Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Chemotherapie: Eine haarige Angelegenheit

Kurz vor der zweiten Chemotherapie gesellte ich mich zu den Patientinnen und Patienten hinzu, denen die Haare ausfallen. Von meinen Erfahrungen im glatzköpfigen Wahnsinn zwischen Perückenstudio, Internetshopping, dem Glatzen-Haarwaschritual und meiner Begeisterung für Beanies erzähle ich euch im folgenden Blogbeitrag .

Annette und ihre Haare…

Wer mich kennt, hat mich schon mit sämtlichen Frisuren von raspelkurz über Bob und Langhaarschopf, von braun über rot (ein Ausrutscher in der Jugend) hin zu goldblonden Strähnen gesehen. Ich war mit robusten naturgewellten Haaren gesegnet, die sämtliche Experimente mit Farbe, Shampoosorten, Gel oder Haarwachs, Fönen und ständigen Chlorkontakt infolge meiner Schwimmleidenschaft problemlos mitmachten.

Zum Zeitpunkt meiner Krebsdiagnose trug ich einen Kurzhaarschnitt, den ich mir ein paar Monate zuvor aus einer plötzlichen „Ich brauche eine neue Frisur!“-Laune heraus hatte schneiden lassen. Angesichts der bevorstehenden Kurz-Kurz-Kurz-und-noch-kürzer-Frisur war das wohl ein Wink des Schicksals gewesen. Lassen doch viele Krebspatientinnen sich ihre langen Haare abschneiden, damit der Wechsel zur Glatze nicht allzu extrem ist. Diesen Tipp würde ich jeder Neu-Erkrankten geben. Andernfalls ist der Wechsel wirklich extrem und kann für einen selbst und auch das Umfeld ziemlich schockierend sein.

Alle sechs, sieben Wochen stand ich bislang bei meiner Friseurin auf der Matte und ließ mir im Wechsel nur Schnitt oder Schnitt und Strähnen verpassen. Beim Bezahlen vereinbarte ich immer schon die Folgetermin. Und so stand auch ein Termin für Ende November im Kalender, den ich vereinbart hatte, bevor die Krebsdiagnose mein Leben ziemlich durcheinander brachte. Auch wenn zwei Wochen später die Chemotherapie starten würde, war mir klar: Diesen Friseurtermin würde ich auf keine Fall absagen. Noch ein letztes Mal wollte ich den besonderen Salonduft riechen und mir den Kopf massieren lassen. Nicht zuletzt wollte ich mit meiner Haarfee, die mir im Laufe der Jahre, durch gemeinsame Schwangerschaft und Zusammentreffen über den Schulbesuch der Kinder, zu einer sehr, sehr guten Bekannten geworden war, über Gott und die Welt und mich und meinen Krebs plaudern. Denn “oft braucht es keinen Psychologen, sondern nur einen guten Friseur!”

Auf der Hinfahrt vergoss ich zwar ein paar Abschiedstränen, aber kaum hatte ich den Friseursalon betreten, war ich plötzlich gut gelaunt und konnte den Wellnessmoment mitten im Krebschaos total genießen und ließ meine Kurzhaarfrisur ein letztes Mal in Form bringen, auf Farbe verzichtete ich. Danke Katja, dass du mir geholfen hast, diesen Termin so normal und unsentimental wie möglich zu erleben!

Beanie-Online-Shopping

Warum auch immer: Irgendwie wusste ich von Anfang an, dass ich ein Beanie- und kein Perückentyp bin. Und so hatte ich mir – onlineshoppingbegeistert wie ich bin – schon kurz nach der Brust-Operation mittels Kombinationen aus Begriffen wie „Kopfbedeckung/Turban/Beanie/Mütze/Chemotherapie/Krebs“ über Mr. Google unterschiedliche Kopfbedeckungen gesucht. Dann hatte ich zig Modelle bestellt, anprobiert, einen Teil davon retourniert und mir eine schöne Mützen-Parade zusammengestellt. Frau will ja schließlich Auswahl. Die Mützlein und Beanies und Tücher warteten dann noch eine Weile geduldig in meinem Kleiderschrank auf ihren ersten Einsatz. Zwischenzeitlich habe ich die meisten davon auch tatsächlich getragen. Manche sehr oft, andere liegen seit ihrem Kauf unbenutzt im Schrank.

Künstliche Haarpracht: Ja oder Nein?

