommt? Im Alter von 31 einen Grab für ihren verstorbenen Mann aussuchen muss? Knapp eine Woche nach ihrem 42. Geburtstag, nach einem Herzinfarkt und darauf folgender Wiederbelebung, auf der Intensivstation mit einem Tubus im Mund wieder wach wird? Unter der Dusche mit 47 ihren Brustkrebs ertastet?

Ganz sicher nicht. Wie hat es das Ganze überlebt? War da schon immer dieses “nur jetzt, nur hier”?

Wie geht es jetzt weiter? Was ist in meinem Leben 3.0 in den letzten Monaten passiert? Dazu gleich: Viel. Weniger Gutes und Gutes. Fangen wir mal mit “weniger Gutem” an.

Mir wurde (ja, schon wieder!) mein Rehageld entzogen. Ich bin seit Anfang November wieder arbeitssuchend. Eine Klage gegen PVA läuft. Somit hatte ih noch mehr Zeit bei Ärzten und in den Wartezimmern verbracht als ich sonst tun würde.

Es kommt immer wieder zu neuen Überraschungen. Weniger guten, natürlich. Im Moment sind irgendwelche Lungenrundherde aufklärungsbedürftig. Ein PAP3 (das selbe im Grün) hat sich ebenfalls dazugesellt. Mir wird nicht fad, aber nächstes Mal dazu mehr. Wie meine Kardiologin sagen würde, “Es ist kein Wunder, dass Sie eine Gürtelrose entwickelt haben, bei den ganzen.”

Nun zum Guten. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer zumindest versuche, einen guten, positiven Schluss zu finden. Das heißt bei mir jedoch nicht, du musst positiv denken. Ganz im Gegenteil. Das Einzige was nutzt, wenn das Leben bescheiden ist, ist einfach weiterzugehen. Damit es irgendwann besser wird. Und ob wir dabei positiv oder negativ denken, ändert die momentane Situation nicht. Nichts an den Tatsachen oder Fakten.

Es verändert jedoch die Aussicht. Der Weg, den wir gehen müssen, wird vielleicht etwas breiter, grüner. Möglicherweise fallen uns sogar ein paar Blümchen auf dem Wegesrand auf. 

Und über mich würden in letzter Zeit tatsächlich viele Blumen ausgeschüttet. Ich war im Sommer in der Oper bei “Carmen”. Kurz darauf ging es zum ersten Mal in meinem Leben nach Italien mit zwei wunderbaren Freundinnen aus meiner “Brustkrebsblase”.

Anfang Dezember durfte ich bei dem CEWE-Kalender für den Verein Dancer against Cancer mitmachen. Die Promis wurden von niemand geringerem als Manfred Baumann fotografiert. Mein Kandidat hat zwar in den letzten Tagen ein paar Kratzer bekommen, aber wie wir in Österreich sagen: jo mei, wenns nur des is!

Schon ein paar Tage später ging es zu “feel again”. Dabei meine ich den Verein, der von der wunderbaren Mädels, Catharina Flieger und Birgit Machtinger, gegründet wurde mit dem Gedanken, uns, am Krebs erkrankten, kostenlose Make Up Kurse und Fotoshootings zu ermöglichen. Auch mein heutiges Titelbild ist davon. Das hat die großartige Maria Hollunder gemacht, da Birgit leider krank war.

In etwa zehn Tagen geht es wieder zum Ball. Zwei Urlaube wurden gebucht. Unsere Frühstückstreffen finden immer wieder statt.

Das Leben nimmt, das Leben gibt. Es hat mir vielleicht, oder ganz sicher sogar, ein Teil meiner Gesundheit genommen. Als Ausgleich dafür bekam ich wunderbare Menschen, die ich meine Freunde nennen darf. Ich wurde mit ihnen gesegnet. 

Vielleicht denkst du jetzt, na ja, die Gesundheit wäre besser. Nun ja, ich bin davon überzeugt, dass nichts ohne Grund passiert, so auch meine Erkrankungen. Vielleicht waren sie nötig, um aus mir diesen Menschen zu machen, der ich jetzt bin. Oder auch einfach damit ich andere Menschen, die jetzt meine Familie geworden sind, auf ihrem Weg  begleite und umgekehrt.

Wir müssen nicht alles wissen oder gar begreifen. Wichtig ist nur, wie wir etwas begegnen. Vielleicht spüren wir dann auch etwas Glück und Freude.

Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal

Miri

 

 

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