Annette fragt… Anna Farris
Reaktionen auf meinen Lobektomie-Artikel
Wieder ernte ich diese ungläubigen Blicke, als ich Ärzten in einer Reha-Klinik gegenübersitze. Es ist April 2024 und wir besprechen gemeinsam das weitere Vorgehen. Eine (im medizinischen Sinne) junge Patientin mit dieser Diagnose ist selten. “Normalerweise kann der Körper das gut kompensieren”, sagt der behandelnde Internist, “Ihre Werte müssten besser sein.” Tja, die Werte aus den Lungenfunktionsmessungen passen nicht zu ihren Erwartungen. Same procedure.
Still alive
Was soll’s. Es ist, wie es ist. Und damit lebe ich jetzt. Es mag sein, dass es viele Menschen gibt, die nach einer solchen Operation besser dastehen als ich. Mich freut es jedesmal, wenn ich höre, dass sie vergleichbare Probleme nicht kennen. Gleichwohl habe ich in all den Jahren, in denen ich auf verschiedenen Plattformen blogge – seit 2008 – noch nie so viele Reaktionen auf einen Artikel bekommen wie auf meinen kleinen Lobektomie-Rant und die entsprechenden Schilderungen in verschiedenen Podcastfolgen. Das finde ich schon bemerkenswert.
Betroffene schreiben mir ihre Geschichte, fühlen sich verstanden und danken mir dafür, dass sie sich in den Zeilen wiederfinden. Einige anonymisierte Reaktionen lest ihr im Folgenden. Uns allen gemein ist – da bin ich sicher – dass wir froh sind, am Leben zu sein. Für mich war die OP alternativlos und ich hätte sie in jedem Fall durchgezogen. Nur wäre ich einfach gerne auf das vorbereitet gewesen, was danach kam. That’s it. Hier also einige andere Stimmen, die gehört werden dürfen:
Januar 2023
“Stimme dir in allen Punkten zu. […] Ich könnte ein Buch schreiben über den ganzen Mist.”
Juni 2023
“Zum Glück bin ich auf den tollen Beitrag zum Thema Lobektomie gestoßen und habe eben auch den Podcast gehört. Danke dafür. Ich wurde in diesem Jahr zweimal an der Lunge operiert. [… D]er linke Oberlappen wurde entfernt. [… Heute] kann nichts, was Spaß macht. Nicht ins Wasser gehen, komme keinen Hügel hoch, kann nicht Fahrrad fahren, nicht tanzen und nicht wandern gehen, habe exakt zwei Schlafpositionen und wache beim Wechsel von der einen in die andere immer auf. Kann nicht wischen oder staubsaugen, nicht einmal mich nach dem Duschen abtrocknen, ohne das Gefühl zu haben, gerade Hochleistungssport zu machen. Ich komme nicht über das Treppenhaus in meine Wohnung in der fünften Etage und gerade so über den Tag, soll aber arbeiten gehen? Nein, wenn es irgendwie geht, will ich das nicht. Bei meinem Job, Kollegen und Chef ist es erfahrungsgemäß mit dem Verständnis für die Situation auch mit dem Ende der Wiedereingliederung ganz schnell vorbei. […] Auf meine Frage, wie ich mich nach der OP fühlen würde, mit dem weniger an Lunge, antwortete mir der Chirurg: “Naja, nen Marathon werden Sie nicht mehr laufen können”, was ich für mich mit “Also gut, dann ändert sich ja nichts” übersetzte. Marathon wollte ich noch nie laufen. Ich hatte ihn auch gefragt, was ich nach der OP zur Förderung der Heilung machen und was ich besser lassen soll. Da kam auch nicht viel Hilfreiches. Nicht in die Sauna gehen. Heben dürfte ich, es wäre ja keine Bauch-OP.”
Januar 2023
“Der Beitrag zur Lobektomie spricht mir aus der Seele.”