Das Sprechzimmer meines Onkologen hatte ich nach dem Chemo-Aufklärungsgespräch – wie wahrscheinlich die meisten Krebspatientinnen und –Patienten mit einem Rezept für eine Perücke, den Flyern von zwei Perückenstudios verlassen sowie einem irgendwie komischen Gefühl verlassen. Manch einer oder eine weiß vielleicht schon von vornherein, dass sie oder er sich auf jeden Fall eine Perücke anziehen wird, wenn es dann soweit ist mit dem Haarausfall. Andere sind vielleicht noch unentschlossen, weil sie sich noch gar nicht recht vorstellen können, wie es so sein wird ohne Haare. Ich glaube, ob man dann schlussendlich mit oder ohne Perücke, lieber mit Beanie oder vielleicht auch ganz glatzköpfig herumlaufen möchte oder ob man vielleicht sogar alle Möglichkeiten im Wechsel betreibt, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Ich selbst konnte mir überhaupt nicht vorstellen, jemals so ein künstliches Haargewuschel auf meinem Kopf zu tragen (Nachtrag: Ich hab es während der ganzen Glatzenzeit auch nie getan.). In Gesprächen mit dem Göttergatten war ich aber zu dem Schluss gekommen, dass doch manches dafür sprach, eine Perücke zu kaufen. Zum einen konnte ich durch die Perücke in Situationen wie einem Familienfest oder einem Elternabend zumindest optisch krebsfrei anwesend sein. Ich würde kein Gesprächsthema oder Anlass für Gerüchte sein oder mich gezwungenermaßen erklären zu müssen. Auch könnte ich so verhindern, dass ich meinen Kindern auf einem Klassenfest oder auch beim Besuch von Freundinnen und Freunden peinlich sein könnte.

Im Nachhinein waren diese Gedanken völlig unnötig. Denn zum einen finden wegen Corona momentan sowieso keine größeren Zusammentreffen statt und zum anderen stört es keines meiner Kinder, wenn ich Beanie trage und so hatte ich schon ein (Online-)Elterngespräch mit dem Klassenlehrer meines Sohnes, habe ich mich sämtlichen Besucherkindern mit Beanie präsentiert, was alle drei Goldschätze völlig kalt lässt und ziehe auch sonst wegen keines Termins meine Perücke an.

Ich rate aber jedem, das Perückenrezept vor der ersten Chemotherapie einzulösen.

Dennoch würde ich allen Krebspatientinnen und –patienten unbedingt zum Kauf einer Perücke raten. Denn im Normalfall gibt es weitaus mehr Momente, in denen man auf andere Menschen trifft als in Pandemiezeiten. Außerdem ist man dann für alle Eventualitäten gerüstet. Denn ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass es der einen oder dem anderen lieber ist, sich – je nach Anlass oder auch eigener Verfassung – in der Menge untertauchen zu können oder bei fröhlichen Anlässen wie einer Hochzeit anderen unabsichtlich die Freude zu verderben, weil so offensichtlich der Krebs mit im Raum sitzt.

Und ganz ehrlich: Warum sollte man nicht auszunutzen, dass die Krankenkasse sich an dem Kauf finanziell beteiligt? (Mit einer kompletten Kostenübernahme kann wohl bei keiner Kasse, auch nicht bei einer privaten gerechnet werden!)

Eine Begegnung der etwas anderen Art: Im Perückenstudio

Über eine gute Bekannte, hatte ich die Adresse eines Perückenstudios erhalten, wo deren Tante, ehemalige Krebspatientin, sehr zufrieden gewesen ist. Dort vereinbarte ich einen Termin, zu dem mein Mann, anders als bei so manchem Arztbesuch, trotz Corona mitkommen durfte. Die Kinder brachten wir bei Freunden unter und fuhren an einem Samstagvormittag los. Mitten in einem Wohngebiet, im Keller eines Einfamilienhauses, waren wir dann plötzlich in einer anderen Welt. Es fühlte sich irgendwie an wie eine Mischung aus 60er-Jahre-Ambiente plus Theateratmosphäre in Verbindung mit Kosmetikstudio und Friseursalon. In mehreren Regalreihen saßen auf weißen Plastikköpfen Perücken aller Art. Da gab es lange Haare, kurze Haare, lockige Haare, glatte Haare, Haare in sämtlichen Farben, Männer – und Frauenfrisuren und wie die Besitzerin des Perückenstudios schon eingangs mitteilte, konnte jede Perücke noch gekürzt, durchgewuschelt, toupiert oder auch zurechtgeschnitten werden.

