Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Bist du auch so heiß wie ich?

Er ist da. Von vielen so sehnsüchtig erwartet. Von mir weniger. Der Sommer. Während sich andere freuen, die Zeit draußen verbringen zu können, ist es bei mir gerade umgekehrt. Ich weiß, meine Aktivitäten werden wieder auf das Minimum reduziert, es wird nur noch das gemacht, was gemacht werden muss und die meiste Zeit wird zuhause verbracht.

Kein Spaziergang am Abend, kein Eis mit meinen Freunden. Eventuell ein Kaffee am Vormittag oder ein Besuch zuhause. Weshalb ist es so, fragst du dich? Seit einigen Jahren, besser gesagt seit meinem Herzinfarkt, gehöre ich zu der Gruppe, die Hitzewarnungen ernst nehmen soll. Und ich tue das. Ich nehme sie ernst, obwohl das für mich bedeutet, dass ich sehr viel Zeit alleine verbringe. Und erst jetzt, wenn ich diesen Text schreibe, wird mir klar, dass mich diese Situation trauriger macht, als ich das annahm.

Es gab mal Zeiten, da liebte ich diese Jahreszeit. Ich genoß sie, nahm lange Sonnenbäder, ob auf einem Balkon oder Strand, das spielte keine Rolle. Sonne war meine Freundin und erwärmte meine Seele. Mit meiner Erkrankung änderte sich dann alles. Schon in Jahren davor merkte ich, dass ich die Hitze etwas weniger gut vertrage, jedoch verbrachte ich immer noch gerne meine Zeit draußen. Ja, es war warm und ich schwitzte (wobei: wir Frauen, wir schwitzen nicht, wir glitzern), aber im Sommer tun das sowieso alle.

Ich merke gerade, dass mir schwer fällt, jetzt in diesem Moment optimistisch zu sein, oder besser gesagt, gute Laune zu behalten. Ich wollte eigentlich einen witzigen Text über die Hitzewellen in der Hitzewellen schreiben, wobei die gar nicht so witzig sind. Aber das darf auch sein. Wir dürfen schlechte Stimmung haben, und wie! Wenn ich nicht weiß, wie die schlechte Zeiten aussehen und sich anfühlen, wie soll ich dann die guten schätzen?

Und jetzt? Jetzt spielt zusätzlich auch noch die Krebstherapie eine Rolle. Sagen wir so: Ich bin über die Nacht gealtert und wurde in die Wechseljahre katapultiert, zusammen mit tausenden anderen Frauen, und so manchem Mann. Was bedeutet das für mich?

Dachte ich früher, die Hitze wäre unerträglich, dann erfahre ich jetzt wie das so ist, wenn sie sich um noch eine Stufe (oder zehn, wenn man mich fragt) erhöht. Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde brennen. Während ich diesen Text schreibe, rattert mein Ventilator. Die ganze Zeit. Und trotzdem ist meine Haut mit einem feinem Schweißfilm überzogen. Es ist gut so lange es nur so ist. Davon gibt es auch mehrere Stufen, von “mir ist heiß” bis “ich halte das nicht mehr aus”.

Der Unterschied auf dieser Skala für mich ist, dass ich bei “ich halte das nicht mehr aus” kapituliere. Im Klartext: Seit ein paar Wochen habe ich einen Fächer und der begleitet mich, egal wo ich hingehe. Vor einigen Tagen kaufte ich mir auch einen Handventilator, und er ist auch mein täglicher Begleiter geworden. Wenn ich diese Stufe erreiche, dann hilft gar nichts mehr. Ich komme nicht mehr mit dem abwischen nach. Da hilft dann nur noch abwarten, ab und zu abwischen und die Nerven bewahren.

Heute war ich Haare schneiden. Wenn ich daran denke wie meine Frisörin versuchte meinen Hals von den Haaren zu säubern, muss ich sofort lachen. Ihr verzweifelter Satz “da klebt alles” ist irgendwie die beste Zusammenfassung. Es war acht Uhr in der Früh.

Und doch zählt nur eines: Es ist etwas, was mir vielleicht helfen wird, in Zukunft krebsfrei zu bleiben, ein Teil der Therapie. Keine Garantie, weil die kann mir niemand geben, aber eine Chance, eine Möglichkeit, auf die ich nicht verzichten will. Der Sommer wird vergehen, und mit ihm die Hitze. Falls jetzt eine oder anderer denkt, ja, die bleiben aber auch im Winter, hat sie oder er natürlich recht. Dann sind sie aber besser und leichter zu ertragen.

Seit ich in dieser Wohnung lebe, hatte ich noch nie so wenig geheizt, wie im letzten Winter. Da gab es viele Tage, an denen ich mir dachte, puh, heute ist aber irgendwie heiß da drinnen (wohlgemerkt im T-Shirt), und wollte die Heizung abdrehen, nur um festzustellen, dass sie gar nicht aufgedreht war. Ja, das ist die andere Seite davon. Die macht mir aber keine Schwierigkeiten. Fenster auf und mit dem Kopf raus, lautet die Devise. Zumindest kann ich dabei die Heizkosten sparen und das ist in diesen Zeiten nicht nichts, da wird mir ein jeder Recht geben :-))

Ich weiß wofür es ist und wie viel wert mir das ist. Darauf will ich nicht verzichten. Punkt. Es ist mir jedoch wichtig, auch darüber zu schreiben, weil das auch zu einem Tabuthema gehört. Und wir sind Menschen. Menschen schwitzen und damit tut uns unsere Haut einen Riesengefallen, weil sie unsere natürliche Klimaanlage ist. Sonst würden wir verbrennen. Innerlich. Und trotzdem genieren sich Frauen wie ich, wenn sie in der Öffentlichkeit schwitzen. Wenn sich die Schleusen öffnen und die Bäche fließen. So, als hätten wir nicht schon genug Probleme und schwierige Zeiten, lasten wir uns noch den Scham für die natürlichste Sache der Welt auf.

Ab heute eine weniger. Ich habe nämlich gerade beschlossen, ab jetzt pfeif ich drauf.

Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal

Miri

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