Annette fragt… Anna Farris
Wenn sich der Nebel lichtet
Ich denke, ich habe mir noch nie in meinem Leben mit einem Text so schwer gemacht, wie mit diesem hier. Es ist ja nicht so, dass ich nicht weiß, was ich schreiben soll, sondern viel mehr, dass ich nicht weiß, ob ich dem gerecht werde, was ich ausdrücken will. Ich finde noch immer keine Worte, für die ich der Meinung wäre, sie würden meiner Dankbarkeit, meinem Glück und Staunen gerecht werden.
Zuletzt schrieb ich darüber, wie mich meine Ärztin fragte, wie es mir geht. Nach diesen ersten gewechselten Sätzen, sagte ich auch, dass ich mir jetzt dachte, nach unserem Termin zu meiner Frauenärztin zu gehen, falls sie da wäre. Als sie hörte wer sie ist, folgte ein promptes “sie ist nicht da”. Es war ja Mitte Juli und damit voll die Urlaubssaison.
Dann muss ich zu meiner Hausärztin gehen und bei ihr eine Überweisung für die Mammographie holen, und dann sehe ich weiter, folgte aus meinem Mund. Ich versuchte in meinem Kopf diese Puzzlestücke zusammen zu bringen und über meine nächsten Schritte zu entscheiden. Für mich war ja klar, dass eine Untersuchung her muss, und ich irgendwie zu der gelangen soll. Wie lange das dauern wird und was dazu alles nötig ist, das erfahre ich unterwegs, dachte ich mir damals.
Natürlich wollte ich die Untersuchung schnellstmöglich haben, am besten noch gestern, wie wir in Wien sagen. Gleichzeitig war mir aber auch klar, dass ich nicht alleine auf der Welt bin, und ich wahrscheinlich überall werde ein paar Tage warten müssen.
Ihre Hausärztin ist nicht die richtige Ansprechpartnerin dafür, war der Folgesatz, den sie sagte. Und der zweite, zu ihrer Assistentin “bitte schreiben wir eine Überweisung für die Mammographie mit der Verdachtsdiagnose”. Und der dritte “Vielleicht können wir Sie gleich runter ins Röntgen schicken, wir werden das gleich klären”.
Ein Stein nach dem anderen kam so ins Rollen. Sie haben es tatsächlich geschafft, für mich nur eine Stunde später einen Termin für die Mammographie zu organisieren. Der Befund war ebenfalls innerhalb von einer Stunde fertig, was auch keine Kleinigkeit war, da es für den zwei Ärzte bedarf. Wir wissen ja, es gilt ja Vieraugenprinzip für solche Befunde.
Und während ich auf der Mariahilfer Straße spazieren und Bücher einkaufen war (sie meinten, es würde dauern und ich könnte ruhig ein bisschen spazieren gehen), organisierten sie mir auch einen Termin im Brustzentrum für den nächsten Tag. Als ich dann zurück war, redeten wir in Ruhe über meinen Befund, und sie versuchte mir (das gelang ihr tatsächlich) auch etwas Sorge zu nehmen. Bei mir war nämlich nicht klar, ob sich dabei um einen Tumor handelte oder doch nicht. Die Klarheit konnten nur eine MRT oder Biopsie bringen. Da ich einen Defibrilator implantiert habe, kam die MRT für mich nicht in Frage, und somit blieb nur die Biopsie übrig.
Ich denke, Menschen die selbst mit einem Verdacht auf Krebs konfrontiert sind, ob als Selbstbetroffene oder Angehörige, die können verstehen, welch ein riesiger Gefallen mir gemacht wurde. Diese Tage, in denen man darauf wartet, dass die Befunde fertig werden und endlich etwas weiter geht, sie sind kaum auszuhalten. Die Minuten und Stunden kommen einem wie Jahre vor, geschweige dann die Tage.
Als ich mich dafür bedankte und sagte, wie überaus glücklich und dankbar darüber ich bin, dass sie mir so viel halfen, kam ein Satz zutage, mit dem ich nicht gerechnet habe. “Es ist selbstverständlich und nichts zu danken, wir sind auch froh, in dieser Situation helfen zu können.”
Zwei Bilder, die ich für diese zwei Blogbeiträge ausgesucht habe, zeigen zwei Blickwinkeln eines Ereignisses, das mein Leben schon wieder auf den Kopf gestellt hat. Als ich sie aufnahm, hatte ich keine Ahnung, wofür ich sie eines Tages verwenden werde, denn da war meine neue Welt noch in Ordnung.
Es geschah zum zweiten Mal in meinem Leben, das es grundlegend verändert wurde, wenn es meine eigene Gesundheit betrifft. Und zum X-ten Mal, wenn es überhaupt mein Leben betrifft.
Einmal zwei Wege im Nebel. Der symbolisiert meine Orientierungslosigkeit in den ersten Stunden des Fundes. Einmal zwei Wege in der Sonne. Die Sonne ist die Klarheit, Hilfe die mir geleistet wurde, um leichter zu gehen. Es war nicht klar, was es war, jedoch war der Weg durch diese zwei ausgestreckte Hände wesentlich leichter zu beschreiten. Denn so komme ich mir vor. Wenn in meinem Kopf ein Bild dieser Hilfe und des Zuspruchs entsteht, dann sehe ich zwei erwachsene Menschen, die in der Mitte ein Kind führen, jede für eine Hand. So schaut diese Situation vor meinem inneren Auge aus.
Diese Last, die von mir und meinen Schultern genommen wurde, die ist unbeschreiblich. Die kann ich nicht in die Worte fassen. Der Weg war natürlich noch weit, jedoch als ich nicht wusste, wie ich mich auf meine Füße aufstellen sollte, war da Hilfe, mit der ich nicht gerechnet habe und das ist unbezahlbar.Danke! Sie fanden, das wäre nicht viel, was sie taten. Für mich bedeutete das die Welt.
Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal
Miri