Ich wusste im Prinzip, was ich wollte: Eine Perücke, die meiner Frisur und Haarfarbe so nah wie möglich kam. Zwar hätte ich die Möglichkeit gehabt, ganz schnell von ganz kurz auf ganz lang oder von lockig auf glatt zu wechseln und meine Schwester hatte so einen „Typwechsel auf Zeit“ auch angeregt. Da ich die Perücke ja aber eigentlich dazu benutzen wollte, von mir abzulenken, mich unsichtbar zu machen, mich normal zu fühlen, wäre es unsinnig gewesen, durch einen plötzlichen und noch dazu krassen Frisurwechsel, Blicke und Fragen heraufzubeschwören.

Ruckzuck hatte ich eine Perücke gefunden, die meinen Vorstellungen entsprach. Da mir klar war, dass ich diese nicht oft tragen würde, reichte mir eine Kunsthaarperücke völlig aus. Allerdings muss ich sagen, dass die Haare sich zwar unecht anfühlten, ich aber optisch keinen Unterschied zu den Echthaarperücken feststellen konnte Der Preis der Perücke war auch so schon ein stattlicher und ich hatte keine Lust eine Riesensumme Geld für ein paar Stunden Perückenleben auszugeben. Denn über die Krankenkasse würde auf keinen Fall der gesamte Preis übernommen werden.

Meine gewählte Perücke musste noch ein klein wenig in Form geschnitten werden und so hatte ich kurze Zeit nach meinem letzten Friseurbesuch irgendwie nochmal einen. Wobei es ein seltsam bizarrer Moment war, da die Perücke ja über meine noch vorhandenen dichten Haare gezogen wurde und ich somit eine Doppelfrisur hatte.

Da meine Stimmung angesichts der doch leicht tragischen Situation –  immerhin meine haarlose Zukunft – erstaunlich gut war, wollte ich die Gunst der Stunde nutzen und mich frisurtechnisch doch noch ein wenig verwandeln. Wann sonst würde ich wieder mal die Möglichkeit haben, auf einen Schlag ein rothaariger Langhaarvamp zu werden oder einen glatten Bob tragen zu können, was mir dank Naturwelle noch nie vergönnt gewesen war. Ich hatte meinem Teeniemädchen versprochen, auch auch eine Langhaarperücke anzuprobieren. Das tat ich selbstverständlich und verschickte einen Fotobeweis an sie. Ich machte noch ein paar verrückte Selfies mit weiteren Frisuren, die mich und meine Kinder im Nachhinein immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben.

Im Perückenstudio gab es auch einen Ständer mit Beanies und Kopftüchern, der schon beim Eintreten mein Interesse geweckt hatte. Ich entschied mich für den Kauf zweier Beanies, die ich zusammen mit der Perücke plus einem speziellen Shampoo und einer Haargelprobe bezahlte.

Auf der Heimfahrt verschickte ich mehrere Frisurenfotos an Familie und Freundinnen. Es war total spannend, dass alle fragten, warum darunter auch ein Foto von mir mit meinen echten Haaren sei. Damit meinten sie das, auf dem ich meine gekaufte Perücke trug. Wirklich Wahnsinn, dass das Ding so täuschend echt aussieht!

Zu Hause angekommen, legte ich die Beanies zu den Internetkäufen und stellte den Karton mit Perücke und Pflegemitteln in meinen Schrank. Während ich die Beanies schon viele, viele Male auf dem Kopf hatte (eines der Perückestudio—Beanis gehört zu meinen absoluten Favoriten), habe ich die Perücke seit ihrem Kauf nur ein Mal hervorgeholt, mir auf den Kopf gezogen und dann wieder verräumt. Mal schauen, ob ich das Teil tatsächlich einmal tragen werde oder ob es irgendwann zur Pippi-Langstrumpf, Piraten-, Clown-Perücke in unsere Verkleidungskiste wandern wird?

Es geht los…

Als ich noch Haare hatte, fragte ich mich, wie das mit dem Haarausfall eigentlich ablaufen würde: Erwacht man da plötzlich eines Tages und hat eine Glatze? Oder rubbelt man sich aus Versehen beim Shampoonieren alle Haare vom Kopf? Fallen Haare, Wimpern und Augenbrauen alle gleichzeitig aus? Ich kann Entwarnung an alle geben, die noch in Wartestellung auf ihren Glatzkopf sind. Das alles geschieht nach und nach. Wie war es bei mir?

