Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

der erste Haarausfall

Zwei Tage nach der Diagnose, als schon die erste Chemo in mich hineingepumpt wurde, wurde ich richtig zornig.

Ich blickte in den Spiegel, sah mich an, und dachte mir nur: “FUCK, wie kann das sein, dass ich Krebs habe. Und bald keine Haare mehr haben werde?”

HOLY SHIT!

Ich hörte laut Metallica und schrie. Eine Mischung aus Angst, pure Überforderung, des “nicht Glauben Könnens”, Trauer, Wut. Zeitgleich ging mir ein Gedanke durch den Kopf. Ich dachte mir, ich nenne meinen Krebs einfach “HORST“. Horst war für mich ein lächerlicher Name, den ich nicht ernst nehme konnte.

Darf ich vorstellen? Das war Horst!

Ich stellte mir zu den Namen Horst einen grausigen, schwarzen “Wuz’l” vor. Ich dachte mir, diesen Pisser von Horst vertreibe ich aus meinem Körper. Mit jedem Tropfen Chemo wird Horst kleiner. Horst hat einen starken Gegner ausgesucht, nämlich MICH! Der Schmäh mit Horst lief wieder. Schon konnte ich wieder lachen. Wenn auch nur mit einer gehörigen Portion Galgenhumor – aber ich lachte – immerhin. Ich stellte mir vor, wie ich Horst jedes Haar und jeden Zahn ausriss. Ich vernichte ihn! Diesen ungebetenen Gast, der sich ohne zu fragen, in meinem Körper schlich. Was für ein Feigling! FUCK YOU HORST!

 

Zurück zu den Haaren. Ich hatte Angst, dass mich mein damaliger Partner verlässt, wenn ich keine Haare mehr habe. Ich hatte Angst, dass ich ihm nicht mehr gefalle.

Die Ärzte sagten mir, dass mir die Haare ca. 14 Tage nach der Chemo ausgehen werden. Ich wartete das ab. Nach ca. 10 Tagen fing meine Kopfhaut zu schmerzen an. Es fühlte sich an, wie ein Nadelhaufen und tat weh, wenn man die Kopfhaut berührte. Ich sagte immer, ich habe “Haareweh”. Langsam gingen mir die Haare aus. Zuerst wurden sie “locker”. Man konnte Strähne für Strähne herausziehen, ganz ohne Widerstand.

Ich wollte aber den richtig argen Haarausfall abwarten. Ich dachte mir, wenn ich diesen Scheiß schon erleben muss, dann richtig. Ich wollte wissen, wie es ist, wenn die Haare büschelweise ausgehen.

Es ging dann richtig schnell. Einmal wurde ich in der Früh wach und mein Kopfpolster war voller Haare. Tag für Tag wurde es mehr. Bis ich wirklich durch die Haare griff und richtig fette Büschel in den Händen hielt.

  das erste Glatzenfoto

meine alten Haare        die letzten Strähnen         Haarausfall        das erste Glatzenfoto

Dann war der Zeitpunkt da, sie abzurasieren. Zuerst schnitt ich mir 3 Strähnen heraus, welche ich bis heute noch habe, als Erinnerung. 🙂 Zugegeben, es machte Spaß, sich einfach Haarsträhnen rauszuschneiden. Ich fühlte mich wie ein Kind, dass Friseur spielte. Auch wenn der Anlass ein sehr trauriger war.

Einen Tag später war es dann soweit. Meine damalige Schiegermutti war Friseurin, und ich wollte dass Sie mir meine Haare abrasiert. Ich war sehr aufgeregt und wollte es endlich hinter mich bringen.

Ich weiß nicht wer mehr aufgeregt war, ich oder meine Familie. Schließlich rasierten wir alle Haare ab.

BOOOM, da war sie, meine Glatze. Auf meinem Instagram Blog könnt ihr das Video in voller Länge sehen, als wir die Haare abrasierten. https://www.instagram.com/tv/B2eWcDTI1EV/?utm_source=ig_web_copy_link

Die ersten Worte meiner Family waren “DU BIST NET SCHIRCH”, 🙂 ….  Zugegeben ich hatte eine schöne Kopfform und mir stand die Glatze wirklich gut. Ich fühlte mich sofort wohl damit. Und es war für mich gar nicht schlimm. Es sind doch nur Haare und Haare wachsen wieder, mein Gott. Da ich noch Augenbrauen und Wimpern hatte, ging es eigentlich. Die Augenbrauen und Wimpern, fielen mir dann aber auch noch aus. Diesen Tag werde ich wohl nie vergessen. Ich heulte Rotz und Wasser. Ich sah aus wie ein Glubschi, ohne Augenbrauen. Das Gesicht war so leer, ich sah so krank aus, was ich ja auch war.

Was schon komisch war, ist der erste Blick in den Spiegel. Ich hatte noch nie kurze Haare. Mit dem Blick in den Spiegel, wurde uns allen noch mehr bewusst, dass ich richtig krank war und verdammt noch mal eine junge Hochrisiko-Krebspatientin bin, die zwischen Leben und Tot bangt. Da ich in dieser Zeit in unter Quarantäne in einem Isolierzimmer eingesperrt war, erlebte ich die Blicke der Außenstehenden erst viel später. Als ich vor der Transplantation alle Untersuchungen über mich ergehen lassen musste, und so ziemlich jede Ambulanz im LKH Graz abklapperte, war ich auch mit den Blicken anderer konfrontiert. Zu diesen Zeitpunkt konnte ich nicht mehr gehen, ich wurde entweder liegend oder mit dem Rollstuhl transportiert. Ich war auf 46kg abgemagert, konnte kaum stehen, hatte eine Glatze, trug einen Bauarbeiter-Mundschutz und Gummihandschuhe. Die Blicke waren manchmal wirklich schwer zu ertragen. Welch eine unfassbar psychische Belastung das war, wird mir eigentlich auch jetzt erst bewusst. Aber in dem Moment funktioniert man einfach. Man funktioniert um zu Überleben.

Wie stark Horst war, erzähle ich euch beim nächsten Mal. Wir lesen uns ! 🙂

Mit der Glatze, wird der Krebs sichtbar. FUCKCANCER, FUCKHORST

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