Du bist was du isst
Rauchst du noch oder träumst du nur davon?
Nach Hause kommen. Ablegen. Ein Glas Wasser trinken. Einen Kaffee machen. Dazu noch ein Glas Wasser holen. Sich hinsetzen. Eine Zigarette anzünden. Einmal an ihr ziehen. Einen Schluck Kaffee nehmen. Und zurücklehnen. Ja, so kann Glück auch ausschauen. Zufriedenheit.
Und auch Sucht. Das weiß ich und wusste es auch wahrscheinlich schon vor 20 Jahren. Trotzdem rauchte ich sehr gerne. Wenn du nie geraucht hast oder nur einmal probiert hast, dann fragst du dich jetzt wahrscheinlich, wie kann das sein, dass jemand so etwas mag bzw. sogar liebt. Solltest du jedoch geraucht haben oder rauchst immer noch, dann kannst du dich mit mir zusammen erinnern, wie das so war, als wir anfingen.
Ich fing mehrere Male an. Meine ersten Erinnerungen führen mich in meine frühe Kindheit, etwa fünf Jahre alt, wie ich aus der Asche die Zigarettenstummel (in Wien liebevoll Tschick genannt) herausfische. Bei uns nannte man sie auch Tschick und ich lebte damals noch in damaligen Jugoslawien, heute Kroatien. Weiter ging es als ich etwa 12 Jahre alt wurde. Meine Cousine und ich bettelten meinen Bruder an, um einen Schachtel Zigaretten und er gab uns tatsächlich welche. Opatija. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern. Wir rauchten sie aus innerhalb von wenigen Stunden und aßen Bonboniere dazu. Als uns schlecht wurde, sagten wir meiner Mutter, die viele Schokolade wäre schuld, sie wusste ja nichts von unserer “heroischen” Tat.
Mit 14 Jahren dann wieder ein Versuch und dabei ist es auch geblieben, nur beim Versuch. Ich kaufte immer wieder welche Zigaretten, rauchte ein Stück davon, den Rest verschenkte ich. Irgendwann hörte ich damit auf, davon überzeugt, damit wird nie was. Bis alle meine Freundinnen rauchten. Da war ich 17 Jahre alt und dachte mir, so, jetzt will ich auch dazu gehören, ich will auch endlich rauchen. Und ich zwang mich dazu. Diesmal klappte es.
Ich weiß nicht mehr, was ich dabei fühlte. Fühlte ich mich erwachsen? Wahrscheinlich. Auf jeden Fall rutschte ich irgendwann Klarerweise in die Abhängigkeit, wobei mir am Anfang gar nicht klar war, das mich das erwartet. Ich wusste ja, dass es viele Menschen gibt, die bis zu ihren Lebensende rauchen und ging auch davon aus, bei mir wird das auch so sein. Weil ich will. Nicht weil ich muss.
Wenn ich so zurückdenke, dann weiß ich auch, dass es Zeiten gab, in denen mich meine Zigaretten am Leben erhielten. Das hört sich wahrscheinlich nicht so toll an, aber wie oft vergaß ich Brot zu kaufen und Zigaretten nie. Als mein Mann verunglückte und im Spital war, aß ich in den ersten 48 Stunden gar nichts. Es sollte mich niemand fragen, wie viele Zigaretten ich rauchte. Zu viele.
Ich rauchte, also war ich. Mein Frühstück waren ein Häferl Kaffe und zwei bis drei Zigaretten. Und irgendwann, da war ich schon über 35, kam eine gute Freundin in die Schule (wir machten damals die Berufsreifeprüfung) und sagte, sie raucht nicht mehr. Das begeisterte mich und ich dachte, das will ich auch. Ich will damit aufhören, weil in der Zwischenzeit auch mir klar wurde, ich bin abhängig. Aus diese Abhängigkeit wollte ich ausbrechen.
Sie empfahl mir ein Buch und es klappte sofort. Ich las das Buch durch, machte es zu und am nächsten Tag verschenkte ich meine Zigaretten und mein Feuerzeug. Das war’s. Für ein Monat oder so. Mein Fehler war zu denken, es war ja so leicht aufzuhören, das schaffe ich wieder. Leider nicht. Ja, aber nur für ein paar Tage. Mein Körper wollte diese Nahrung.
Bis zu meinem Infarkt. Da war der Gedanke, lieber Gott, wenn ich das hier überleben sollte, rauche ich nie wieder. Ich hielt genau 10 Tage durch. Nicht mal zwei Wochen. Beschämend, damals wie heute. Auf einmal fand ich mich in einem Teufelskreis. Ich rauchte ein paar Wochen, dann wieder ein paar Wochen nicht, immer und immer wieder. Aufgehört, angefangen, aufgehört, angefangen. Ich hasste es und konnte nicht aufhören, kaufte Zigaretten, rauchte zwei oder drei davon, den Rest machte ich kaputt. Ging schlafen, keine Zigaretten zuhause, nur damit ich um Mitternacht aufstehe, mich anziehe, das Geld und die Bankomatkarte mitnehme, aus der Wohnung gehe und Zigaretten hole. Bescheuert, ich weiß. Und: Ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Vor allem mir gegenüber.