Nachdem ich Mitte Dezember die erste Chemo-Sitzung hinter mich gebracht hatte, setzte ich mir ein Ziel: Ich wollte unbedingt noch Weihnachtsfotos von mir mit Haaren und im neuen, roten Kleid, das ich vor meiner Diagnose gekauft und noch nie getragen hatte. Und –tadaa!!! – als ob da Universum sich bemüßigt gefühlt hätte, etwas bei mir gut machen zu müssen, sollte ich diese Fotos tatsächlich noch bekommen. Schön kitschig. Neben dem herrlich bunt geschmückten Tannenbaum. Den Göttergatten küssend. Ihn im Arm haltend. Neben meinen schick angezogenen drei strahlenden Goldschätzen stehend. Allein in die Kamera grinsend.

Kaum waren die Feiertage aber vorbei, nahm der Haarausfall am Kopf dann aber im Turbogang Fahrt auf. Überall fanden sich Haare von mir. Und als dann am 29.12. die zweite Chemotherapie durch war, gab es kein Halten mehr: Ich konnte mir die Haare büschelweise ausziehen.

Die Wimpern und Augenbrauen wurden bei mir mit der Zeit weniger, gingen aber zum Glück nicht komplett aus. Die sonstigen Härchen am Körper waren auf einen Schlag weg und das könnte gern auch so bleiben.

Das erste Mal mit Beanie am Start

Silvesterabend 2020 am Esstisch der Holls: Ich mümmele, noch leicht angeschlagen von der zweiten Chemotherapie, an ein paar Paprikastücken mit Quark herum, während der Rest der Bande genießt Fondue. Da beschwert der Göttergatte sich, dass neben meinem Teller und auf dem Boden und “überhaupt überall“ Haare von mir herumliegen würden. Zartes, schwaches Chemo-Pflänzchen, das ich war, reagierte ich zunächst leicht säuerlich darauf („Ich kann ja nichts dafür!“…), aber schlussendlich brachte das den Gedanken-Stein ins Rollen.

Von einem inneren Drang getrieben, ging ich etwas später an meinen Kleiderschrank und wählte nun das erste Beanie aus, das ich tragen würde: Dem feierlichen Anlass entsprechend war sie in schlichtem Schwarz gehalten, hatte aber das gewisse Etwas, silberne Funkelsteinchen und setzte mich dann mit Beanie auf dem Kopf zu meiner Familie aufs Sofa, um „Dinner for one“ anzuschauen.

Haarlos ins Neue Jahr

Die Haare nach und nach ausfallen lassen oder sich auf einen Schlag von allen trennen? Für mich stand das schnell fest: Meine Haarfee würde zum Rasieren meiner Haare vorbeikommen, denn alleine traute ich mir das nicht zu. Als ich das erste Haarbüschel in der Hand hatte, informierte ich sie und wir vereinbarten als Termin für die Haar-Mission den 2.1.. Aber schnell war mir klar, dass ich auf keinen Fall tatsächlich noch „so lange“ warten konnte, auch wenn es nur ein paar Tage waren. Die Haare, die seltsam strohig und nicht mehr richtig fest an meiner Kopfhaut hingen, mussten schleunigst weg. Also musste der Göttergatte ran.

Am Neujahrsmorgen war es soweit. Die Eltern verzogen sich nicht zum Schäferstündchen ins Schlafzimmer, sondern zum Haarerasieren ins Badezimmer. Die Kinder tobten derweil im Schnee. Auf Anraten meiner Freundin (und gleichzeitig Hausärztin) hin, hatte ich sie zuvor gefragt, ob sie beim Frisurspektakel anwesend sein wollten. Dies hatten sie verneint und ich akzeptierte es kommentarlos. Rückblickend war es so vielleicht auch ganz gut. Denn als ich dann auf dem Hockerm und mit Handtuch auf den Schultern vor meinem Friseur in spe saß und ich seinen Rasierer hörte und die Haare auf den Boden fallen sah, kamen mir die Tränen. Ich beweinte meine Haare, nahm Abschied vom Leben mit ihnen. Aber als die Haare dann in einem Haufen auf dem Boden lagen, war das dramatische in diesem Moment für mich vorbei. Ich fühlte mich seltsam befreit, seltsam klar. Ein neuer Lebensabschnitt hatte begonnen.

Der Göttergatte war erstaunlicherweise weniger gefasst als ich. Kommentar: „Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Bei der Geburt eines Kindes dabei zu sein oder der Ehefrau die Haare abzurasieren?“. Ein dreifaches Hoch auf den besten, den tollsten, den seit 25 Jahren-immer-an meiner-Seite -gewesenen Mann! Dieser Moment gehört auf jeden Fall zu denen, die uns noch mehr zusammenschweißten.

