Annette fragt… Anna Farris
Wann bist du wieder gesund Mama?
“Wir können deiner Oma nichts schenken. Die ist doch tot.”
Vernichtende Worte aus dem Mund meiner Dreijährigen.
Ich erkläre ihr, dass ich noch eine Oma habe und dass wir von eben dieser anderen Oma sprechen. Meine Tochter schaut mich durchdringend an.
“Opa ist auch tot” erklärt sie mir. Ich bestätige, korrigiere aber: MEIN Opa ist tot. “Wir können ihn niemals mehr besuchen” sagt sie. “Niemals”.
Da sitze ich, verwickelt in ein Gespräch über die Endgültigkeit des Todes mit einer Dreijährigen und frage mich, wie sehr sie selbst begreift was sie da sagt.
Sie sagt Dinge wie “das ist sehr schade” und “ich finde das traurig”. Redet sie uns nach, oder fühlt sie das wirklich?
Vielleicht etwas von beidem.
Ich habe es mir gewünscht. Ich wollte so lange leben bis ich diese Gespräche mit ihr führen kann. Wollte sie, entsprechend ihrer Möglichkeiten, über das Aufklären was passieren wird und jetzt, als mit meinem Großvater der zweite Todesfall im Leben meiner Tochter eingetreten ist, jetzt wo sie das Thema besprechen will sitze ich da und bin nicht sicher ob ich das kann.
“Wann wirst du eigentlich wieder gesund” fragt mich meine Tochter später am Tag.
Ich habe mir geschworen ich werde sie nicht belügen.
“Ich werde nicht mehr gesund mein Schatz” antworte ich ihr. Kurz schießen mir Tränen in die Augen. Ich atme tief durch.
“Aber waruuuuum?” Die Frage aller Fragen.
Ich weiß es nicht.
“Pech” sage ich. “Mein Schatz – ich habe einfach Pech.”
Ob ich nie wieder so gesund sein werde wie sie, will sie wissen. Ich verneine. Das Gespräch wird einfacher. Ich erkläre ihr, das kaum ein Erwachsener je wieder “so gesund wie sie” sein wird.
Sie sagt das wäre aber schön, denn ich sei eine gute Toberin. Viel besser als der Papa, aber eben nur wenn ich gesund bin.
Ich lächle. “Ich werde versuchen so gesund zu werden, dass wir wieder toben können. Das schaffe ich bestimmt” sage ich.
“OK” sagt sie.
“Wirst du immer krank sein Mama? Für Immer?” Ihre Augen sind groß. Immer ist ein großes Wort.
“Nein” sage ich. “Ich werde krank sein bis an mein Lebensende, aber das ist nicht schlimm. Ich bin auch krank glücklich. Hauptsache ich kann bei dir sein und wer weiß? Vielleicht kann ich schon ganz bald wieder mit dir toben!?”
Ich bin froh, dass sie mich heute nicht fragt ob ich sterben werde oder wann.
Sie nimmt mich in den Arm. Von hinten. Sie hat extra mein Bett erklettert und mich umrundet.
So tut sie mir nicht weh, erklärt sie mir und sie will doch mit mir kuscheln.
Dann wird sie übermütig, klammert sich an mir fest und drückt mir mit ihren dünnen armen fast den Hals zu.
“Ich kuschel dich tot, gell?” lacht sie.
Ich ziehe ihre Hände auseinander und lache auch. “Bitte nicht” sage ich.
“Mama ich bin deine beste Medizin” sagt sie.
Und das stimmt.
Ich nehme sie in den Arm und bin einfach nur glücklich.