Bis mir ein Zufall zu Hilfe kam. Eine Bekannte erzählte, sie würde seit einem Monat nicht rauchen. Ich beneidete sie in dem Moment. Der Gedanke, ich will das auch, ließ mich nicht mehr los. An einem Samstag war es dann so weit. Die letzte Zigarette rauchte ich gegen halb sechs am Abend aus und dachte mir, nur den Abend ohne Zigaretten verbringen, dann habe ich morgen schon einen Erfolg. Zusätzlich dazu kam mir ein Gedanke in Sinn: Wenn ich morgen gar nicht aushalten kann, dann darf ich eine Zigarette rauchen.
Und ich schaffte es. Schon über drei und halb Jahren begleitet mich dieser Gedanke. Ich darf nicht denken, es ist für immer, dann will mein Gehirn sofort eine Zigarette. Manchmal träume ich davon, ich hätte eine Zigarette geraucht und dann spüre ich sogar im Traum diese Enttäuschung.
Dass ich nicht mehr rauche, darüber bin ich jetzt glücklicher als je zuvor. Sogar mir ist es klar, dass ich mit meiner Herzschwäche und jetzt noch Mammakarzinom dazu, als Raucherin keine zu hohe Lebenserwartung hätte. Und doch war der Wunsch zu rauchen noch nie so präsent wie jetzt. Oft gab es Tage, an denen ich mir dachte, ich fange wieder an. Ich weiß, das würde mich nicht weiter bringen und meine Probleme wären dadurch nur noch größer. Das Einzige, was mich davon abhält, sind zwei Sachen: Ich weiß, dass ich nicht wieder rauchen will. Eine Zigarette wäre OK, aber ich kann mir selbst noch nicht versprechen, dass es bei dieser einen bleibt. Deshalb lasse ich es. Und zweiter, noch wichtiger Grund, ist, ich will leben und die Menschen, die mir lieb und teuer sind, noch eine Weile in ihrem Leben begleiten.
Worum es mir in diesem Text geht, ist, einen Blickwinkel aus der Ecke einer ehemaligen Raucherin zu geben, die noch immer rauchte, obwohl sie knapp vom Schaufel gesprungen ist. Viele Menschen verstehen nämlich nicht, wie kann jemand rauchen, obwohl er oder sie Krebs hat. Oder Herzschwäche. Oder beides. Oder COPD. Wir wissen alle, dass das Rauchen schädlich ist. Das ist sich jede/r bewusst. Nur, wie ich schon vorher sagte, manchmal sind Zigaretten unsere Retter in Not. Das ist das eine. Das andere: Was wollen wir einem krebskranken Menschen sagen? Wenn du nicht aufhörst, bekommst du Krebs? Haha! Das ich nicht lache. Ich hatte Schmerzen, wusste mein Herz tut sich schwer und will mir sagen, das was du machst, ist nicht gut für mich. Und ich rauchte weiter.
Ich schrieb oben, wie schwer es für mich war, aufzuhören. Wenn ich daran denke, glaube ich nicht unbedingt, dass es mit einer frischen Krebsdiagnose wesentlich leichter ist. Mir wurde gesagt, von einer Bekannten in der Herzreha vor ein paar Jahren, ah, wenn du rauchen willst, dann mach das doch. Schau mich an. Ich rauchte nie und trotzdem bin ich da.
Und das trifft auch die Sache auf den Punkt. Wir werden krank, ob Raucher oder Nichtraucher. Mit Rauchen ist vielleicht das Risiko größer, aber wir alle werden sofort mit Beispielen um uns schmeißen, wie viele Menschen wir kennen, die nie rauchten und trotzdem krank geworden sind. Mit Krankheiten ist so eine Sache, keiner glaubt, dass es ihn treffen wird, bis es ihn trifft. Und aufzuhören verlangt schon immense Kraft, wenn man gesund ist, geschweige denn krank.
Deshalb ist es mir wichtig, um ein bisschen Verständnis zu werben, wenn ihr Menschen trifft, die Krebs haben und rauchen, aber das besser lassen sollen. Das Letzte, was sie brauchen, sind irgendwelche Vorträge darüber. Sie wissen das selbst. Was sie brauchen ist Hilfe, Zuspruch, ein “Ich bin für dich da” oder “Was soll ich dir besorgen”. Selbst wenn das Zigaretten sind.
Ganz liebe Grüße und bis zum nächsten Mal
Miri