Anschließend ging er eine Weile mit den Kindern raus und ließ mir etwas Zeit, um mich mit meinem neuen Ich anzufreunden. Ich begrüßte mein neues Aussehen durch ausgiebiges Spiegelbildbetrachten, informierte meine Schwester per WhatsApp über diesen denkwürdigen Moment in meinem Krebsleben und zelebrierte das Schminken etwas ausgiebiger als ich es sonst normalerweise getan hatte. Irgendwie kam es mir so vor, als hätte ich mehr Fläche im Gesicht als bisher und die musste mit Lidstrich, Lidschatten und Wimperntusche und einem Hauch Lipgloss verziert werden.

Auch wenn es manch einer oder einem vielleicht nicht so leicht fällt es zu tun: Ich empfehle die „Kurz-und-schmerzlos“-Nummer des Abrasierens. Denn ganz ehrlich: Aufhalten lässt sich der Haarausfall sowieso nicht und wie ein zerrupftes Huhn rumzulaufen ist auch nicht der Brüller, oder?

Hallo Welt, die neue Annette ist da!

Mit der Glatze ist der allerletzte Schritt in den Status „Krebspatientin oder Krebspatient“ vollzogen. Von jetzt an gibt es kein Zurück mehr: Wenn man sich nicht für Perücke entscheidet, sondern glatzköpfig oder mit Tuch, Beanie durchs Leben gehen möchte, wird man– sofern nicht tiefster Winter herrscht und viele Leute mit Mütze herumrennen – recht schnell als krebskrank entlarvt.

Für mich war das überhaupt nie ein Problem. Ich war bereit, mich der Welt auch mit Beanie offen zu stellen. Noch im Laufe des Neujahrstages bat ich meine Älteste, ein Foto von der „neuen Mama“ zu machen. Dieses verschickte ich an Familie und enge Freunde und lud es als Profilbild bei Facebook und WhatsApp hoch. Hier mein Beanie-Outing-Picture vom 1.1.2021 exklusiv für euch.

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Glatzenregeln im Hause Holl

Ich denke, eine Krebspatientin oder ein Krebspatient sollte zum einen für sich selbst ganz klar wissen, wie er sich präsentieren möchte. Zum anderen halte ich es aber auch für wichtig, die Menschen, die mit ihr oder ihm zusammenleben, insofern darin einzubeziehen, dass sie sich mit seinem Erscheinungsbild arrangieren können. Damit meine ich nicht, dass eine andere Person der oder dem Kranken vorzuschreiben hat, ob sie oder er mit Glatze oder besser mit Perücke herumlaufen soll. Aber ich halte es für angebracht, sie nach ihren Empfindlichkeiten zu fragen. Verständlicherweise kann der neue Anblick Berührungsängste hervorrufen.

Hier bei uns hatte vor allem meine große Tochter anfangs Probleme mit Mamas neuer Nicht-Frisur. Deshalb haben wir ein paar Regeln aufgestellt.

  1. Ich erkläre Besucherkindern, wenn sie mich das erste Mal mit einer Mütze sehen, warum ich diese im Haus trage.
  2. Gäste bekommen mich nur mit Beanie zu Gesicht.
  3. Leute von der Post oder vom Paketdienst werden an der Tür nur Glatzeempfangen
  4. Auf dem Hometrainer darf ich glatzköpfig aktiv sein, auch wenn während der Fahrt mal ein Familienmitglied ins Zimmer kommt.
  5. Beim Schlafen ist es mir freigestellt, ob ich Mütze trage oder nicht.
  6. Wer möchte, darf mir über den nackten Kopf streichen. Aber keiner muss das tun.

“Haare” waschen muss sein!

Es mag sich seltsam verspleent anhören, aber ich stehe dazu: Noch keine Duschsession ist vergangen, ohne dass ich meine “Haare” gewaschen hätte. In der Woche nach der Diagnose ist mir im Supermarkt ein “Only Good Vibes”-Shampoo, in die Augen gestochen. Diesen Wink des Universums konnte ich doch nicht ignorieren, oder? Und so gönne ich meinem Haupt, in dessen Inneren momentan häufig grüblerische und nachdenkliche Anstrengungen betrieben werden, diese regelmäßigen Streicheleinheiten mit abergläubischem Hintergrund.

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