Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Wenn der Körper fremd wird: Das Vertrauen in den Körper zurückgewinnen

Nach einer Krebsdiagnose verändert sich alles – auch das Verhältnis zum eigenen Körper. Was früher selbstverständlich war – Energie, Bewegung, Zuverlässigkeit – gerät ins Wanken. Plötzlich fühlt sich der eigene Körper fremd an. Vielleicht sogar, als würde er gegen dich arbeiten. Die Diagnose, die Therapien, die Schmerzen: Sie hinterlassen Spuren, äußerlich und innerlich.

Von vielen Betroffenen habe ich im Laufe der letzten dreieinhalb Jahre gehört, dass sie – gänzlich oder in Teilen – das Vertrauen in ihren Körper verloren haben. Mir ging es ähnlich. Wer einen solchen Kontrollverlust erlebt hat, fällt es schwer, Vertrauen und Zuversicht zurückzugewinnen. Die gute Nachricht: Das Vertrauen kann – langsam, behutsam – wieder wachsen.

Was Vertrauen in den eigenen Körper bedeutet

Vertrauen in den Körper bedeutet mehr, als zu hoffen, dass er wieder wie gewohnt „funktioniert“. Es geht um ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Um die Erfahrung, dass der Körper nicht nur Krankheit, sondern auch Heilung, Kraft und Leben in sich trägt. Nach einer Krebserkrankung ist dieses Vertrauen oft erschüttert. Die körperlichen Veränderungen, die Erschöpfung, die Nebenwirkungen der Therapie – all das kann dazu führen, dass sich der eigene Körper nicht mehr wie „zu Hause“ anfühlt.

Es gibt keinen schnellen Weg zurück – und vielleicht auch kein „Zurück“ im eigentlichen Sinne. Der Alltag nach der Diagnose kann ein vollkommen anderer sein, als du es bislang gewohnt warst. Aber es gibt einen Weg nach vorn. Einen neuen Weg.

Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Es wächst in kleinen Momenten: beim ersten Spaziergang ohne Pause, beim Eincremen nach dem Duschen, beim Atmen, beim in dich Hineinspüren. Oft beginnt dieser Prozess mit der Erlaubnis, sich Zeit zu lassen. Nichts leisten zu müssen. Nur zu sein. Und zu spüren: „Ich bin noch da. Mein Körper ist noch da.“ Still alive.

Vertrauen wächst durch Erfahrung

Wichtig ist: Du musst deinem Körper nicht sofort wieder vertrauen, damit es funktioniert. Du darfst ihn erst mal nur anschauen. Vielleicht sogar skeptisch, mit Zorn oder voller Trauer. All diese Gefühle sind valide. Selbstmitgefühl ist ein Schlüssel auf dem Weg zur Zuversicht. Es bedeutet, dir selbst freundlich zu begegnen – besonders an schweren Tagen. Es bedeutet auch, deinen Körper nicht für seine Schwäche zu verurteilen, sondern anzuerkennen, was er durchgestanden hat.

Hilfreich sind dabei oft:

  • sanfte Achtsamkeitsübungen, zum Beispiel eine tägliche Körperreise
  • ein Körper-Tagebuch: Was tut mir gut? Wann fühle ich mich lebendig?
  • Gespräche mit anderen Betroffenen – oft hilft es, sich nicht allein zu fühlen
  • professionelle Begleitung, etwa durch eine psychoonkologische Fachkraft

Letztlich ist dein Körper nicht nur der Ort der Krankheit. Er ist auch der Ort der Heilung, des Überlebens, der Erfahrung. Vielleicht entdeckst du ihn neu – nicht als Maschine, die kaputt war und repariert werden musste, sondern als Begleiter. Als Teil deiner Geschichte. Vielleicht hilft es dir auch, diesen neuen Zugang aktiv zu gestalten: durch Schreiben, Malen, Bewegung in der Natur. Manchmal reicht schon ein Moment: barfuß durchs Gras gehen, den Wind auf der Haut spüren, sich im Spiegel ein Lächeln schenken. All das kann ein Anfang sein.

Ich spüre nach dreieinhalb Jahren sehr deutlich, dass ich nun endlich wieder in meine mentale Kraft komme. Dass ich meinen Körper so annehmen kann, wie er jetzt ist. Ich bin voll und ganz im neuen Alltag angekommen. 

Das ändert nichts daran, dass mir bei jeder Kontrolluntersuchung wieder mulmig wird und die Angst zurückkehrt, als wäre es gestern gewesen. Mein Körper hat ein hervorragendes Gedächtnis. Gleichwohl spüre ich eine Zuversicht, dass jetzt alles gut werden kann. Vollständige Sicherheit haben wir nie.

Vertrauen lässt sich lernen

Es gibt kein richtiges Tempo, keinen festen Plan. Vertrauen lässt sich nicht erzwingen. Aber du darfst es wieder lernen. In deinem Tempo. Mit deinem Körper. Er hat dich durch schwere Zeiten getragen. Vielleicht nicht perfekt, vielleicht nicht ohne Schmerzen. Aber er ist noch da. Und du bist auch noch da. Das ist ein Anfang.

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