August 2023
“Unter den “ersten 20 der Tour de France” werde ich nicht mehr fahren können, war die Aussage der Pneumologin nach der Bronchoskopie. […] Mit gerade 40 gehört man da ja auch schon eher zu den älteren Radlern. Aber es liegen doch bestimmt mindestens 40 Jahre noch vor mir (beziehungsweise man kann mit so einem Eingriff noch alt werden?), war die Frage an den Lungenarzt. “Durchaus”, war seine optimistisch stimmende Antwort. Auch mit entsprechender Lebensqualität? Waren meine Gedanken. Aber Sport soll wohl auch kein Problem darstellen. Für den einen aber ist Sport eher etwas im Studio mit Ausdauer- und Krafttraining, für den anderen eher leichtes Joggen.”
November 2022
“Was meinst du, wie viele mir nicht mehr glauben, dass ich nicht mehr voll belastbar bin.”
September 2023
“Ja, die Puste fehlt mir auch, vor allem beim Treppenaufgang und in den Bergen.”
November 2023
“Liebe Edda, was bin ich froh, dass ich auf deinen oben genannten Artikel gestoßen bin! Mir wurde wegen eines winzigen Karzinoms der linke obere Lungenlappen komplett und ein kleines Stück des linken unteren Lungenlappens entfernt. […] Die OP ist gut verlaufen und ich gelte als geheilt. Vom Operateur war mir bei der Vorbesprechung mitgeteilt worden, dass ich nach der OP durch die Lobektomie wohl um zirka 10 Prozent eingeschränkt sei, das würde man im normalen Alltag aber eigentlich gar nicht merken. […] Was die ganze Zeit über ein Problem war, war meine Erschöpfung nach der Schule. [… Aktuell] unterrichte ich nun 18 Stunden, aufgeteilt auf vier Wochentage, und bin fix und fertig, wenn ich nach Hause komme. […] Kein Arzt, nicht in der dreiwöchigen Reha, nicht bei der Nachsorge, hat mich darauf vorbereitet, dass ich so wenig Energie haben würde. Ich habe die Problematik zwar angesprochen, erhielt aber keine Infos, die mein Befinden in Zusammenhang mit dem fehlenden Stück Lunge gesetzt hätten. Im Netz bin ich auf die von dir genannten Quellen gestoßen und habe mich darin überhaupt nicht treffend beschrieben gefühlt. Alles, was du beschreibst, trifft auf mich auch zu. Die Schwierigkeiten beim Treppensteigen und beim Überwinden von Steigungen beim Spazierengehen genauso wie das schnelle Ermüden im Alltag. Ich dachte zuletzt wirklich, ich sei eine „Lusche“ oder hätte vielleicht sogar eine Depression, die mir die Kraft raubt. Deshalb bin ich sehr erleichtert und dankbar, deinen Artikel gefunden zu haben.”
März 2024
“Liebe Edda, bei mir wurde auch eine Lobektomie gemacht aufgrund eines Tumors. Deine Ausführungen zu dem Thema sind so richtig. Mir geht es genauso. Und keiner nimmt das ernst. […] Jetzt ist die Belastbarkeit deutlich geringer.”
Januar 2023
“Hallo Edda, ich höre gerade deinen Podcast und finde es super, was du alles erzählst. Mir ging es nach der Lobektomie auch so. Ich wurde auch nicht über die Folgen aufgeklärt und war total perplex, als ich nach drei Tagen nach der OP aus dem Krankenhaus entlassen wurde.”
Januar 2024
“Ich habe mich sehr gefreut, Ihre Ausführungen zu lesen. […] Bedingt durch häufige bronchiale Infekte bei der Bronchiektasie im Mittellappen wurde der Mittellappen entfernt. Und ich kann voll bestätigen, dass der operierende Arzt versprach, danach geheilt zu sein. Und keine erweiterte Aufklärung stattfand. Vorher konnte ich 10 Kilometer joggen. Heute nur noch walken. Grippale Infekte sind auch nicht weniger geworden. Die Leistungsfähigkeit ist dauerhaft eingeschränkt und ständig muss man an sich arbeiten. Aus heutiger Sicht würde ich mich nicht mehr operieren lassen.”
Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen. Danke für eure Berichte. Zusammen sind wir weniger allein. 🙂